Kevin De Bruyne: Wie aus einem einst Verstoßenen ein Superstar bei Manchester City wurde

Von Niclas Seydack
Kevin De Bruyne hat einen steinigen Weg zum Superstar hinter sich.
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Kevin De Bruyne: Profidebüt und Durchbruch bei KRC Genk

Zurück in Genk, das erste Spiel der neuen Saison mit seiner Jugendmannschaft. Obwohl er erst zur Halbzeit eingewechselt wird, schießt er fünf Tore. Das, erzählt sein Jugendtrainer Ronny Van Geneugden, sei der Moment gewesen, in dem ihm klar war, dass er Kevin De Bruyne bald verlieren wird. Im Mai 2009 ist es soweit. Kevin De Bruyne macht sein erstes Profispiel für den KRC Genk. Mit 17.

Zwei Jahre später bekommt er eine Einladung der belgischen U21-Nationalmannschaft. Auch hier nimmt Kevin De Bruyne sofort die Führungsrolle ein. Jean-Francois De Sart, Trainer der U21, erinnert sich im Gespräch mit DAZN daran, wie sich De Bruyne über den Zustand des Rasens auf dem Trainingsgelände beschwert, auf dem sein Team nicht auf Top-Niveau trainieren könne. "Ich war überrascht", sagt De Sart. "Aber es zeigte mir: Kevin ist ein Spieler, der höchste Ansprüche hat. An sich, seine Mitspieler und sein Umfeld."

De Sart gibt zu, dass er Kevin De Bruyne lange nicht auf dem Zettel hatte. Zu klein, zu schmächtig, in allen Bereichen des Spiels gut, aber in keinem Bereich überragend. Anders als etwa ein Romelu Lukaku, der De Sart viel früher und schon allein aufgrund seiner physischen Präsenz beeindruckte. Kevin De Bruyne bleibt nur für zwei Spiele bei Jean-Francois De Sart und der U21. Die A-Nationalmannschaft will ihn.

Auch in der heimischen Liga läuft es gut. Kevin De Bruyne lenkt das Spiel des KRC Genk mittlerweile so geschickt und überragend, dass der Verein 2011 überraschend Meister und Pokalsieger wird.

Unterdessen legt in London der niederländische Scout Piet de Visser ein Tape mit Spielszenen von Kevin De Bruyne auf den Schreibtisch von Clubchef Roman Abramowitsch. Ihn spielen zu sehen, beschreibt Piet de Visser, der einst Romario und Ronaldo nach Europa lotste und später Neymar entdeckte, als "Offenbarung". Der 18-jährige Belgier sei der perfekte Nachfolger für Klublegende Frank Lampard, zu diesem Zeitpunkt bereits 34 Jahre alt. Abramowitsch ist begeistert von der Idee.

Kevin De Bruyne ist längst zu groß geworden für das kleine Belgien. Noch ahnt jedoch niemand, dass der frühe Wechsel nach England für den kleinen, schmächtigen Rotschopf eine Nummer zu groß sein wird.

Kevin De Bruyne: Keine Chance unter Mourinho bei Chelsea

Zunächst leihen ihn die Londoner für ein halbes Jahr zurück nach Genk aus, anschließend soll sich De Bruyne bei Werder Bremen in einer europäischen Top-Liga beweisen. Mit einer überragenden Saison rettet er den Club von der Weser vor dem Abstieg. Anschließend will BVB-Coach Jürgen Klopp ihn unbedingt. Gerade hat der Mario Götze an den FC Bayern verloren. Angeblich bombardiert der Trainer De Bruyne mit SMS und Anrufen. Solange, bis der bei Chelsea um die Freigabe bittet. Dessen neuer Cheftrainer Jose Mourinho überzeugt ihn aber persönlich davon, nach London zurückzukehren. Kevin De Bruyne will endlich den eigenen Ansprüchen gerecht werden, bei einem der besten Klubs Europa zu spielen.

Im Sommer 2013 kommt er endlich an in seinem Sehnsuchtsland, von dem er einst als Kind träumte. Er bleibt sich treu, im Training ist er engagiert und kritisch - Eigenschaften, für die er bisher an jeder seiner Stationen geschätzt wurde. Bloß trifft er nun auf einen Trainer, der nichts mehr hasst als Kritik an ihm: Jose Mourinho. Der lässt De Bruyne auf der Bank schmoren. Und es kommt noch schlimmer.

Eines Tages ruft der Trainer in sein Büro, gemeinsam mit den anderen Mittelfeldspielern: Juan Mata, Eden Hazard, Willian, Oscar und Andre Schürrle. Der Trainer hat eine Präsentation vorbereitet, zu jedem Spieler zeigt er, wie viele Tore sie geschossen haben und wie viele Torvorlagen ihnen gelangen. Ganz unten in der Liste steht Kevin De Bruyne: eine Vorlage, kein Tor.

Den berechtigten Einwand, er spiele ja auch seltener als die anderen, lässt Mourinho nicht gelten. Dessen Botschaft ist klar: Wir brauchen dich hier nicht. Mourinho nennt ihn anschließend öffentlich eine "Heulsuse" und ein "aufgebrachtes Kind". Nachdem ihn damals seine Gastfamilie rauswarf, wird Kevin De Bruyne nun, mit 23 Jahren, ein zweites Mal dafür bestraft, dass er ist, wie er ist.

Kevin De Bruyne: "Wäre damals nach Dortmund gegangen"

Ein paar Jahre später wird Kevin De Bruyne in seiner Autobiografie schreiben, der Schritt nach London sei die einzige Karriereentscheidung gewesen, bei der er nicht seinem Bauchgefühl gefolgt sei. "Wenn es eine einzige Entscheidung in meinem Leben gegeben hat, die ich rückblickend anders gemacht hätte, dann wäre ich damals nach Dortmund gegangen."

Im Januar 2014 flieht er vor Jose Mourinho. Bloß wohin? In Dortmund, wo sie ihn vor einem halben Jahr unbedingt wollten, liegen sie mittlerweile ihrem neuen Spielmacher Henrikh Mkhitaryan zu Füßen. Also wechselt Kevin De Bruyne nach Wolfsburg, dem Vorjahres-Elften der Bundesliga. Aber: Ein solider Bundesligist hat ihn ja schon einmal gerettet. Kevin De Bruyne in Wolfsburg den mit Sicherheit besten Fußball seiner noch jungen Karriere. In seiner zweiten Saison schießt er Wolfsburg mit 10 Toren und sagenhaften 22 Torvorlagen zu Vizemeisterschaft, mit der vor der Saison wirklich niemand gerechnet hat.

Im DFB-Pokalfinale gegen Dortmund kämpft er, er spielt mit einer acht Zentimeter langen Risswunde im rechten Fuß. Das vorentscheidende Tor im Finale schießt er natürlich selbst, ein traumhaftes Fernschusstor. Der Erste, den Kevin De Bruyne nach dem Abpfiff umarmt, ist Andre Schürrle. Noch einer, den Jose Mourinho aus London vertrieben hatte. Fast ist es wie damals, als er die Demütigung seiner Gastfamilie in Genk auf dem Platz beantwortete, mit einer überragenden Leistung. Am Ende des Abends stemmt Kevin De Bruyne den DFB-Pokal in den Berliner Nachthimmel. Wenig später kommt das Angebot aus Manchester. Er nimmt es an. Und dieses Mal wird es klappen, dass er sich in seinem Sehnsuchtslands des Fußballs beweisen kann. Endlich.

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