NFL

Top 5: Die wichtigsten Erkenntnisse aus Woche 11 in der NFL

Justin Fields
© getty

Nach Woche 11 müssen sich die Jets ernsthaft die Quarterback-Frage stellen, während Baltimores Offense mit Blick Richtung Playoffs eigene Fragen aufwirft. Außerdem: Wie sehen die großen Trades im Rückblick aus? Und wie könnte der Rebuild der Bears weitergehen?

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Als Broncos-Coach Nathaniel Hackett unter der Woche auf das Duell mit den ebenfalls strauchelnden Raiders angesprochen wurde, lautete seine trockene Parole: "Irgendwer muss dieses Spiel gewinnen."

Das mag nicht gerade die höchste Schule der Motivation sein - und es ist eine Aussage, die Hackett und Russell Wilson mit ihrem Time-Management am Ende auf die Probe stellten -, und gleichzeitig beschreibt es die Gefühlslage, die vermutlich in Denver und auch in Las Vegas - genau wie bei den Rams und Saints - derzeit herrscht, ganz gut.

Diese Teams sind mit gehörigen Ansprüchen in die Saison gestartet, untermauert mit einigen kostspieligen Trades. Sowohl die Rams (Pick via Trade abgegeben an die Lions), als auch die Saints (Eagles) und Broncos (Seahawks) könnten im kommenden Draft Top-10-Picks an ein anderes Team abgeben.

Ohne an dieser Stelle zu sehr in die Details zu gehen - über die gescheiterte Strategie der Saints hatte ich beispielsweise auch schon ausführlicher geschrieben - liegt hier vermutlich schon eine übergreifende Lektion: Die Lektion, dass man sehr vorsichtig damit sein sollte, künftige Erstrunden-Picks abzugeben.

Mit diesen Trades lässt man sich auf eine Wundertüte ein. Sicher, alles kann perfekt laufen und man schickt einen Pick in den späten 20ern oder gar in den 30ern im Folgejahr zum Trade-Partner. Es kann aber auch ein Top-5-Pick sein.

Die Texans dachten nicht, dass der künftige Erstrunden-Pick, den sie für Laremy Tunsil nach Miami schickten, der Nummer-3-Pick sein würde. Die Seahawks dachten nicht, dass der zweite Erstrunden-Pick, den man für Jamal Adams zu den Jets geschickt hatte, ein 2022er Top-10-Pick sein würde. Und ich bin mir sicher, dass insbesondere die Broncos, Rams und Saints niemals damit gerechnet hatten, dass sie im 2023er Draft in der Top 10 picken könnten.

1. Gewinner und Verlierer der großen Offseason-Trades

Doch war das nicht die Stimmung, die im vergangenen Frühjahr in der NFL herrschte. Die Liga hatte gerade dabei zugeschaut, wie die ultra-aggressiven und Trade-freudigen Rams den Super Bowl gewinnen konnten, und auch wenn mehr zu ihrer Strategie gehörte: Das aggressive Traden von Premium-Ressourcen für Stars auf Premium-Positionen war ligaweit en vogue.

Solche Trades - umso mehr, weil sie meist mit einem neuen, teuren Vertrag einhergehen, sind Weichenstellungen, und zwar für beide Teams. Ein gut geplanter Rebuild kann mit den so erhaltenen Ressourcen nach vorne katapultiert werden - ein Fehlinvestment dagegen kann ein Regime zu Fall bringen und ein Team signifikant zurückwerfen.

Und während wir uns mit großen Schritten in Richtung des letzten Saisondrittels bewegen, rücken die Konsequenzen dieser Entscheidungen stärker in den Fokus.

Quarterback Russell Wilson (von den Seahawks zu den Broncos)

Gewinner: Natürlich die Seattle Seahawks. Selbst wenn wir ganz nüchtern an die Sache ran gehen und erst einmal nur auf das Draft-Paket betrachten, muss man den Deal als massiven Punktgewinn für Seattle verbuchen, angesichts des Leistungsabfalls, den man dieses Jahr bei Wilson konstatieren muss. Packt man dann noch die bisherigen Eindrücke von Seattles Rookie-Klasse und den zunehmend hohen Pick 2023 obendrauf, manifestiert sich dieses Fazit umso mehr.

Verlierer: Die gesamte Broncos-Seite dieses Deals, inklusive Wilson selbst. Der wurde zwar mit einem weiteren teuren Vertrag fürstlich entlohnt, bevor er überhaupt einen Snap für die Broncos gespielt hatte - doch spätestens seit der Auftaktniederlage gegen Seattle vergeht kaum eine Woche, in der nicht irgendein ehemaliger Mitspieler mal mehr, mal weniger subtil öffentlich gegen Wilson nachtritt.

