EM für Boll nur eine Zwischenstation

SID
Timo Boll hat die Heim-WM im nächsten Jahr fest im Blick
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Rekordchampion Timo Boll zählt sich bei der EM in Budapest erstmals seit vielen Jahren nicht zum engsten Kreis der Titelkandidaten. Der Fahnenträger der deutschen Olympia-Mannschaft in Rio sieht das Turnier als Zwischenstation auf dem Weg zur Heim-WM 2017 in Düsseldorf.

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Nach über zwei Jahrzehnten Leistungssport macht Timo Boll noch einmal eine neue Erfahrung: Bei der Tischtennis-EM in Budapest schlägt Deutschlands Olympia-Fahnenträger erstmals seit seinem kometenhaften Aufstieg zu Beginn des Jahrtausends bei kontinentalen Titelkämpfen nicht als Kandidat für Einzel-Gold auf.

Im Gegenteil: Trotz seiner Ausnahmestellung als EM-Rekordsieger (insgesamt 16 Titel) sieht der frühere Weltranglistenerste sich nicht einmal als chancenreichen Außenseiter: "Ich würde nicht auf mich wetten."

Die betonte Bescheidenheit des 35-Jährigen vor seiner 13. EM-Teilnahme seit 1998 ist alles andere als oft geübtes Understatement. Seit seiner Nackenverletzung im Bronze-Match mit dem Nationalteam beim Olympia-Turnier in Rio de Janeiro hat Boll in Champions League und Bundesliga für seinen Klub Borussia Düsseeldorf gerade mal drei Einzel bestreiten können.

"Bin schon immer Realist gewesen"

"Ich bin schon immer Realist gewesen und habe auch immer gesagt, dass ich um den Titel spielen will, wenn ich die Form dazu hatte. Aber momentan ist die Muskulatur noch nicht ausreichend aufgebaut und der Trainingsumfang trotz schon hoher Intensität noch nicht hoch genug", beschrieb der Linkshänder im SID-Gespräch vor seinem Erstrunden-Match am Donnerstag gegen einen Qualifikanten seine Ausgangsposition.

Gleichwohl kann dem deutschen Rekordmeister auch in Ungarn eine Überraschung zugetraut werden. Zwar sind sein Nationalmannschafts-Kollege Dimitrij Ovtcharov (Hameln/Orenburg) als Titelverteidiger, der Olympia-Vierte und Ex-Champion Wladimir Sasmsonow (Weißrussland) und der portugiesische Vorjahresfinalist Marcos Freitas mutmaßlich höher einzuschätzen, doch Boll würde nicht zum ersten Mal in seiner langen Laufbahn nach einer längeren Auszeit die Konkurrenz mit überraschender Spielstärke düpieren.

An einen wie auch immer gearteten Coup will der frühere WM-Dritte vier Jahre nach seinem sechsten und bislang letzten EM-Einzelgold aber keinen Gedanken verschwenden: "Für mich ist es durch die unfreiwillig lange Pause nach Rio erst mal das Wichtigste, möglichst viel Wettkampfpraxis zu sammeln."

Fernziel Tokio 2020

Bolls wichtigstes Ziel der nacholympischen Saison ist die Heim-WM 2017 (29. Mai bis 5. Juni) buchstäblich vor der eigenen Haustüre in Düsseldorf: "Das ist natürlich noch einmal ein echter Höhepunkt, und darauf möchte ich mich in der heißen Phase auch störungsfrei vorbereiten können. Deswegen muss ich sorgsam mit meinem Körper umgehen."

Zumal Boll noch über das voraussichtlich letzte Tischtennis-Großereignis seiner Karriere im eigenen Land hinaus wenigstens in der erweiterten Weltspitze mitmischen will: "Für mich ist klar, dass ich versuchen will, 2020 in Tokio noch einmal bei Olympia dabei zu sein. Spaß und Lust habe ich jedenfalls noch genug."

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