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Top 5: Die wichtigsten Erkenntnisse aus Woche 6 in der NFL

SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt zurück auf Woche 6 in der NFL.
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5. Die Patriots-Offense ist eine Positiv-Überraschung

Das Duell der Cleveland Browns und der New England Patriots war für mich persönlich ein mehrfaches "wo lag ich falsch?"-Erlebnis.

Ich dachte vor Saisonstart nicht, dass sich die Patriots-Offense unter Matt Patricia signifikant weiterentwickeln würde. Und ich dachte, dass die Browns eine Top-10-Defense stellen würden.

Mit dem zweiten Punkt kann man direkt in diese Partie einsteigen. Cleveland ging in diesen Spieltag mit der mit weitem Abstand schlechtesten Run-Defense in der NFL. Cleveland lag nach fünf Spielen abgeschlagen auf dem letzten Platz was Expected Points Added pro Run angeht, sowie auf Platz 29 in defensiver Success Rate gegen den Run.

Die Chargers liefen letzte Woche für 238 Yards, bei absurden 7,7 Yards pro Run gegen diese Defense. Und das, nachdem Atlanta in Week 4 202 Rushing-Yards (5,8 Yards pro Run) gegen die Browns aufgelegt hatte. Selbst das chronisch schwache Steelers-Run-Game kam auf 4,7 Yards pro Run (104 Rushing-Yards insgesamt) gegen Cleveland.

Chargers vs. Browns wie das Spider-Man-Meme

In gewisser Weise war das Browns-Chargers-Spiel das Spider-Man-Meme. Fast auf den Tag genau ein Jahr zuvor hatte Cleveland mit 42:47 bei den Chargers verloren, nachdem Cleveland für 230 Yards und drei Touchdowns, bei 6,6 Yards pro Run, gelaufen war. Die Run-Defense der Chargers würde die ganze weitere Saison über ein Thema bleiben, weil sie so desolat war, dass sie Los Angeles Spiele, und ultimativ auch ein Playoff-Ticket, kosten würde.

Diese Rolle haben bislang die Browns eingenommen. Und das liegt nicht mal daran, dass die Browns ausschließlich leichte Boxes spielen würden, denn das ist weniger der Fall, als man es schematisch von dieser Defense erwarten würde. Clevelands Interior Defensive Line ist schlichtweg absolut desolat.

Jordan Elliott, Taven Bryan, Tommy Togiai, Perrion Winfrey - das ist eine massive Schwachstelle mit Ansage. Winfrey war schon als Prospect in erster Linie ein Interior Pass-Rusher, Bryan war in Jacksonville ein First-Round-Bust und Elliott hatte ein vielversprechendes Pre-Draft-Profil, auch er aber war als Drittrunden-Pick bislang eine Enttäuschung.

Und gerade Cleveland, das Linebacker eher mit Reichweite als mit Physis hat und das in der Theorie vermutlich gerne viel mehr noch aus leichten Boxes agieren würde, ist hier sehenden Auges in ein Problem gelaufen. Auch wenn das Problem nochmal um mehrere Stufen gravierender ist als gedacht, und ich sehe zunehmend nicht, wie Defensive Coordinator Joe Woods seinen Job behalten soll. Mit diesem Personal, selbst mit der Schwachstelle der Interior-D-Line, darf diese Defense nicht Woche für Woche so desolat auftreten.

Rhamondre Stevenson als perfekter Fit

Das konnten auch die Patriots attackieren, und Rhamondre Stevenson könnte man zusätzlich noch in die "hier lag ich falsch"-Kategorie zu diesem Spiel hinzufügen. Das war kein Running Back, den ich als Prospect sonderlich mochte oder hoch gerankt habe - nicht zuletzt, weil er auf mich zu wenig physisch stark für seine Größe und nicht agil und explosiv genug, um das zu kompensieren, wirkte.

Doch über die ersten fünf Spiele führte er alle Running Backs mit mindestens 50 Runs in Yards nach Kontakt pro Run an, er war laut PFF auf Platz 9 in puncto Forced Missed Tackles und auf Platz 6 in Runs über mindestens zehn Yards. Gegen die Browns legte er 76 Yards und zwei Touchdowns nach, darunter wieder ein Big Play.

Die Patriots laufen immer noch einiges an Gap-Scheme-Runs, das Verhältnis aber ist deutlich ausgeglichener, nachdem die Patriots-Teams der vergangenen Jahre vergleichsweise kaum Zone-Runs gelaufen sind. Diese Umstellung macht Stevenson auch im Vergleich zu Damien Harris, der letztes Jahr deutlich besser gepasst hat, plötzlich interessanter.

Patriots-Offense eine positive Überraschung

Stevenson und das Run Game sind die klaren Headlines, aber dass New England es schafft, mit Nummer-3-Quarterback Bailey Zappe ein gutes Quick Game aufzuziehen, ihm so eine saubere Pocket zu kreieren und ihm mit Play Action merklich zu helfen, spricht für gute Game Plans und gutes Play-Calling.

Und das läuft zumindest in Teilen auch mit der schematischen Umstellung im Run Game zusammen, über die wir auch während des Training Camps einiges gelesen haben. Deshalb würde ich auch die Auftritte von Bailey Zappe im Verhältnis zu Mac Jones nicht überbewerten. Zappe macht seine Sache sehr, sehr ordentlich und übertrifft alle realistischen Erwartungen, die man an ihn haben konnte. Ich erwarte aber auch, dass Jones von diesen Strukturen profitieren und wieder konstanter spielen wird.

Ich denke, niemand hatte erwartet, dass die Patriots eine Top-10-Offense stellen, und das ist auch nicht der Fall. Doch die Chance schien klar höher, dass dieses Offense-Konstrukt mit Matt Patricia, Joe Judge, und einem Second-Year-Quarterback - ganz zu schweigen vom Nummer-3-Rookie-Backup-Quarterback - in einem neuen offensiven Grundsystem ein Desaster werden würde.

Davon sind die Patriots aktuell weit entfernt, und das muss man nach sechs Wochen auch mal klar anerkennen.