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Endlich weg vom Trampelpfad

Die Cleveland Browns starten den nächsten Neuanfang
© getty

Die Cleveland Browns haben den Neustart-Knopf gedrückt - wieder einmal. Mit ihrem Moneyball-Ansatz versuchen die notorisch erfolglosen Browns, das Ruder endlich herum zu reißen, und ausgerechnet Brock Osweiler sorgt dabei für neue Hoffnung. Der kreative Trade zeigt die Radikalität, mit welcher die neue Team-Führung vorgeht, während gleichzeitig ein neues Rückgrat auf dem Platz entsteht. Für die Bewertung des Neubeginns gibt es einen klaren Maßstab.

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"Wir freuen uns wirklich darüber, einen Zweitrunden-Pick in diesem Trade zu erhalten. Draft-Picks sind für unseren Ansatz, ein Championship-Team aufzubauen, sehr wichtig."

Wollte man jemandem die Philosophie der Cleveland Browns erklären, man müsste nur auf dieses Statement von Team-Vizepräsident Sashi Brown nach dem Trade für Brock Osweiler verweisen. Fast beiläufig schob er hinterher: "Wir wollen auf jeder Position einen Wettbewerb haben, und freuen uns darauf, dass Brock zu uns kommt und in den Wettkampf einsteigt."

Es war ohne jede Frage die unerwartetste Aktion der diesjährigen Free Agency: Die Browns übernehmen Houstons Free-Agent-Bust aus dem Vorjahr inklusive den ausstehenden finanziellen Verpflichtungen, und erhalten dafür einen Zweitrunden-Draft-Pick.

Dabei ist Osweiler nicht etwa die nächste Quarterback-Hoffnung in Cleveland, die sich in das berüchtigte QB-Trikot einreihen darf und in die Fußstapfen von Johnny Manziel, Brandon Weeden, Colt McCoy, Brady Quinn und Co. tritt. Vielmehr laufen bereits Versuche, den einstmals designierten Nachfolger von Peyton Manning in Denver via Trade direkt wieder abzugeben. Klappt das nicht, erwartet Osweiler mutmaßlich die Entlassung in Cleveland.

Den Browns geht es primär um eine Sache: Draft-Picks. Und das in Quantität und Qualität. Cleveland hat aktuell je elf Picks in jedem der nächsten beiden Drafts, darunter zwei Erstrunden- und zwei Zweitrunden-Picks 2017 sowie einen Erstrunden- und drei Zweitrunden-Picks 2018. Der radikalste Umbruch in der jüngeren NFL-Geschichte ist somit in vollem Gange - und das Moneyball-Prinzip eine treibende Kraft.

Umbruch mit radikalen Mitteln

Die über den Baseball und heutigen Browns-Strategie-Chef Paul DePodesta bekannt gewordene Moneyball-Philosophie umschreibt vereinfacht gesagt die Idee, der Konkurrenz stets ein Stück weit voraus zu sein. So sollen bislang ungenutzte Lücken und Wege gefunden werden, die einem einen Vorteil verschaffen. Geld spielt dabei, wie der Name vermuten lassen würde, nicht zwangsläufig eine Rolle. Im Baseball ohne Salary Cap allerdings ist diese Herausforderung ungleich größer, da teilweise Teams gegeneinander konkurrieren, deren Etat signifikant unterschiedlich sein kann.

Doch auch im Football, wo Teams nur zu gerne erfolgreiche Konzepte der Konkurrenz kopieren, reicht es irgendwann nicht mehr, sich krampfhaft auf abgenutzten Pfaden zu halten. An diesem Punkt ist Cleveland längst angekommen. Als jahrelanger sportlicher Fußabtreter der NFL braucht es kreative Konzepte, um sich nach oben zu arbeiten. Man muss anders denken und handeln, als der Rest, und sich so von der Masse abheben. Genau das machen die Browns seit dem vergangenen Jahr.

