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NBA-Kolumne Above the Break: Milwaukee Bucks in der Krise? Warum der Topfavorit schwächelt

Von Ole Frerks
Giannis Antetokounmpo muss sein Team derzeit recht oft alleine tragen.
© getty

Die Milwaukee Bucks befinden sich aktuell in einer Schwächephase, gerade offensiv spielte der Topfavorit über die vergangenen Wochen katastrophal. Ist das nur ein Hänger oder liegt mehr im Argen?

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Es gab über die ersten Saisonwochen eine Ansicht, die sich bei vielen Beobachtern nach und nach durchsetzte oder sogar von Anfang an bestand: Es gab Boston, es gab Milwaukee, und dann gab es alle anderen Teams, wenn es um das Rennen um den Titel ging.

Kein anderes Team schien in der Lage, sich nachhaltig in die Konversation mit diesen beiden zu begeben, die im vergangenen Frühling eine epische Sieben-Spiele-Serie gegeneinander ausfochten. Kein anderes Team hatte diese Kombination aus Two-Way-Play, Starpower und Kontinuität, zumal der amtierende Meister aus Golden State schwächelte.

Diese Ansicht bröckelt. Dank der Nets, die zwischenzeitlich 13 Siege am Stück geholt haben (auch wenn sie jetzt um Kevin Durant bangen). Dank der aufstrebenden Teams im Westen, etwa Denver oder Memphis. Aber auch dank Boston und Milwaukee selbst; beide Teams haben sich nun schon einige Wackler geleistet. Und während die Celtics dennoch recht stabil wirken und weiter die beste Bilanz und das beste Net-Rating der Liga haben, geben die Bucks deutlich mehr Fragen auf.

Mittlerweile hat Milwaukee nur noch das zehntbeste Net-Rating der Liga, eine richtiggehend miese Offense (Platz 24), nur sechs Siege aus den vergangenen 14 Spielen ... es wirkt nicht so, als würde Milwaukee über dem Rest der Liga schweben, im Gegenteil. Doch was sind die Probleme?

Giannis Antetokounmpo muss sein Team derzeit recht oft alleine tragen.
© getty

Milwaukee Bucks: Eine richtig miese Offense

111,6 Punkte pro 100 Ballbesitzen erzielen die Bucks, über die vergangenen zwei Wochen sind es sogar nur 105,9 Punkte - das ist in diesem Zeitabschnitt der schwächste Wert der Liga. In einem Zeitraum, in dem Giannis Antetokounmpo einmal 55 und zwei weitere Male über 40 Punkte auflegte.

Das ist unterm Strich schon über die gesamte Saison weit entfernt von den Top-7-Platzierungen, welche die Bucks bis dato in jeder Saison unter Mike Budenholzer erreichten. Und es ist auch nicht nur durch die Ausfälle zu erklären, auch wenn diese logischerweise eine signifikante Rolle spielen. Ihren gesamten Kader hatten die Bucks bisher sehr selten zur Verfügung.

Eine Rolle spielt auch das Thema Shooting Luck - die Bucks treffen aktuell nur 34,1 Prozent ihrer Eckendreier, Platz 29 ligaweit, nachdem es über die vergangenen beiden Jahre jeweils rund 40 Prozent waren. Auch über dem Knick haben sie nachgelassen. Insgesamt belegt Milwaukee Platz 23 bei der Dreierquote und Platz 28 aus der Mitteldistanz. Das ist beides schlechter, als es sein müsste.

Es sind aber nicht nur diese Faktoren. Gerade im Vergleich zu den Celtics fiel am Christmas Day ein Problem auf, das die Bucks schon länger kennen: Sie bereiten ihre Abschlüsse teilweise kaum vor, sie spielen offensiv nicht so strukturiert und zielstrebig wie die besten Teams. Sie brauchen oft lange, um in eine Possession zu kommen, sie verfügen teilweise über erschreckend wenig Bewegung abseits des Balles.

Dieses Play ist ein gutes Beispiel: Wissen die Bucks selbst, welchen Abschluss oder welches Matchup sie hier gerne erwirken würden? Ein Pullup-Dreier von Jrue Holiday über einen der besten Guard-Verteidiger der Liga sollte es eigentlich nicht sein, so etwas Ähnliches wie ein Vorteil besteht sonst aber nur kurz unten bei Brook Lopez.

Was ist das erklärte Ziel dieser Possession?
© nba.com/stats

Die Bucks spielen in Zeitlupe

Alles läuft gewissermaßen in Zeitlupe ab, die Possession ist auch schon recht weit fortgeschritten, als der Ball Holiday findet - es wirkt ziellos. Und das ist erstaunlich oft der Fall, wenn man die Bucks dieser Tage spielen sieht. Auch Giannis ist davor nicht gefeit, deutlich öfter als nötig nimmt er Midrange-Jumper früh in der Shotclock, statt nach einem besseren Wurf (er trifft 28 Prozent davon) zu suchen.

