Schalke-Coach Dimitrios Grammozis im Interview: Anthony Yeboah? "Die hatten die Hosen voll!"

Dimitrios Grammozis peilt mit Schalke die Rückkehr in die Bundesliga an.
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In Köln haben Sie den jungen Lukas Podolski erlebt. Und den Hype?

Grammozis: Ja, der Hype war verrückt. Du konntest dich mit Poldi nicht in der Stadt treffen, das war völlig unmöglich. Das hat keine drei Minuten gedauert, dann herrschte kompletter Ausnahmezustand und es bildete sich eine Traube mit 100 Menschen um ihn herum. Ich dachte mir immer nur: Hey, ich bin hier wohl mit einer Boyband unterwegs. (lacht) Köln war sehr emotional, aber am emotionalsten waren die Fans, die ich später auf Zypern erlebt habe. Wenn es lief, war das teilweise unglaublich. Wenn es nicht lief, konnte die Stimmung aber auch schnell kippen.

An was denken Sie?

Grammozis: Einmal sind wir aus dem Pokal geflogen und in den Mannschaftsbus gestiegen, als eine Horde wütender Fans auf uns wartete. Und dann ging es auch schon los. Sie haben Steine, teilweise richtig dicke Brocken auf den Bus geschmissen. Einige Spieler haben sogar Platzwunden erlitten. Das war kein schönes Erlebnis.

Grammozis: Ze Roberto? "Gegen ihn zu spielen, war brutal"

Nach Ihrem Zypern-Abenteuer beendeten Sie wenig später Ihre Karriere. Wer war im Nachhinein Ihr härtester Gegenspieler?

Grammozis: Da fallen mir vor allem zwei Spieler ein. Zum einen Ze Roberto. Gegen ihn zu spielen, war brutal. Ich habe mir immer vorgenommen, ihn irgendwie zu foulen, ihn irgendwie aufzuhalten, aber ich habe ihn nie getroffen. Er war zu schnell und leichtfüßig für mich und ist mir immer entwischt. (lacht) Ein unglaublicher Spieler. Und der Zweite ist Bernd Schneider, der weiße Brasilianer. Er war auch kaum zu verteidigen.

Wie früh war Ihnen während Ihrer Karriere schon klar, dass Sie eines Tages Trainer werden wollen?

Grammozis: Es gab für mich keinen Aha-Moment, es war mehr eine kontinuierliche Entwicklung. Dadurch dass ich im defensiven Mittelfeld auf einer Position gespielt habe, auf der du automatisch das Spielfeld ganz anders im Blick hast als ein Stürmer oder Rechtsaußen, habe ich Spiele früh aus einer ganzheitlichen Perspektive gesehen. Mich hat es auch fasziniert, zu beobachten, welche Wirkung Trainer durch bestimmte Verhaltensweisen auf ihre Spieler entfachen können. Der Umgang eines Trainers mit seinen Spielern hat mich immer schon interessiert. Wie erreiche ich den Spieler am besten? Wie vermittle ich taktische Inhalte? Darüber habe ich schon als Spieler sehr lange mit meinen Trainern diskutiert.

Für Dimitrios Grammozis war Ze Roberto sein härtester Gegenspieler.
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Für Dimitrios Grammozis war Ze Roberto sein härtester Gegenspieler.

Sie haben unter anderem unter Otto Rehhagel trainiert.

Grammozis: Otto Rehhagel ist für mich in puncto Menschenführung einsame Spitze. Es hat ihn ausgezeichnet, dass er für jeden einzelnen Spieler seines Kaders ein Gefühl entwickelt hat. Das hat es ihm erlaubt, ganz individuell mit den Spielern umzugehen. Er hatte nie eine Standard-Vorgehensweise oder -Strategie. Er hat sich sehr für die Familien der Spieler interessiert. Wenn es der Frau nicht gut ging, oder es Probleme mit den Kindern in der Schule gab, dann wusste er das alles. Dieses Händchen für Spieler zu haben, ist schwer zu erlernen. Bei ihm war das auch eine Gabe. Dennoch hat es mich natürlich stark beeinflusst, auch dank Otto habe ich glaube ich ein ganz gutes Gespür für meine Mannschaften und welchen Umgang sie gerade brauchen.

Grammozis: Das hat Italien zum verdienten Europameister gemacht

Wenn wir an die zurückliegende EM und an den Europameister Italien denken, müssen wir unweigerlich über den Trainer sprechen: Roberto Mancini. Wie schauen Sie als Kollege auf seine Arbeit?

Grammozis: Mancini ist ein großer Trainer, der mich beeindruckt hat. Wenn ich Italien mit einem Wort beschreiben müsste, würde ich sagen: Einheit. Das war der entscheidende Unterschied gegenüber allen anderen Mannschaften. Jetzt kann man zurecht sagen, dass auch andere Teams bei der EM ein gutes Mannschaftsgefüge hatten, aber in der Intensität war Italien nochmal auf einer anderen Ebene. Mancini hat es hinbekommen, dass wirklich jeder im Kader sein Einzelschicksal dem Erfolg der Mannschaft unterordnet. Er hat es geschafft, dass sich alle wohlfühlen, aber trotzdem wissen, was sie investieren müssen, um den Pokal zu bekommen. Italien ist vollkommen verdient Europameister geworden. Wie sie aufgetreten sind, zeigt, worauf es ankommt im heutigen Fußball.

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Was ist ein Element der Italiener, das Sie bei Ihrer Mannschaft vor allem auch sehen wollen?

Grammozis: Aktivität. Das ist für mich ein ganz wichtiger Faktor. Italien hat es außerdem hervorragend geschafft, eine gute Mischung zwischen Kompaktheit und dem Spiel nach vorne zu entwickeln. Ganz egal auf welcher Höhe. Du kannst auch aktiv sein, wenn du ein bisschen tiefer stehst. Das ist nicht die Frage. Entscheidend ist, dass du egal auf welcher Pressinghöhe geschlossen drauf gehst. Das haben sie nahezu perfekt umgesetzt. Es gab ganz wenige Momente, bei denen du die Italiener mal mit zu großen Abständen erwischen und sie so ausspielen konntest. Ich fand aber nicht nur die Italiener spannend. Mir haben auch die Spanier imponiert, die ihren Ballbesitzfußball wieder durchgebracht haben. Oder die Engländer mit ihrer wahnsinnigen individuellen Qualität im vorderen Bereich, diese Qualität hast du 90 Minuten lang gefühlt. Und die Geschichte der Dänen war natürlich auch sehr emotional.

Sie haben Aktivität angesprochen. Was sind weitere Aspekte, die jeder Schalke-Fan sehen soll, wenn die Mannschaft Ihre Art des Fußballs umsetzt?

Grammozis: Mir ist es vor allem wichtig, dass wir unseren Fußball auf den Platz bringen. Neben einer hohen Aktivität will ich, dass wir den schnellen Weg zum Tor suchen. Ich möchte nicht, dass wir uns im Ballbesitz verlieren. Ich möchte möglichst schnell in den torgefährlichen Bereich kommen.