Der Aufschrei war zunächst groß, als Cleveland in der vergangenen Saison seine Free Agents Mitchell Schwartz, Alex Mack, Travis Benjamin und Tashaun Gipson ziehen ließ. Solide bis gute, im Fall von Mack sogar sehr gute Spieler. Doch die neue Strategie beschreibt: Kapital für die Zukunft sammeln. Hätte etwa Mack dem Team in den nächsten Jahren weiter geholfen? Keine Frage. Wäre er aber noch ein Leistungsträger gewesen, wenn Cleveland dem Ende des Umbruchs näher gekommen wäre? Vermutlich nicht.

Das führt zu einer einfachen Folgefrage: Ist Mack mehr wert, wenn er noch zwei bis drei Jahre auf hohem Niveau spielt? Oder ist es für das Team mehr wert, das Gehalt zu sparen, den Compensatory-Pick mitzunehmen und beides für die Zukunft zu nutzen? Letzteres schreibt Clevelands klarer, in diesem Sinne auch radikaler Umbruch jedenfalls vor.

Der "mehrjährige Neuaufbau"

Zwei Grundgedanken gehen damit einher. Einerseits erlauben es viele Draft-Picks den Browns, sich innerhalb des Drafts durch Trades nahezu frei bewegen und so die eigenen Wunschspieler - früher oder später idealerweise den Quarterback der Zukunft - anvisieren zu können.

Darüber hinaus aber kann man auch lose folgende Theorie voraussetzen: Der Draft ist, trotz der Millionen, die in den gesamten Scouting-Prozess gesteckt werden, alles andere als eine exakte Wissenschaft. Viel muss vorhergesagt und spekuliert werden, nicht umsonst gibt es Jahr für Jahr zahlreiche Draft-Busts, so dass mehr Picks einem Team auch mehr Chancen geben, gute Spieler zu finden.

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Clevelands fast historisch schwacher Kader erlaubte es den Browns, viele neue Spieler zu holen, und diesen auch Einsatzchancen zu geben: Das Team ging 2016 mit 17 Rookies im 53-Mann-Kader in die Saison. Und das nicht nur, weil Rookies deutlich günstiger sind als gestandene NFL-Spieler (ein positiver Nebeneffekt des Browns-Weges, der auch den hohen Cap-Space erklärt). Nicht umsonst also sprach Teambesitzer Jimmy Haslam nach der 2015er-Saison von einem "mehrjährigen Neuaufbau" und Sashi Brown erklärte während der Vorsaison: "Wir sind in diesem Jahr nicht auf Siege und Niederlagen fokussiert."

Das Paradebeispiel Johnny Manziel

"So etwas habe ich noch nie gesehen. Das ist einer der extremsten Neustarts in der Geschichte der NFL", fuhr Left Tackle Joe Thomas, seit Jahren der einzig konstante Fels in der turbulenten Browns-Brandung, während der vergangenen Saison fort. Wenig überraschend war der Start dieses (erneuten) Neubeginns steinig. Cleveland verhinderte gerade so eine 0-16-Saison, die innerhalb des jungen Teams Narben hinterlassen hätte.

"Einer unserer größten Fehler seitdem ich hier bin war es, dass wir Talent nicht frühzeitig erkannt und dann gehalten haben, bevor die Spieler Free Agents geworden sind", fuhr Thomas fort. "Ein maßgeblicher Grund dafür sind die konstanten Veränderungen bei den Coaches und im Management. Wenn man jedes Jahr den Coach wechselt, wollen Spieler, die man gefunden hat, irgendwann nicht mehr bleiben. Auf der Führungsebene Stabilität zu haben, ist unglaublich wichtig, um Spieler im Draft zu finden und dann auch mit ihnen zu verlängern."

Und Cleveland hatte über die letzten Jahre viele hohe Erstrunden-Pick. Doch eine Mischung aus schlechtem Scouting, Pech und den von Thomas angesprochenen permanenten Umbrüchen führte dazu, dass keiner der zwischen 2011 und 2014 in der ersten Runde gedraftete Spieler noch im Browns-Kader ist. Das prominenteste Beispiel ist dabei fraglos Johnny Manziel, der innerhalb weniger Monate vom neuesten Hoffnungsträger zum Problemfall und schließlich Streichkandidaten wurde.

