NFL

Top 5: Die wichtigsten Erkenntnisse aus Woche 14 in der NFL

SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt zurück auf Woche 14 in der NFL.
© getty

Für die Baltimore Ravens wird ein offensiver Neustart auf die eine oder andere Art und Weise notwendig sein. In Jacksonville derweil müssen die Jaguars das Urban-Meyer-Desaster beenden, während die Bills zeigen, was in ihnen steckt. Außerdem: Die Anatomie des Jamal-Adams-Fehlers der Seahawks.

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Aus dem Fenster gelehnt haben sich diese Woche die Dallas Cowboys. Zunächst garantierte Head Coach Mike McCarthy quasi den Sieg gegen Washington, Quarterback Dak Prescott stimmte wenig später zu. Dann flogen die Cowboys ihre eigenen Bänke inklusive Team-Logo nach Washington ein. Offensichtlich hatte es hier Kommunikationsprobleme zuletzt gegeben, weshalb Dallas in Cleveland eigens angefertigte Bänke einfliegen ließ, der Anstrich aber war natürlich eine bewusste Provokation.

Das Potenzial war da, um als absolute Lachnummer sämtlicher Sport-Talkshows in den USA in die Woche zu starten. Stattdessen ließen die Cowboys Taten folgen, das zwar denkbar knapp am Ende, der Spielverlauf aber erzählte eine andere Geschichte - zumindest was die Cowboys-Defense angeht. Und das untermauerte in meinen Augen, was dieses Team in den kommenden Wochen und dann auch mit Blick auf die Playoffs prägen könnte: Diese eindrucksvolle Front Seven.

Die Cowboys dominierten das Spiel zumindest in diesem Bereich komplett. Washington beendete die erste Hälfte mit -7 Passing-Yards, 0/6 bei Third Down, 0/1 bei Fourth Down und insgesamt offensiv 1,1 Yards pro Play. Es war eine absolute Machtdemonstration gegen eine durchaus solide Offensive Line - aber das war für mich generell die spannende Storyline rund um die Cowboys diese Woche: Endlich würden wir diese Front mit Lawrence, Parsons und Gregory zusammen auf dem Feld erleben; das erste Ergebnis war spektakulär.

Dallas hat, nachdem man hier die ganze Saison über Lösungen finden und Ausfälle kompensieren musste - Parsons auf Edge-Rusher war eine der glücklichen Entwicklungen daraus für die Cowboys - jetzt die PS, um wirklich für Alarm zu sorgen. Und Parsons müssen wir zumindest in die Konversation um den "Defensive Player of the Year"-Award bringen. Den für den Defensive Rookie of the Year sollte er sicher haben.

Wenn ich das so herum formuliere, könnte der eine oder andere im Umkehrschluss fragen: Wenn die Defensive Front dieses Team jetzt prägt - was ist dann mit der Offense? Diese Offense mit ihrer Elite-Line, einem Elite-Receiver-Trio, einem tiefen Backfield und einem guten Quarterback?

Ich denke, dass Dallas hier letztlich immer noch sehr gefährlich sein kann. Dafür sollte der Floor mit dieser Line, den Waffen, dem Quarterback und dem Play-Caller eigentlich zu hoch sein. Aber ich denke es ist auch fair, zu sagen, dass die Offense seit Wochen inkonstant spielt, auf eine Art und Weise, die ein wenige Sorgen macht. Inklusive Prescott.

Das war auch gegen Washington früh im Spiel zu beobachten. Prescott hatte in der ersten Hälfte mehrfach Interception-Glück und warf zudem einen unschönen Pick- und dann diesen Horror-Pick-Six kurz vor Schluss, bei dem er den Underneath-Verteidiger komplett übersah. Ähnlich wie gegen New Orleans in der Woche davor waren es zudem eher einzelne Big Plays, weniger ein konstanter Rhythmus, der bei der Cowboys-Offense herausstach.

Der große Vorteil? Wenn die Defense Spiele dominieren kann, hat die Offense so viel mehr Spielraum für Fehler.

Los geht's aber mit einem Team, das aktuell nicht die Truppen für den Playoff-Run sammelt. Sondern ganz im Gegenteil.

1. Die Ravens brauchen einen offensiven Neustart

Es ist merkwürdig, die Ravens abzuschreiben - so gut ist diese Franchise seit Jahren gecoacht und geführt. Selbst in das Spiel gegen Cleveland kam Baltimore noch zurück, was uns aber vermutlich auch viel über die Browns und deren realistischen Outlook für den Rest der Saison aussagt.

