NFL

Kritische Schwachstellen: An diesen Problemzonen könnten die Top-Titelkandidaten scheitern

SPOX blickt auf die größten möglichen Schwachstellen für die Top-Titelanwärter.
© getty
Cookie-Einstellungen

6. Los Angeles Chargers: Coaching Staff

Zugegebenermaßen etwas provokant formuliert, doch in einem nach einer sehr aggressiven Offseason ziemlich kompletten Kader ist und bleibt der Coaching Staff am ehesten der Part, der mir bei den Chargers hier ins Auge springt. Brandon Staley hat bei den Rams gezeigt, dass er eine Elite-Defense dirigieren kann. Seine Ideen sind modern, seine defensiven Ansätze liegen voll im Trend der Zeit und wenn er am Mikrofon steht, gibt es wenige Coaches, die das so eloquent rüberbringen.

Aber man muss rein auf Staley betrachtet auch sagen, dass er letztes Jahr nicht gezeigt hat, dass er seine Defense anpassen kann. Dass er das Elite-Talent auf seinen Schlüsselposition vielleicht auch braucht und dass seine besten Qualitäten vielleicht nicht unbedingt im Game-Planning und bei In-Game-Anpassungen liegen. Das ist Kritik auf relativ hohem Niveau, und Staley ist auch gar nicht der primäre Anlass für die in der Überschrift implizierten Fragezeichen. Ist Joe Lombardi der richtige Offensive Coordinator, um Justin Herberts Talente bestmöglich aufs Feld zu bringen?

Herbert ist ein Quarterback mit Elite-Armtalent, und man würde sich wünschen, dass die Chargers-Offense dieses Ausnahmetalent noch stärker in den Mittelpunkt rücken würde. Stattdessen verlangt die Offense ein hohes Maß an Accuracy und Konstanz im Kurzpassspiel sowie in den Reads - und Herbert kann das. Aber es wird jetzt wichtig sein, offensiv auch schematisch den nächsten Schritt zu machen, damit man nicht darauf angewiesen ist, dass Herbert bei Third Down Big Play auf Big Play aneinanderreiht. Gelingt das, trotz einiger Fragezeichen auf der rechten Seite der Line, ist ein Playoff-Run absolut möglich.

Honorable Mention: Rechte Seite der Offensive Line.

7. San Francisco 49ers: Quarterback

Es ist nicht schwierig, eine Argumentation zu entwerfen, wonach Trey Lance die größte Wildcard der gesamten kommenden Saison ist. Das physische Potenzial ist genauso unbestreitbar wie die Tatsache, dass Lance extrem roh ist. Letztes Jahr hatte er 86 Dropbacks, 2020 absolvierte er in seiner finalen (Corona-)College-Saison ein Spiel, in dem er 30 Pässe warf.

Mit Lance wird es massive Höhen und Tiefen geben. Die Niners haben all das Draft-Kapital in ihn investiert, weil sie gesehen haben, welch Möglichkeiten ein Ausnahme-Quarterback wie Josh Allen einer Offense geben kann; das physische Potenzial von Lance, kombiniert mit Shanahans Offense-Designs, könnte für absolutes Feuerwerk sorgen und dann wäre San Francisco potenziell ein Titelkandidat, das steht außer Frage.

Allerdings gibt es auch ein reelles Szenario, in dem Lance zwar Ausreißer nach oben hat und sein Potenzial andeutet, jedoch der Offense nicht die konstante Baseline geben kann, welche San Francisco mit Jimmy Garoppolo hatte. San Francisco ist nur dann ein Titelkandidat, wenn Lance in seiner ersten Saison als Starter prompt einschlägt.

Zusätzlich erschwert wird das durch die radikal umgebaute Interior Offensive Line. Center Alex Mack und Guard Laken Tomlinson sind weg, Daniel Brunskill fällt vorerst verletzt aus. Center Jake Brendel hat seit 2019 sechs Snaps in der NFL absolviert, Guard Aaron Banks stand letztes Jahr als Rookie für fünf Snaps auf dem Feld und auf Right Guard könnte mit Spencer Burford ein Viertrunden-Rookie starten. Keine ideale Ausgangslage für Lance und Shanahan.

Honorable Mention: Interior Offensive Line.

8. Denver Broncos: Zu lange Anlaufphase

Mit der Verletzung von Tim Patrick hatten die Broncos bereits einen ersten Rückschlag zu verkraften, die Receiver-Gruppe ist aber immer noch tief: Courtland Sutton als der vertikale X-Receiver, der in einer Russell-Wilson-Offense sehr gute Zahlen auflegen sollte. K.J. Hamler könnte der vertikale Slot-Receiver sein, den Wilson schon seit Jahren gerne mit Targets füttert, und Jerry Jeudy mit seinem Route-Running sollte Separation und Passfenster über die Mitte kreieren.

