Vielleicht sogar noch wichtiger als die EM: Kommentar zu Deutschlands Gala gegen Ungarn

nagelsmann-ungarn-17
© getty

Im ersten Spiel nach der Heim-EM hat Deutschland Ungarn mit 5:0 zerlegt. Leistung der Mannschaft und Atmosphäre auf den Rängen waren vielleicht sogar ein noch wichtigeres Zeichen für eine positive Zukunft des DFB-Teams als die gelungene EM. Ein Kommentar.

Cookie-Einstellungen

Mal etwas provokant ausgedrückt: Heim-Turnier ist nur einmal alle etwa 20 Jahre und da hat es die deutsche Nationalmannschaft bisher trotz teils schwieriger Ausgangslagen wie beispielsweise nun 2024 noch immer geschafft, im Land eine gewisse Begeisterung zu erzeugen und sportlich zu überzeugen - mal leichtfüßiger, mal schwerfälliger.

So ein Nations-League-Spiel gegen Ungarn aber ist andauernd. Allein dreimal in den vergangenen zwei Jahren. Zur Erinnerung: 2022 setzte es ein Remis und eine Pleite. Die wahre Kunst ist es, auch für solche Spiele eine Begeisterung zu erzeugen. Jahrelang war das der dauerkriselnden Nationalmannschaft nicht mehr gelungen - bis jetzt. Das ist vielleicht sogar ein noch wichtigeres Zeichen für eine positive Zukunft des DFB-Teams als die gelungene EM.

Klar, es war nur ein Spiel und es werden Rückschläge folgen. Aber bei diesem 5:0-Sieg gegen Ungarn in der Düsseldorfer Arena zeigte sich, dass der vielschichtige EM-Aufschwung unter und dank Bundestrainer Julian Nagelsmann tatsächlich in den Länderspiel-Alltag überschwappen und somit nachhaltig sein könnte. Das Stadion war ausverkauft und die Stimmung von Beginn an außerordentlich gut, die Mannschaft überzeugte sportlich und vermittelte trotz personeller Veränderungen einen Wiedererkennungswert.

nagelsmann-16001
© getty

DFB-Team: Die Startelf-Neulinge fügten sich locker ein

Mit Manuel Neuer, Toni Kroos, Ilkay Gündogan und Thomas Müller verlor das DFB-Team nach der EM vier langjährige Leistungsträger und Identifikationsfiguren. Das Quartett vereint 451 Länderspiele. Der komplette aktuelle Kader kommt auf 345, wovon alleine 91 auf den neuen Kapitän Joshua Kimmich entfallen.

Obwohl vom EM-Aus gegen Spanien nur fünf Spieler in der Ungarn-Startelf verblieben sind, wirkte alles wie damals. Die Spielweise, das Engagement, die Energie, der (damals nicht belohnte) Siegeswille. Nagelsmann hat der Mannschaft in seiner nun einjährigen Amtszeit ein Gesicht gegeben, das auch mit wechselnden Gesichtern bestehen bleibt. Der Aufschwung scheint nicht Spieler-gebunden zu sein, sondern größer. Die Startelf-Neulinge fügten sich im wiedererkennbaren 4-2-3-1-System locker ein.

Die neue Nummer 1 Marc-André ter Stegen wurde dank der soliden Defensivarbeit nur einmal geprüft, war dann aber zur Stelle. Pascal Groß interpretierte die Kroos-Rolle auf der Doppelsechs neben Robert Andrich etwas anders, überzeugte dabei aber genau wie der später eingewechselte Aleksandar Pavlovic, dem sogar ein Tor gelang. Angelo Stiller feierte zudem per Einwechslung sein Länderspieldebüt. Gegenwärtig ist der 33-jährige Groß eine wichtige Stütze, die Zukunft dürfte auf der Doppelsechs aber Pavlovic (20) und Stiller (23) gehören.

Eine Reihe weiter vorne ist die Zukunft schon die Gegenwart: Jamal Musiala und Florian Wirtz machten gegen Ungarn ihr wohl bestes Länderspiel als gemeinsames Zauberer-Duo. Kai Havertz überzeugte in zurückgezogener Rolle als Zehner hinter der Sturmspitze Niclas Füllkrug und somit als Ersatz des ehemaligen Kapitäns Gündogan - auch wenn ihm abermals kein Treffer aus dem Spiel heraus gelang.

DFB, Nationalmannschaft, DFB-Team, Deutschland, Julian Nagelsmann, Nations League, Ungarn, Noten, Einzelkritiken
© getty

DFB-Team: Julian Nagelsmanns Kommunikationsarbeit ist vorbildlich

Anders als oftmals bei seinen Vorgängern Joachim Löw und Hansi Flick wirken Nagelsmanns Personalentscheidungen weiterhin durchweg schlüssig. Auch weil er sie mit seiner authentisch-ehrlichen Art regelmäßig bereitwillig und verständlich erklärt. Überhaupt ist Nagelsmanns Kommunikationsarbeit vorbildlich.

Seine mutige WM-Titel-Ansage hat die Blicke der niedergeschlagenen Fußballnation direkt nach dem bitteren EM-Aus nach vorne gerichtet. Seine Tränen-PK wenig später wirkte herrlich identitätsstiftend. Essentiell wichtig war es zudem, in den vergangenen Tagen den Stellenwert der Nations League hervorzuheben. Von Fans und Ex-Bundestrainern lange belächelt, hatte Deutschland vor dem Sieg gegen Ungarn nur drei von 16 Nations-League-Spielen gewonnen.

Andere große Fußballnationen nahmen das Turnier dagegen deutlich schneller als zusätzliche Chance auf Titel an: Als Spanien die letzte Ausgabe gewann, feierten die Spieler den Sieg ähnlich frenetisch wie später ihren EM-Triumph - genau darauf verwies zuletzt auch Nagelsmann. Bei anhaltender Euphorie könnte eine deutsche Teilnahme am Final Four im kommenden Juni ein Jahr vor der WM 2026 hierzulande für einen unerwarteten Hauch Turnier-Atmosphäre sorgen.