Dazu sei gesagt: Es ist gewissermaßen verständlich, ohnehin sind wir hier weit davon entfernt, Giannis für seine Leistungen zu kritisieren - er ist oft der einzige, der die Bucks-Offense am Laufen hält und der fast in jedem Spiel abliefert. Er punktet für seine Verhältnisse "ineffizient", aber nicht für die Verhältnisse von menschlichen Wesen. Und das mit einem immens hohen Schwierigkeitsgrad.

Die Bucks schaffen es oft nicht, ihn mit gutem Spacing zu umgeben. In der am häufigsten genutzten Starting Five sind nur Allen und Lopez in dieser Saison gute Shooter und nicht immer werden diese so positioniert, dass Giannis sie aus dem Double-Team heraus direkt finden kann. Bei einem Spieler, der quasi immer gedoppelt werden muss, ist das eigentlich fast unverzeihlich.

Und noch ein Faktor erschwert das Leben des Greek Freaks: Er ist mehr als in den vergangenen Jahren als Play-Initiator gefragt. Es fehlt nicht nur an Spacing, sondern auch an Creation um ihn herum - nicht viele seiner Teamkollegen können ihm mal leichte Abschlüsse verschaffen. Erstmals in seiner Karriere geht weniger als 40 Prozent seiner Zweier ein Assist voraus, seine Usage ist absurd hoch. Natürlich leidet darunter auch seine Effizienz.

NBA: Die Statistiken von Giannis Antetokounmpo

SaisonPunktePSA (Punkt/Wurf)Anteil unassistierter FGUsage
18/1927,7129,951,332,7
19/2029,5123,354,737,5
20/2128,112758,633,6
21/2229,9126,956,935,7
22/2332,5117,959,239,3
Khris Middleton ist schon wieder verletzt.
© getty

Khris Middleton ist noch nicht zurück

Eine der besten Qualitäten von Giannis ist es, dass er nicht irgendwo parkt, wenn er den Ball nicht in der Hand hält, sondern ein sehr williger und guter Screener ist - dadurch reißt er Lücken für andere, dadurch schafft er auch Raum für sich selbst, wenn ihn andere in Bewegung in Szene setzen könnten.

Das Problem ist nur, dass den Bucks in der bisherigen Saison der Spieler fehlt, der dies am besten kann. Khris Middleton ist, wenn gesund, nicht nur der beste Schütze, sondern auch der beste Halbfeld-Playmaker der Bucks, weshalb er seit Jahren ein fast idealer Fit neben Giannis ist.

In dieser Saison jedoch fehlte er entweder oder er sah nicht im Geringsten aus wie Khris Middleton (11 Punkte, 32,5 Prozent FG über sieben Spiele). Der 31-Jährige gab Anfang Dezember sein Comeback, fehlt nun aber auch schon wieder seit dem 15. Dezember, nachdem er in seinem letzten Spiel gegen Memphis schon katastrophal aussah und von Dillon Brooks zeitweise vorgeführt wurde.

Offiziell ist Middleton "day to day", nur eben seit mehreren Wochen ... es bleibt eine frustrierende Situation. Wobei die Bucks ihm alle Zeit geben sollten, die er braucht. Sie sind gut genug, um auch ohne ihn den Kopf über Wasser zu halten. Sie sind jedoch eher nicht gut genug, um ohne ihn einen richtig tiefen Playoff-Run hinzulegen.

Deswegen muss die Priorität in Milwaukee lauten, ihn rechtzeitig zum April an seine Bestform heranzuführen - selbst wenn die Offense bis dahin vielleicht noch öfter etwas hässlich aussehen wird. Der Dezember-Middleton war beziehungsweise wäre nicht die Lösung für dieses Problem.

Zu besten Zeiten ergänzen sich Middleton und Giannis prächtig.
© getty

Das Ungleichgewicht auf dem Flügel

Ein gesunder Middleton würde dagegen einen ziemlich großen Teil der Probleme der Bucks lösen. Trotzdem wäre es falsch, nur darauf zu warten und bis zu seiner Rückkehr Däumchen zu drehen - denn es gibt auch sonst noch ein paar Fragezeichen. Diese beziehen sich in erster Linie auf die Flügelpositionen.

Milwaukee hat viele Spieler, die theoretisch dafür in Frage kommen, neben der Big Three und Lopez (der eine sehr gute Saison spielt) die meisten Minuten zu beanspruchen. Eine Ideallösung gibt es bisher aber nicht, jeder von ihnen bringt gewisse Hürden mit sich.