Die Offensive Line ist zumindest solide, das Backfield ist stark besetzt und die Defense stellt eine der ligaweit besten Secondaries. Die individuelle Qualität steht in dieser Übung aus Sicht der Broncos also nicht im Fokus, es geht eher um die Frage: Wie genau sieht die Russell-Wilson-Offense überhaupt aus? Und wie lange dauert es, bis er und der neue Head Coach Nathaniel Hackett wirklich auf einer Wellenlänge funken?

Aus Broncos-Reporterkreisen wurde das den ganzen Sommer über berichtet, und Hackett selbst hat es immer wieder betont: Die Offense in Denver wird kein striktes Korsette sein, in welches die Coaches Wilson rein pressen. Vielmehr soll die Offense schematisch als eine Verschmelzung von Hacketts Tendenzen und Wilsons Vorlieben funktionieren.

Das kann am Ende sehr vielversprechend aussehen. Es kann aber auch eine Weile dauern, bis sich das alles zusammenfindet, und bis dahin könnte in der ultra-kompetitiven AFC der Abstand für Denver schon groß sein.

Honorable Mention: Pass-Rush.

9. Dallas Cowboys: Wide Receiver

Für eine Phase in der vergangenen Saison hatten die Cowboys das gefährlichste Team in der NFL. Die Defense dominierte mit ihrem Pass-Rush und sammelte Turnover auf Turnover, während die Offense eines der besten Receiver-Trios der Liga aufbieten konnte, mit einem Quarterback in Dak Prescott, der sich längst zu einem High-End-Pocket-Passer entwickelt hat.

Diese Welle konnten die Cowboys allerdings nicht bis zum Schluss reiten; am Ende stand ein enttäuschender Auftritt beim Wildcard-Playoff-Aus gegen San Francisco, gefolgt von einer schwierigen Offseason. Von Amari Cooper und La'el Collins trennte man sich aus finanziellen Gründen, während Michael Gallup nach seinem Kreuzbandriss vermutlich bis Woche 1 nicht bereit sein wird und auch Receiver-Neuzugang James Washington nach einer Verletzung länger ausfällt.

Die potenziellen Probleme für Dallas gehen ein Stück weit Hand in Hand: Defensiv kann man nicht davon ausgehen, dass die Cowboys abermals die Liga mit 34 Takeaways (26 Interceptions, acht Fumbles) anführen. Das wiederum wird die Offense stärker unter Zugzwang setzen - und hier rückt die Receiver-Problematik in den Mittelpunkt.

Ohne Gallup und Washington zum Start dürften sich hinter CeeDee Lamb Drittrunden-Rookie Jalen Tolbert und Noah Brown versuchen, mit Simi Fehoko als möglicher Nummer 4. Das ist nicht das Lineup, das man von einem Titelanwärter erwartet; umso mehr in Dallas, wo Prescott, bei all seinen unbestreitbaren Qualitäten, teilweise größere Formschwankungen gezeigt hat, wenn die Umstände wackliger wurden. Und auch Offensive Coordinator Kellen Moore muss zeigen, dass er mit weniger Receiver-Qualität besser umgehen kann.

Honorable Mention: Secondary.

10. Baltimore Ravens: Wide Receiver

Die Ravens-Offense, da gibt es wenig Zweifel, wird in der kommenden Saison ein anderes Gesicht haben. Mit Marquise Brown hat man nicht nur seinen besten, sondern auch in dessen Rolle am klarsten definierten Receiver abgegeben - ohne, dass man nominell zumindest Ersatz geholt hat.

Rashod Bateman wird unweigerlich in eine größere Rolle schlüpfen müssen, doch er ist ein ganz anderer Receiver-Typ als Brown. Mark Andrews ist und bleibt die Nummer-1-Waffe im Passspiel, und wenn man die bisherige Saisonvorbereitung betrachtet, ist es nicht zu weit hergeholt, wenn man sagt, dass Rookie-Tight-End-Isaiah Likely das Nummer-3-Target werden könnte.

Doch geht das auch automatisch einher mit einer anderen Spielweise. Bateman ist vielseitiger als Brown, aber er öffnet das Feld nicht vertikal. Wenn dann zusätzlich die Offense mehr über Tight Ends aufgebaut wird, muss Baltimores Explosivität über Yards nach dem Catch sowie Präzision und Konstanz im Passspiel erfolgen - sowie über das Run Game.

Die Ravens-Offense ist strukturell betrachtet einzigartig, weil ihr Quarterback einzigartig ist. Und dementsprechend ist Baltimores Offense auch auf einzigartige Art und Weise in der Lage, ohne High-End-Receiver-Production auf einem hohen Level zu funktionieren. Doch selbst mit diesem Wissen im Hinterkopf könnte Baltimore auf einer der wichtigsten offensiven Positionen zu dünn aufgestellt sein, um Spiele auch dann zu gewinnen, wenn der bevorzugte eigene Stil nicht greift.

Honorable Mention: Pass-Rush.

Inhalt:
Artikel und Videos zum Thema