Es ist noch merkwürdiger, die Ravens mit bereits acht Siegen auf dem Konto abzuschreiben. Aber ein Playoff-Team ist das nicht, und das nicht erst seit dieser Woche. Sicher, die Verletzung von Lamar Jackson in der ersten Halbzeit gegen Cleveland könnte jetzt eine solche Prognose einfach machen oder zumindest mal weniger absurd klingen lassen. Aber die Realität der Situation in Baltimore geht tiefer.

Verletzungen generell sind die prägende Storyline dieser Ravens-Saison, Baltimore hat so viel Qualität verloren, dass dieses Team irgendwann nicht mehr funktionieren kann. Zumindest nicht auf dem gewohnten Level und mit der gewohnten Identität.

Und ich denke, das geht auch direkt über in die Analyse: Denn was auffällig fehlt, sind die Anpassungen an die Personalsituation. Baltimore spielt immer noch seine aggressive Man Coverage, obwohl die Ravens mittlerweile drei Viertel ihrer Starting-Secondary verloren und schlicht nicht die Qualität haben, in Man Coverage mitzuhalten. Das wurde auch gegen Cleveland früh im Spiel mehrfach deutlich.

Offensiv derweil befinden sich die Ravens auch so spät in der Saison noch auf der Suche nach irgendeiner Identität. Auch das war gegen die Browns schnell sichtbar: Die Offense sieht viel zu häufig nach Chaos aus, das bestenfalls von Lamar Jackson entwirrt werden kann - aber diese Momente wurden über die vergangenen Wochen seltener, und mit Tyler Huntley dann im Spiel dürften nicht nur die 3rd-Down-Play-Calls Ravens-Fans geärgert haben.

Als die Ravens nach der Pause schließlich den Ball bewegten, war es ein Fumble von Huntley beim Versuch, etwas zu kreieren, welcher auch diesen Hoffnungsschimmer beendete. Und irgendwo war das sinnbildlich für diese Offense: Rettet der Quarterback die Offense nicht, gibt es wenig Hoffnung.

NFL: Inkonstanz prägt diese Saison

Wenn wir im Februar auf diese Saison zurückblicken, wird eines der zentralen Themen mit Sicherheit die Inkonstanz und die Unberechenbarkeit dieser Saison sein. Dieses noch präsentere Gefühl, dass jeder jeden schlagen kann, dass es vielleicht gar kein wirklich dominantes Team gibt, stattdessen diese breite Mittelklasse, in der mal zahlreiche, mal keines der Teams wie Playoff-Kandidaten aussehen.

Über die Gründe dafür kann man hervorragend diskutieren, ohne je eine klare Lösung zu finden. Defenses, die im ständigen Katz-und-Maus-Spiel zwischen schematischen Trends auf beiden Seiten des Balls gerade einen besseren Zugriff bekommen, spielen eine Rolle. Gute Quarterbacks wie Philip Rivers und Deshaun Watson fehlen im Vergleich zum Vorjahr. Und eine Prise Zufall ist auch immer mit dabei.

Was mir bei den Ravens ganz besonders auffällt, ist die krasse Abhängigkeit von Lamar Jackson, oder sagen wir im Moment: Dem Quarterback und davon, dass der Plays macht, generell.

Sicher, Verletzungen spielen hier eine Rolle, insbesondere Stanley und das Backfield wären dabei hervorzuheben. Doch gehen die Probleme darüber hinaus: Baltimore fehlt der schematische Floor und, anschließend daran, jegliche Weiterentwicklung im Passspiel.

Baltimore noch abhängiger von Jackson

Es ist längst nicht das erste Mal, dass das auffällt. Zwei Punkte hier: In den vergangenen beiden Jahren bot ein dominantes Option Run Game die Baseline für die Offense, und das auf einem Level was Value und Effizienz angeht, von dem einige Teams nicht einmal im Passspiel träumen konnten.

Das ist dieses Jahr nicht der Fall, die Ravens befinden sich im Prinzip seit Woche 1 auf der Suche nach einer klaren offensiven Identität. Der andere Punkt: Baltimore lebte in den vergangenen Jahren viel zu sehr davon, dass Lamar Jackson nicht nur am Boden, sondern auch im Passspiel die Offense trägt. 5-Men-Protections und Jackson gewissermaßen in der "eingebauten Verantwortung", einen Rusher aussteigen zu lassen und dann tief zu gehen, waren mehr Teil der Gesamtbetrachtung als einem mittel- und langfristig betrachtet lieb sein kann.

