"Leistung war absolut enttäuschend"

Vital Heynen kann sich mit der Leistung seines DVV-Teams nicht anfreunden
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Im Viertelfinale der EM war für das DVV-Team gegen Bulgarien Endstation. Die Euphorie nach der WM-Medaille im letzten Jahr ist verflogen. Bundestrainer Vital Heynen spricht im Interview über den Faktor Selbstüberschätzung, die Aufregung rund um die Partie gegen die Niederlande sowie schwächelnde Leistungsträger und erklärt, warum das Aus im Hinblick auf die Olympia-Qualifikation sogar positiv sein kann.

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SPOX: Herr Heynen, auch beim 21. Anlauf hat es mit der ersten EM-Medaille für den DVV nicht geklappt. Wie groß ist die Ernüchterung?

Vital Heynen: Da muss man differenzieren. Immerhin sind wir im Viertelfinale einer EM ausgeschieden, in dem auch für den Weltmeister aus Polen und Olympiasieger Russland sowie Serbien Endstation war. Es gibt in Europa sieben bis acht Teams, die um die Medaillen kämpfen. In einem Viertelfinale müssen vier dieser acht Länder die Heimreise antreten. Betrachtet man rein das Ergebnis, dann ist es gar keine übermäßig große Enttäuschung. Es kann auf diesem Niveau eben sehr schnell gehen.

SPOX: Zufrieden dürften Sie dennoch nicht sein.

Heynen: Natürlich ist die Enttäuschung bei mir und der Mannschaft nach dem Ausscheiden groß. Das liegt aber vor allem an der fehlenden Qualität, die wir in den beiden Spiel gegen Bulgarien aufs Feld gebracht haben. Wir haben richtig schlecht gespielt - und das ist vielleicht noch schmerzhafter, weil wir das Niveau, das wir vor der EM hatten, nicht abrufen konnten. Die Leistung war absolut enttäuschend.

SPOX: Die Rolle als Underdog war nach der WM-Medaille dahin, hinzu kam eine starke Vorbereitung. War der Druck am Ende zu groß?

Heynen: Ich glaube, dass wir generell nachdenken sollten, warum es überhaupt so einen Druck gibt. Abgesehen davon habe ich aber weniger das Gefühl, dass es um den Druck ging, sondern, dass das Selbstvertrauen vor der EM einfach zu groß war. Wir waren zu überzeugt. In der Vorbereitung lief alles sehr gut, manchmal ist es aber besser, wenn dort bereits Probleme auftreten. Dann kann man daran arbeiten. Im ersten Spiel einer EM sieht das anders aus, dann ist es zu spät.

SPOX: War die erste Niederlage gegen Bulgarien in der Gruppenphase bereits ein Knackpunkt?

Heynen: Das ist nicht so einfach zu sagen, da wir eigentlich eine Turniermannschaft sind. Deshalb ist das erste Spiel normalerweise nicht das Problem, wenn sich die Spieler danach steigern. Aber die Art und Weise der Niederlage war schon etwas erschreckend. Wir haben gegen Bulgarien sehr schlecht gespielt. Vielleicht blieb etwas hängen, das Gefühl hatte ich aber während der EM nicht.

SPOX: Hängen blieb auf jeden Fall die Partie gegen die Niederlande. Eine Niederlage war einkalkuliert um Polen aus dem Weg zu gehen und Kräfte zu sparen. Eigentlich ein nachvollziehbarer Schachzug - mit dem sich allerdings nicht jeder so recht anzufreunden wusste.

Heynen: Ich denke nicht, dass es deshalb Probleme in der Mannschaft gab. Es hat den Druck zwar etwas erhöht, die Resultate danach aber nicht beeinflusst. Ich hatte nicht das Gefühl, dass sich die Partie noch lange in den Köpfen der Spieler befand. Es stand schließlich auch gegen die Niederlande eine Mannschaft auf dem Feld, die unbedingt gewinnen wollte. Niemand verliert gerne.

SPOX: Der niederländische Trainer Gido Vermeulen ging Sie im Anschluss dennoch hart an.

Heynen: Ich habe eine andere Einstellung als er. Ich denke nicht, dass ich beurteilen muss, was andere Trainer machen. Meine Aufgabe ist es, mich um meine Mannschaft zu kümmern und das Bestmögliche herauszuholen. Das ist schwer genug. Sich dann auch noch Sorgen um andere Teams zu machen, geht eigentlich einen Schritt zu weit.

SPOX: Für Sie war die Reaktion also zu viel des Guten?

Heynen: Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, dass ich jemals einem gegnerischen Trainer gesagt habe, was gut und was schlecht ist. Wenn Herr Vermeulen allerdings der Meinung ist, dass er dies tun muss, dann ist das seine Sache. Er muss wissen, was er macht.

SPOX: Letztlich ging der Plan, gegen Bulgarien ins Halbfinale einzuziehen, nicht auf. Stattdessen gab es die zweite Pleite binnen weniger Tage. Haben Sie sich verzockt?

Heynen: Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich vielleicht etwas anders gemacht. (lacht) Im Ernst: Es gibt niemals einfache Erklärungen. Letztlich haben es unsere Schlüsselspieler versäumt, ihre Leistung abzurufen. Denys Kaliberda, Lukas Kampa oder auch Georg Grozer, die bisher oft den Unterschied ausgemacht haben und auch gegen Tschechien sowie Belgien da waren, ist es gegen Bulgarien nicht gelungen, ihr Niveau auf das Feld zu bringen. Das war letztlich entscheidend.

Seite 1: Heynen über die Enttäuschung, das Niederlande-Spiel und Bulgarien

Seite 2: Heynen über mentale Probleme, einen Weckruf und die Olympia-Qualifikation

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