Schmerzhaftes Deja-vu

Von Max Marbeiter
Pau Gasol scheiterte mit Spanien im WM-Viertelfinale überraschend an Frankreich
© getty

Wie bereits bei der EuroBasket 2013 scheitert Spanien an Frankreich. Diesmal schmerzt die Niederlage jedoch noch mehr. Die Chance auf den WM-Titel zuhause, auf die Krönung der Goldenen Generation ist dahin. Schuld sind aggressive Franzosen.

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Wahrscheinlich hatten die Spanier gehofft, das Spiel doch noch irgendwie zu drehen. Immerhin war noch gut eine Minute zu spielen. Und in einer Minute lassen sich fünf Punkte nun mal locker aufholen. Als Thomas Heurtel dann allerdings völlig trocken von draußen abdrückte und den Dreier auch noch traf, verabschiedete sich der letzte Funken Hoffnung endgültig aus dem Palacio de Deportes zu Madrid.

Serge Ibaka ließ seinen Frust am Handtuch aus, Pau Gasol schlich unter Standing Ovations zurück auf die Bank. Es war tatsächlich eingetreten, was niemand für möglich gehalten hatte. Spanien, das einige noch vor den USA zum absoluten Favoriten auf den WM-Titel auserkoren hatten, war gescheitert. An Frankreich. Schon wieder.

Sensation! Spanien scheitert an Frankreich

Vor ziemlich genau einem Jahr unterlag man im Halbfinale der EuroBasket dem späteren Europameister. Damals fehlten allerdings auch Pau Gasol und Ibaka, dafür orchestrierte Tony Parker das Spiel der Franzosen.

Aber diesmal hatte der Point Guard nach einer langen Saison und der NBA-Championship mit den San Antonio Spurs doch verzichtet, Spanien dafür das bestmögliche Team zur Heim-WM geschickt. Diesmal hatte man Frankreich in der Vorrunde doch mit 24 Punkten deklassiert. Diesmal war man doch einfach besser.

"Waren nicht richtig vorbereitet"

Wie konnte das also passieren? "Wir waren einfach nicht richtig auf dieses Spiel vorbereitet", suchte Juan Carlos Navarro nach der Enttäuschung eine gleichsam ehrliche wie etwas verstörende Antwort. Nicht vorbereitet. In einem WM-Viertelfinale gegen den Europameister. Tatsächlich schienen die Spanier ein wenig überrascht zu sein von Frankreichs intensivem Spiel unter den Brettern.

Marc Gasol wirkte, als wisse er gar nicht, wie ihm geschah. Selbst als Bruder Pau mit einem feinen Touchpass die Massen in der Halle kurz von den Sitzen riss, konnte der Center das Momentum nicht nutzen und leistete sich einen seiner insgesamt sieben Fehlwürfe. Bei nur einem (!) Treffer.

Eigentlich besitzt Spanien jedoch drei absolute Elite-Big-Men. Drei, die sogar den USA Respekt einflößen. Ein Trio, von dem zwei Drittel im Viertelfinale allerdings völlig neben sich standen. Denn nicht nur Marc Gasol, auch Serge Ibaka lieferte verheerende Quoten (1/7 FG), wich zu allem Überfluss - natürlich erfolglos - auch noch an die Dreierlinie aus (0/3 3FG) und stand am Ende lediglich knapp 19 Minuten auf Feld.

Beim Rebound versagt

So wurde Spanien tatsächlich unter den Brettern vernichtet. Ein Team um die Gasol-Brüder und Serge Ibaka hatte beim Rebound nicht den Hauch einer Chance. 50 Rebounds, davon 16 offensiv, griffen sich die Franzosen, Spanien im Vergleich mickrige 28.

Noch mal: Wie konnte das passieren? Ein Erklärungsansatz: Rudy Gobert war passiert. Dass der Center der Utah Jazz mit 2,15 Metern durchaus imposant auftritt, überrascht nicht. Dass er drei der besten Big Men der NBA dominieren kann, schon eher. Gobert kämpfte um jeden Rebound, strahlte eine unglaubliche Präsenz aus, erlaubte kaum einfach Würfe - und war selbst gar nicht so sehr überrascht.