Und dann ist da die Broncos-Seite. Denver hat sich für die nächsten sieben Jahre an Wilson gebunden, mit einem Deal, der ihn bis mindestens einschließlich 2024 an die Broncos bindet. Selbst eine Entlassung 2025 würde noch einen Dead-Cap-Hit über fast 50 Millionen Dollar mit sich bringen. Dieser Trade mit diesem Vertrag könnte als der teuerste Fehler in der NFL-Geschichte in die Geschichtsbücher eingehen.

Wide Receiver Davante Adams (von den Packers zu den Raiders)

Gewinner: Man könnte hier zumindest Adams ins Rennen werfen, weil er den Vertrag bekommen hat, den er wollte, und zu dem Team getradet wurde, zu dem er wollte - aber auch Adams hatte sich das alles aus sportlicher Perspektive mit Sicherheit anders vorgestellt. Und wer weiß: Vielleicht ist das Experiment mit Adams in Las Vegas viel früher beendet, als irgendwer vorher antizipiert hatte.

Verlierer: Alle Beteiligten. Die Passing-Offense der Packers sucht verzweifelt ihre Form und stolpert durch die Saison. Eine vermeintliche All-In-Saison mit Aaron Rodgers könnte enden, bevor die Playoffs überhaupt anfangen. Die Raiders auf der anderen Seite sind mit dem Adams-Trade All-In gegangen, mit einem Kader, der in zu vielen Teilen zu weit weg davon war. Eine enorme Fehlkalkulation.

Gehen die Raiders nach dieser Saison womöglich in einen Rebuild? Der Vertrag von Derek Carr würde eine Trennung ermöglichen, Josh McDaniels könnte seine verkorkste Einstiegssaison als Anlass dafür nehmen, den Neustartknopf zu drücken, auch um sich selbst Zeit zu verschaffen. Adams nach dieser Saison zu traden, würde einen Dead Cap in Höhe von 31,4 Millionen Dollar in den Raiders-Büchern lassen, und mittlerweile bin ich nicht mehr sicher, wie unwahrscheinlich dieses Szenario noch ist.

Wide Receiver Tyreek Hill (von den Chiefs zu den Dolphins)

Gewinner: Hill hat den Vertrag bekommen, den er haben wollte - aber der größte Gewinner dieses Trades für mich ist Dolphins-Quarterback Tua Tagovailoa. Und ohne die "Wie viel ist Tua, wie viel sind Scheme und Waffen?"-Diskussion wieder aufmachen zu wollen: Es steht außer Frage, dass Tua massiv von Hills Impact profitiert, der die gesamte Dolphins-Offense öffnet.

Aus Chiefs-Perspektive muss man diesen Part hier etwas anders angehen, dennoch sehe ich Kansas City als Gewinner: Dieser Trade und die Tatsache, dass Kansas City Hill nicht in diesen Dimensionen bezahlen wollte, zeigt die in meinen Augen richtige Selbsteinschätzung: Sicher will man mit Mahomes in jedem Jahr All-In sein - aber die Chiefs sollten ihre Kaderplanung auch so angehen, dass sie über die nächsten 10 Jahre ein Titelfenster haben.

Dafür muss der Kader immer wieder junges, günstiges Talent bekommen, um die vorhandenen, teuren Stars zu ergänzen. Dieser Trade war ein klares Statement in diese Richtung: Trent McDuffie, Skyy Moore, zwei Tag-3-Picks im kommenden Draft - KC stellt sich mit diesem Trade neu auf, und hatte so eben auch die Munition, um bereitwillig ein Angebot für den in New York unzufriedenen Kadarius Toney abzugeben.

Verlierer: Wenn wir wirklich kurzfristig denken, könnte man Kansas City hier aufführen. Die Chiefs wären natürlich noch gefährlicher mit Hill, statt JuJu Smith-Schuster und Marquez Valdes-Scantling.

Aber eine wirklich relevante Position ist das nicht, denn Roster Building findet nicht in Einjahresfenstern statt - und hätten die Chiefs den Trade für Kadarius Toney ohne zusätzliche Picks gemacht? Wie hätte die Cap-Struktur über die nächsten beiden Jahre funktioniert? Ich halte das für einen Trade, bei dem alle Beteiligten unter dem Strich die richtige Entscheidung getroffen haben.

