Emotional wie eine FCB-Meisterfeier

Von Marc Hauser
Jürgen Kramny hat wohl keine Zukunft als "Emotional Leader"
© getty

Die Saison neigt sich so langsam aber sicher dem Ende zu, dementsprechend viel ist auch auf und außerhalb des Platzes passiert. Der etwas andere Wochenrückblick liefert nochmal einen Überblick über Fußballprofis an der Armutsgrenze, abgehobene Latinos und fiegende Maultaschen.

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1. Qual, Verderben, unendliches Leid Die Bundesligasaison ist vorbei und am letzten Spieltag ist das vor ein paar Wochen noch für unmöglich gehaltene doch noch eingetreten. Eine Großstadt im Schockzustand und ganz Fußball-Deutschland fragt sich, wie einem Traditionsverein und langjährigem Mitglied der Bundesliga so etwas passieren konnte.

Die branchenüblichen Reflexe kamen natürlich auch hier sofort zum tragen und der für die Kaderplanung zuständige Manager wurde von seinen Ämtern entbunden. In den Wohnzimmern der Bundesrepublik war ein synchrones Zerreißen der vor der Saison abgeschlossenen Tipico-Wettscheine begleitet von einem verzweifelten Schluchzen zu hören. Der HSV hat doch tatsächlich die Relegation verpasst. Kann man sich denn auf gar niemanden mehr verlassen heutzutage?

2. Super, super Abschied So ein letzter Spieltag ist oft auch der traurige Moment, in dem es heißt, Abschied zu nehmen. Doch nicht so dieses Jahr in München. Etwas schöneres als eine gleichzeitige Verabschiedung von Pep Guardiola und Hannover 96 aus der Bundesliga kann man sich als neutraler Fan eigentlich gar nicht vorstellen.

Kein wild fuchtelnder Spanier an der Außenlinie mehr. Keine wirren Anschuldigen mehr, die medizinische Abteilung sei an allem Schuld. Keine offensichtlichen Degradierungen von ungeliebten Spielern mehr. Keine Rotations-Orgien vor wichtigen internationalen Spielen mehr.

Keine "Hannover isse super, super Gegner, ich hätte gerne 1000 Schmiedebachs"-Aussagen mehr. Auf der anderen Seite wurde auch in Hannover die Misswirtschaft der vergangenen Jahre bestraft. Wer einen Jörg Schmadtke durch Dirk Dufner ersetzt, hat den Fußball nie geliebt. Die Hannoversche Transferpolitik 2015/16 war wohl die schlechteste in der Bundesliga seit langer Zeit und dann muss man sich auch nicht wundern, wenn man am Ende abgeschlagener ist als der Kopf von Ned Stark.

Immerhin konnte bei den Niedersachsen zum Saisonende durch Spieler wie Noah-Joel Sarenren-Bazee, dessen Name ehrlich gesagt eher nach Adoptivsohn von Jan-Ingwer Callsen-Bracker als nach Bundesliga-Star klingt, doch noch Aufbruchsstimmung erzeugt werden. Vielleicht merken sie ja in der zweiten Liga mal, dass ein Fußballverein kein Kind(er)spielzeug ist.

3. Wir können alles - außer Fußball Ländle unter hieß es vergangenen Samstag in Stuttgart. Kickers, VfB, VfB II. Alle drei abgestiegen am gleichen Tag. Gerüchten zufolge überlegt man gerade in der Landeshauptstadt, den Schwaben-Slogan in "Wir können alles- außer Fußball" umzuändern.

Bereits seit der Meistersaison 2007 ging es beim VfB eigentlich stetig bergab. Was das Miniatur-Breitenreiter-Double zugrunde wirtschaftete und Bratwurst-Fredi an den Abgrund trieb, versenkte und begrub nun der indische Schwarzwald- Schwabe. Anfang März war man eigentlich schon gerettet, doch danach lief so ziemlich alles schief. Während Jürgen Kramny auf der Trainerbank ungefähr so emotional war wie eine Meisterfeier beim FC Bayern, prüft das Heidelberger Institut für angewandte Mathematik gerade die Aufnahme der VfB-Abwehr als Beweismittel für die Chaos-Theorie.

Auch das vor dem Bremen-Spiel angesetzte Trainingslager auf Mallorca war wahrscheinlich nicht gerade die beste Idee, da man sich so viel Spott der Fans und Medien anhören musste und dadurch auch die VfB-Ballermann-Hits entstanden. Noch bitterer wurde es dann, als Fredi Bobic eine Kolumne auf "Sport 1" über den Untergang des VfB Stuttgart veröffentlichte. Was kommt als nächstes? Max Kruse veröffentlicht eine Kolumne über Enthaltsamkeit im Internet? Während Alexander deutlich Zorniger auf Fehler seiner Spieler reagierte, interessierte Jürgen so ein Kramny.

4. Tiefpunkt Auch Tim Wiese gab in der "Bild"-Zeitung noch seinen Senf zur Situation beim VfB ab: "Da ist alles am Arsch. Die Spieler haben Angst vor ihren Fans und deshalb auf dem Platz die Hosen voll. Das Team ist falsch zusammengestellt. Daran ist Robin Dutt schuld. Wobei mir Dutt fast leid tut. Der läuft da wie ein kleiner Hund durch die Gegend, wenn die Fans pfeifen. Das sieht traurig aus." Und wenn man sich von Anabolika-Winnetou anhören muss, dass man traurig aussieht, dann ist wirklich irgendwann der Tiefpunkt erreicht. Für Dutt hat das Leiden aber nun ein Ende. Er wurde wenige Tage nach dem Abstieg von Aufsichtsratsboss Martin Schäfer gefeuert. Am Telefon. Von Mallorca aus. Eine noch bessere Pointe ist eigentlich nur noch, dass nun ausgerechnet die Fans, die am drittletzten Spieltag in Bremen das Montagsspiel boykottierten, in der kommenden Saison wohl fast nur noch montags spielen werden. Willkommen beim VfB Stuttgart im Jahr 2016.

5. Unwort des Jahres Nicht nur in Stuttgart wurde der Sportvorstand nach der Saison entlassen, sondern auch in Bremen, wo Thomas Eichin den internen Machtkampf verlor. Ihm wurde nach Ansicht vieler Bremer Anhänger zum Verhängnis, dass er keinen "Stallgeruch" mitbringt. Ein Begriff, der wohl auch in Stuttgart noch vor "alternativlos" zum Unwort des Jahres gewählt werden dürfte. Mit Frank Baumann übernimmt ein weiteres Bremer Urgestein, wodurch die sagenumworbene "Werder-Familie" um den AR-Vorsitzenden Marco Bode und Trainer Viktor Skripnik weiter ausgebaut wird. Durch diese Bremer Legenden soll an der Weser in Zukunft endlich wieder (In)zucht und Ordnung herrschen. Die Kollegen von "fussballmachtspass.de" spekulieren bereits, dass demnächst Ailton als neuer Fitnesscoach vorgestellt wird. Weitere Kandidaten für eine Einstellung: Per Mertesacker als Athletikcoach, Tim Wiese als Teamfrisör, Davie Selke als Fanbeauftrager und Raphael Wolf als Torwarttrainer.

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