Jevon Carter etwa ist ein toller Verteidiger, aber offensiv limitiert (auch wenn der Dreier aktuell gut fällt, kann von ihm abgesunken werden) und klein. Allen ist der beste Shooter im Team, abgesehen von Middleton, spielt defensiv aber stets mit Zielscheibe auf dem Rücken (siehe: jedes Spiel gegen Boston).

Pat Connaughton und Joe Ingles sind von ihren jeweiligen Verletzungen noch nicht vollends zurück (wobei Connaughton große Schritte in diese Richtung macht). George Hill und Wes Matthews sind alt, MarJon Beauchamp oder Jordan Nwora haben ihre Stärken, sind aber noch ziemlich grün.

Bucks: Interne oder externe Lösung?

Es könnte eine Lösung sein, sich hier noch nach (Two-Way-)Verstärkung umzusehen, nicht aus Zufall wird Milwaukee immer wieder mit Jae Crowder in Verbindung gebracht - wobei unklar ist, ob er sich aus diesem Pulk aktuell wirklich abheben würde. Nichtsdestotrotz, ein Sondieren des Marktes ist keine falsche Idee.

Es könnte auch eine größere Lösung sein, Bojan Bogdanovic etwa würde sowohl bei der Shooting- als auch bei der Creation-Problematik sehr helfen und ist defensiv mindestens akzeptabel. Gerade dann, wenn er neben Giannis, Lopez, Middleton und Holiday spielen könnte ... da die halbe Liga hinter dem Pistons-Forward her ist, könnte dieser allerdings zu teuer für die Bucks werden.

Es kann daher auch gut sein, dass eher Spieler übernehmen müssen, die schon im Kader stehen. Connaughton etwa spielte vergangene Saison einen sehr guten Part, als er fast 40 Prozent seiner Dreier traf, er kann defensiv auch in den Playoffs zurechtkommen. Und Ingles ist ein weiterer potenzieller X-Faktor für die Bucks.

Eigentlich haben die Bucks nach wie vor die beste Big 3 der Liga. Eigentlich ...
© imago images

X-Faktor Joe Ingles?

Es ist erst elf Monate her, dass der Australier sich einen Kreuzbandriss zuzog, trotzdem wollten die Bucks ihn unbedingt - weil er idealerweise eben viel von dem abdeckt, was ihnen fehlt. Er war über Jahre einer der besten Pick'n'Roll-Passer der Liga, der aber auch abseits des Balles gut funktioniert und werfen kann. Er ist offensiv ein Connector-Typ, einer der smartesten Spieler der NBA.

Bisher konnte er das noch nicht oft zeigen - neunmal kam er bisher von der Bank, mit sehr wackeligen Leistungen (5 PPG, 31 Prozent FG). Mit 14 Punkten und 10 Assists gegen Minnesota zeigte er, dass es auch anders geht ... es wäre Gold wert, wenn Ingles das öfter hinbekommt und beispielsweise in Giannis-plus-Bank-Lineups den designierten "Floor General" geben könnte.

Andererseits sind die Tage, an denen Ingles defensiv keinen Geringeren als Paul George quasi aus dem Spiel nehmen konnte, auch schon seit einer Weile vorbei. Es ist gut möglich, dass auch er in den Playoffs heutzutage eine wandelnde Zielscheibe wäre.

Milwaukee Bucks: Der Konjunktiv regiert

Es ist alles viel Konjunktiv ... aber das ist aktuell die Situation bei den Bucks. Sie sind in einer schwachen Phase, müssen jedoch nicht in Panik verfallen, was Giannis auf seine ganz eigene Art nun selbst wieder mal klarstellte, indem er sich mit Spongebob Schwammkopf verglich (wirklich!). Ihre Defense ist immer noch sehr gut (die Rutsche gegen Charlotte mal ausgeklammert), offensiv machen einige Umstände die Probleme erklärbar. Die Kavallerie kommt, eigentlich.

Fundamental ist nicht zwingend etwas verkehrt bei den Bucks, von der offensiven Lethargie abgesehen. Eigentlich haben sie einen Mix, der funktioniert und der auch in dieser Saison wieder bis ganz nach oben führen könnte. Dafür muss allerdings allen voran Giannis' langjähriger Co-Star wieder der Alte werden.

Ist das nicht möglich, dann ergeben sich automatisch ganz andere Probleme beim ältesten Team der Liga, das viele seiner Chips bereits investiert hat und sich nicht ohne Weiteres in die nächste Ära manövrieren kann. Das gilt auch für Middleton selbst, der über eine Spieler-Option für die kommende Saison verfügt.

Aber ... an diesem Punkt sind die Bucks noch nicht. Die Augenbrauen sind hochgezogen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

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