"Ich glaube daran"

Nach wie vor suchen die Browns also einen Quarterback. Der konkrete Plan - neben dem Horten von Draft-Picks - wurde in dieser Free Agency aber ebenfalls deutlich. Cleveland steckte viel Geld in seine Offensive Line, verpflichtete Guard Kevin Zeitler und Center J.C. Tretter, darüber hinaus erhielt Guard Joel Bitonio eine langfristige Vertragsverlängerung. Die Browns haben damit auf einen Schlag eine der besten Interior-Lines in der NFL, in der alle Spieler unter 28 Jahre alt sind.

Es ist die ideale Basis, um früher oder später dem Quarterback der Zukunft die bestmögliche Chance zu geben. Dak Prescott in Dallas hinter der beeindruckenden Cowboys-Line war in der vergangenen Saison das beste Beispiel hierfür. Anstatt überhastet Entscheidungen treffen und den Ball zu früh werfen zu müssen, konnte dieser sich in deutlich angenehmerem Tempo an die NFL anpassen. Und die Aussagen der Neuzugänge lassen eine ermutigende Prognose zu: Die Veränderung der Kultur, welche die Browns seit Jahren anstreben, könnte unter Sashi Brown und Head Coach Hue Jackson tatsächlich endlich gelingen.

5 Fragen zur Osweiler-Überraschung: Ein revolutionärer Trade?

"Ich glaube daran, weil Hue hier ist. Es hat mir viel Spaß gemacht, für ihn in Cincinnati zu spielen, seine Leidenschaft ist ansteckend", verriet etwa Zeitler bei Ohio.com, Tretter fügte hinzu: "Man kann die Energie und die Leidenschaft von der Browns-Organisation fühlen. Und ich wollte ein Teil davon sein, wenn wir hier das Ruder herumreißen." Ähnlich äußerte sich auch Receiver Kenny Britt, der von den Rams nach Cleveland kommt: "Ich wollte ein Teil des Neuaufbaus sein. Die Zukunft hier in Cleveland wird besser aussehen. Ich weiß es."

Klare Bedingung für Erfolg

Grund für diese Annahme liefert die bereits angesprochene Offensive Line sowie der inzwischen auch langfristig gebundene Jamie Collins und die Aussicht, den ersten Pick im kommenden Draft in den potentiellen Franchise-Pass-Rusher Myles Garrett umzumünzen. Das sind Säulen, die auch in drei, vier Jahren noch Leistungsträger sein können. Klar ist aber auch: Die Strategie von Sashi Brown und Hue Jackson kann nur funktionieren, wenn eine gewisse Quote der Draft-Picks auch einschlägt.

Dennoch ist der Weg vom Ansatz her richtig. Die Kombination aus kaum vorhandenem Talent im Kader und somit freien Kaderplätzen sowie dem insgesamt klaren Rückstand auf die Elite der NFL schreit danach, die bekannten Pfade zu verlassen und aggressiv alternative Wege zu beschreiten. Genau das machen die Browns, und der Draft ist hierfür die mit Abstand beste Möglichkeit. Auch wenn dieser Weg zwei, drei, oder vier Jahre kosten kann, zumindest ist ein Plan, ein Licht am Ende des Tunnels erkennbar.

"Es ist ein Ansatz, der den Routiniers wehtut. Aber es ist der beste Weg für die langfristige Gesundheit der Organisation", sagte Thomas, aktuell noch immer Clevelands bester Spieler, die neue Richtung der Browns nüchtern. "Ich glaube, Jimmy Haslam hatte das Gefühl, dass er die schnelle Route versucht hat, welche die meisten Organisationen versuchen - und dann scheitern."

Und dann schob Thomas den entscheidenden Satz hinterher: "Er ist gewillt, den schmerzhaften Weg einzuschlagen. So lange ihm der die beste Chance gibt."

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