Die Zeugen Hamiltons

Von Shoto
Lewis Hamilton gewann 2015 die 66. Formel-1-Weltmeisterschaft
© getty

Mit einem Feuerwerk ging sie zu Ende - die 66. Formel 1-Weltmeisterschaft. Doch während die Feuerwerkskörper im nächtlichen Abu Dhabi zündeten, Fahrer Ehrenrunden drehten und Übertragende den Glühwein servierten, fragten sich viele Daheimgebliebene, wann sie denn nun wieder spannend wird, die (ehemalige) Königsklasse des Motorsports. Zu Recht?

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Es ist Lewis' Welt und wir leben in ihr

Auch wenn der Saisonausklang in Moll gefärbt sein mochte, war Lewis Hamilton auch 2015 der dominierende Mann im Renn-Zirkus. Die Titelverteidigung eine Hamilton-eigene Schnittstelle zwischen Party abseits und Fokus auf der Strecke. Der vielleicht am besten zu vermarktende Fahrer ließ von Beginn an keinerlei Zweifel zu, wen es zu besiegen galt.

Zwölf zu vier gewonnene teaminterne Duelle, sowohl im Qualifying, als auch im Rennen, bis einschließlich Austin, seinem Titelgewinn. Die nie abgegebene Tabellenführung nicht zu vergessen. Nicht gewonnene Rennen bis Austin? Nicht mehr als ein halbes Dutzend: Malaysia, als die tropische Hitze den Reifen zu schaffen machte und die Strategie der Konkurrenz ihr Übriges tat.

Spanien, als er sich seinem Teamkollegen geschlagen geben musste, wie Wochen später in Österreich. Monaco, ein Rennen, das er nur aufgrund eines Strategiefehlers nicht gewinnen konnte. Ungarn, das die schlechteste Saisonleistung des Briten darstellte und schlussendlich Singapur, das einzige Rennen, welches er nicht beendete.

Was ich sagen will: Eine dominante Saison hätte mit etwas anderem Verlauf noch dominanter werden können. Und auch, wenn man vorsichtig durch den Konjunktiv waten sollte, kann man durchaus attestieren, dass nicht er es sein wird, der sich dem Team beweisen muss.

Rosberg und das Momentum

Und doch: Bei aller Hamilton'schen Dominanz war nicht er es, der die letzten Saisonrennen prägen sollte. Die Geschichte des fast schon entfesselten Rosbergs nach dem verlorenen Titelkampf war für die einen die Geburt eines neuen Rosbergs, der nicht mehr jeden Prozess überanalysieren würde, für andere der endgültige Beweis, dass Rosberg nur dann seinen Teamkollegen schlagen könne, wenn jener das Gaspedal nicht mehr gänzlich durchdrücken würde.

Vielleicht war es am Ende ein bisschen von beiden Faktoren, doch die Trendwende setzte schon vorher ein: Nach dem Fast-Reifendruck-Fiasko in Monza und dem "Aber-sowas-von-Fiasko" in Singapur konnte er sich in den letzten sechs Saisonrennen jeweils die Pole Position sichern.

Warum der Titelkampf nicht erst im letzten Saisonrennen entschieden werden sollte, war zum einen dem "sich herausdrängen lassen" am Start (in Japan und den USA), zum anderen dem Ausfall in Russland geschuldet.

Ob nun der eine oder andere Faktor schwerer wiegt, mögen andere entscheiden, doch geben die letzten drei Rennergebnisse Anlass zur Hoffnung, im kommenden Jahr einen härteren teaminternen Kampf zu erleben. Vielleicht dann ja der letzte.

Vettel, Ferrari und die Rückkehr zur Respektabilität

Manchmal sind es gar nicht so sehr die eigenen Leistungen, die der Gradmesser dafür sind, wie gut man war oder ist. Manchmal sind es vielmehr die Aussagen der Konkurrenz, die dir sagen, wie gefährlich du für andere wirst. Die Bayern hätten sie nicht mit dem BVB beschäftigt, hätten sie ihn nicht als zu respektierenden Gegner wahrgenommen.

Die Los Angeles Clippers hätten sich in der Preseason der aktuellen NBA-Saison nicht besonders darauf besonnen, den amtierenden Champion aus Golden State vor allem Glück zu bescheinigen, das ihnen zum Titelgewinn verhalf, wenn man sie nicht fürchten würde. Wenn du am Ende der Nahrungskette, oder zumindest nicht an ihrer Spitze bist, werden sich die wenigsten mit dir beschäftigen.

Wenn sich also ein Team, welches in der abgelaufenen Saison 86 Prozent der möglichen Punkte geholt hat, zunehmend mit dir beschäftigt und sich zu dir äußert, dann kannst du durchaus davon ausgehen, dass du etwas richtig gemacht hast. Und richtig gemacht haben sie wieder etwas, die Scuderia Ferrari aus Maranello.

Nicht erst, aber vor allem seit der Ankunft von Sebastian Vettel scheint vom Team eine ganz neue Kraft auszugehen. Die Scuderia war zwar nicht imstande, den Mercedes-Boliden Rad-an-Rad Duelle über den gesamten Rennkalender zu liefern und doch bewiesen sie, dass sie da sein würden, wenn Hamilton und Rosberg straucheln. Es waren aber nie nur bessere Taktikbretter oder Fehlleistungen der Konkurrenz, sondern auch herausragende fahrerische Leistungen in Kombination mit besserem Material, wie beispielsweise die Runde zur Pole Position von Sebastian Vettel in Singapur.

Ferrari scheint wieder da zu sein. Vielleicht sogar schon im kommenden Jahr dauerhafter Mercedes-Konkurrent und Garant für ein spannenderes Titelrennen. Bemerkenswert, wie sehr der Trend die Wahrnehmung beeinflussen kann, hatte Red Bull ein Jahr zuvor doch auch drei Rennen dem Mercedes-Team abnehmen können.

The Force Awakens

Apropos Trendkurve: Jene zeigte auch für Force India ab der zweiten Saisonhälfte steil nach oben. Holte man in der ersten Hälfte nur insgesamt 39 Punkte, waren es nach der Pause respektable 97. Ausschlaggebend dafür war die B-Version des VJM08, mit der man sich der Konkurrenz, gerade jener aus Österreich, annähern konnte.

Und auch wenn Sergio Perez der Schlussakkord gehörte, war es Teamkollege Nico Hülkenberg, der nach dem Gewinn des prestigeträchtigen Le Mans-Rennen im Mittelpunkt der Medien stand.

Es scheint, als stehe dem Rennstall eine weitere Frischzellenkur in Form von Aston Martin bevor, die nebst Lackierung weitere Veränderungen mit sich bringen könnte, auch abseits von Marketingaspekten. Eine engere Kooperation mit Mercedes scheint gegenwärtig nicht die schlechteste aller möglichen Entscheidungen zu sein.

Wer weiß, vielleicht muss man alsbald im Mercedes-Team doch nur den Nachnamen austauschen (ein gewisser Aufsichtsratschef schien ja durchaus von Hülkenbergs Leistungen angetan), während Force India/Aston Martin dann als Toro Rosso-eskes Juniorenteam vielversprechende Talente heranziehen würde.

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