Dieses Jahr ist die Rechnung dafür fällig. Zwar haben die Ravens in ihr Wide-Receiver-Corps investiert, aber die Ideen fehlen. Auch im Management seiner Spieler teilweise, wenn man sich fragen muss, warum Rashod Bateman nicht längst eine prominentere Rolle einnimmt. Und weil das Base Run Game nicht auf gewohntem Level klappt, ist Baltimore extrem von Jackson abhängig. Das ging Anfang des Jahres noch gut, ausdrücklich auch im Passspiel. Aber ich denke man lehnt sich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn man sagt, dass Jackson den Designs und seiner Line aktuell nicht vertraut, und sich das auf sein Spiel auswirkt.

Das kann man ihm kaum verdenken. Die Protection hinter einer verletzungsbedingt mehrfach umgebauten Line ist wacklig - und die offensiven Play-Designs sind mindestens mal fragwürdig. Es ist wenig Rhythmus in der Offense, die Play-Designs greifen nicht ineinander, zu häufig hat man nicht das Gefühl, dass der Raum vernünftig gespielt wird. Das war auch am Sonntag auffällig, als Tyler Huntley zumindest einen sichereren Eindruck im Passspiel machte. In erster Linie wurde er den Ball schneller los, und hier läge die Interpretation nahe, dass er weniger das Gefühl hatte, das Team selbst tragen zu müssen.

Will sagen: Die Ravens sind im Moment weder sonderlich gut darin, das gesamte Feld zu bespielen, noch arbeiten die Routes konstant effektiv zusammen, um Verteidiger in Konflikt zu bringen oder präzise bestimmte Bereiche des Feldes zu isolieren. Dann wirkt schnell alles improvisiert und ohne jegliche Grundidee - abgesehen von: "Quarterback, mach mal!"

Und Teams blitzen Baltimore aktuell auffallend erfolgreich - um nicht zu sagen desaströs, aus Sicht der Offense -, ohne dass der Offense schematisch oder individuell Antworten einfallen. 5-Men-Protections mit Jackson als "Antwort" gegen den Blitz, das ist keine Basis. Gleichzeitig muss Jackson selbst aber mit dem Blitz auch sicherer umgehen und seinen Checkdown schneller finden.

Die Ravens brauchen einen neuen Offensive Coordinator

Vielleicht liegen Teile des Problems daran, dass Baltimores Offense auch ein gewisses Maß an Freiheit eingebaut hatte (und hat?), um Jackson und seinen Receivern Möglichkeiten zu geben, Plays spät im Down zu machen. Verletzungen in der Offense spielen mit Sicherheit eine Rolle.

Aber selbst wenn wir mit Wohlwollen an die Situation herangehen, ist die Realität in meinen Augen auch, dass Offensive Coordinator Greg Roman bisher keinerlei Nachweis geliefert hat, dass er die Offense weiterentwickeln kann. Dass er eben nicht nur ein gut designtes Option Run Game mit einem vertikalen Passspiel kombinieren, sondern auch ein in sich schlüssiges Passing Game als 2.0-Update für diese Art Offense entwerfen kann.

Umso besorgniserregender ist das, weil Roman in San Francisco mit Colin Kaepernick bereits in einer ähnlichen Situation war. Damals war seine Antwort als die Offense einen Konter suchte, sich wieder stärker auf die Basics zu fokussieren. Sollte das auch Romans Ansatz sein, wenn er nach der Saison mit John Harbaugh seine Gedanken teilt, sollte Harbaugh sehr konkret nach einem neuen Coordinator Ausschau halten.

Ich denke, dass Baltimore, um als Team den nächsten Schritt zu machen - nicht auf dieses Jahr bezogen und auch unter Berücksichtigung der Verletzungen - sein Passspiel weiter entwickeln muss. Mit den Investitionen in ein vielseitiges Wide Receiver Corps hat man den Willen, in diese Richtung zu gehen, schon angedeutet. Ich habe aber ernsthafte Zweifel daran, dass Roman der richtige Coordinator ist, um diesen Schritt dann auch aus schematischer Perspektive zu machen.