Wide Receiver A.J. Brown (von den Titans zu den Eagles)

Gewinner: Wie bei Tyreek Hill ist auch hier die erste Antwort relativ klar: Jalen Hurts. Hurts hat einen Sprung gemacht, aber ähnlich wie bei Tua Tagovailoa steht auch hier die Frage im Raum, inwieweit dieser Sprung mit seiner eigenen Entwicklung zu erklären ist, und welchen Anteil die verbesserten Umstände haben.

Hurts bringt zwei exzellente Qualitäten mit, die essenziell sind für die Offense der Eagles: Seine Rushing-Qualitäten sowie sein Go-Ball. Und Brown auf der anderen Seite hat zwei Kernkompetenzen in diese Offense gebracht: Die Physis über die Mitte des Feldes - und die Ballwinner-Qualitäten Outside bei Go-Balls. Hurts' Entwicklung hängt in dieser Hinsicht definitiv mit Brown zusammen.

Verlierer: Die Titans liegen auf der Hand, und es ist grundsätzlich erst einmal nie eine gute Entscheidung, einen jungen Elite-Playmaker abzugeben. Um diese Art Spieler sollten Teams in meinen Augen immer aufbauen, nicht sie abgeben, und der Vertrag, den Tennessee Brown angeboten haben soll, legt nahe, dass die Titans wirklich kein Interesse daran hatten, sich an ihn zu binden.

Vielleicht waren hier Bedenken hinsichtlich vergangener Verletzungen ein Faktor, generell aber ist Tennessee hier zunächst mal als Verlierer zu nennen.

Die Verteidiger Khalil Mack & J.C. Jackson (zu den Chargers)

Gewinner: Die "abgebenden" Teams, auch wenn es im Fall der Patriots "nur" ein Free-Agency-Abgang war - aber einer, der ihnen mutmaßlich einen Viertrunden-Compensatory-Pick einbringen wird. Die Bears mussten mit Blick auf ihren Kader einen Rebuild angehen, die Patriots haben in der vergangenen Offseason einmal mehr gezeigt, dass sie in der Lage sind, gute Defensive Backs zu finden.

Verlierer: Jackson ist der nächste Verteidiger, der in New Englands Defense herausragende Leistungen abliefert, nur um dann ohne Belichick in ein Loch zu fallen. Die Verletzung ist natürlich Pech, aber der Effekt, den ich von ihm innerhalb der Defense von Brandon Staley erhofft hatte, ist auch vor der Verletzung nicht ansatzweise eingetreten. Jackson hatte eine horrende Saison.

Mack war eine gute Verpflichtung und wurde umso wichtiger, nachdem sich Joey Bosa verletzt hatte. Aber sein Impact unter dem Strich konnte nie so sein wie erwartet, weil er kein fehlendes Puzzleteil, sondern das gesamte Puzzle war, inklusive Packung. Die Chargers haben viele Probleme und enttäuschen in vielen Bereichen. Aber L.A. hat sich dazu entschieden, die Defense klar zu fokussieren, und das Ergebnis ist mehr als enttäuschend.

Es gab noch Wechsel, die in puncto Ressourcen nicht ganz mit den oben genannten Deals mithalten können. Der Trade für Matt Ryan etwa kostete die Colts lediglich einen Drittrunden-Pick - doch die erhoffte Quarterback-Antwort ist er nicht. Die Falcons auf der anderen Seite trennten sich von Ryan, bevor der so richtig abbaute; doch der überaus geringe Trade-Preis sowie der massive Dead-Cap-Hit, den Atlanta schlucken musste, lassen die Falcons hier auch nicht gerade als "Gewinner" zurück.

Direkt mit dieser Situation verknüpft ist Carson Wentz, von dem sich die Colts nach nur einem Jahr trennten und ihn nach Washington schickten. Durch Wentz' Verletzung wird der Conditional 2023er Pick aus diesem Trade, der noch nach Indianapolis wandert, "nur" ein Drittrunden-Pick werden - Wentz müsste 70 Prozent der Snaps spielen, damit daraus ein Zweitrunden-Pick wird.

Aus Washingtons Sicht würde ich das als die Definition von "Schadensbegrenzung" bezeichnen. Denn nichts beschreibt die Idee, es nochmal mit Wentz zu versuchen, besser als die Tatsache, dass Washington von Taylor Heinicke vergleichbares Quarterback-Play und sogar bessere Ergebnisse bekommt. Nach dem Sieg über Houston erklärte Coach Ron Rivera Heinicke auch offiziell zum Starter.