"Jeder wusste, dass ich sie stoppen kann. Das war meine Mission", demonstrierte Gobert auch nach dem Spiel eine ordentliche Portion Selbstbewusstsein. "Alle anderen haben offensiv großartig gespielt. Ich musste nur Pau stoppen. Er ist einer der besten Spieler der Welt. Wenn du ihn also stoppst, sind sie nicht mehr so stark."

Ganz gestoppt hat Gobert Gasol freilich nicht. Immerhin war der zukünftige Chicago Bull mit 17 Punkten (58,3 Prozent FG) und einem Dirk-Nowitzki-Gedächtnis-Fadeaway kurz vor Schluss der einzige Spanier, der halbwegs Normalform erreichte. Dafür schnappte sich Gobert lediglich einen Rebound weniger als die Gasol-Brüder und Ibaka. Zusammen!

Zu viel Druck?

Nun wäre Spaniens Reboundschwäche nur halb so schlimm gewesen, hätte sich Frankreichs starke Post-Defense inklusive Double-Teams gegen die Big Men der Iberer nur halb so schlimm ausgewirkt, hätte der Favorit seine Jumper halbwegs solide Richtung Ring gebracht.

Ausgerechnet in der K.o.-Runde erwischten die Spanier jedoch eines dieser Spiele. Nichts klappte. Die Offense wirkte vollkommen ideenlos, also wurde munter von draußen geworfen - ob der Wurf nun fallen wollte oder nicht. Er tat es nicht. Nur 2 von 22 spanischen Dreiern landeten schlussendlich im Ziel. Das sind 9 Prozent. Aus dem Feld traf man lediglich 32,3 Prozent.

Derartige Quoten sind schlicht nicht genug für ein WM-Halbfinale. Zumal der Faktor Nervosität, die blanke Versagensangst irgendwann deutlich zu spüren war. Oder wie Nicolas Batum sagt: "Wir wussten, dass sie zusammenbrechen würden, wenn wir das Spiel eng halten, weil sie einfach nicht verlieren durften", erklärte der Blazer. "Es ist schließlich ihre Heim-WM."

Tatsächlich war den Spaniern die Verzweiflung mit zunehmender Spieldauer zunehmend anzusehen. Das Selbstverständnis verschwand, die Quoten sanken. Jegliches Konzept wurde vernachlässigt. Vielleicht war man nach den starken Leistungen aus der Vorrunde auch zu selbstbewusst ins Spiel gegangen. Andererseits rechnete auch der geneigte Beobachter beinahe sekündlich mit einem Run der Spanier.

Batum, Diaw und Heurtel tragen Frankreichs Offense

Selbst Frankreichs Lauf zu Beginn wirkte da nicht sonderlich einschüchternd. Denn erstens war noch genug Zeit und zweitens war der Europameister in den ersten Minuten häufig zu Würfen kurz vor Ablauf der Shotclock gezwungen.

Die würden nicht das gesamte Spiel über fallen, so viel stand fest. Taten sie zwar auch nicht (39,3 Prozent FG, 25 Prozent 3FG), dafür trugen die starken Boris Diaw und Nicolas Batum sowie der eiskalte Thomas Heurtel Frankreichs Offense genau so weit, wie es am Ende nötig war.

Die Franzosen waren von Coach Vincent Collet perfekt eingestellt worden, und als Heurtel, ausgerechnet Tony Parkers Vertreter, dann auch noch zunächst den Layup über Pau Gasols ausgestreckte Arme und kurz darauf den Wahnsinns-Dreier traf, waren die bösen Erinnerungen endgültig nach Spanien zurückkehrt.

Verzweiflung machte sich breit. Handtücher wurden angeknabbert, man verabschiedete sich niedergeschlagenen vom ebenso traurigen Publikum. Spanien hatte mit dem Finale gerechnet, vom großen Triumph im eigenen Land geträumt. Am Ende blieb jedoch nichts als ein schmerzhaftes Deja-vu.

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