Sead Kolasinac im Interview: "Auf einmal steht der Räuber neben Dir und zieht einen Gegenstand aus der Tasche"

Von Daniel Herzog
Sead Kolasinac und Arjen Robben im Duell.
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Wer hat Ihnen damals neben Elgert am meisten geholfen?

Kolasinac: Julian Draxler. Ich war zu Beginn zwar noch sehr zurückhaltend in der Mannschaft, weil ich neu war. Aber das hat sich dann irgendwann gelegt. Und die Beziehung zu Julian wurde immer intensiver und hat bis heute gehalten. Wir stehen immer noch in sehr engem Kontakt.

Wie war das mit Raul? Haben Sie ihn angesprochen?

Kolasinac: Nein, bloß nicht. Ich habe ihm nur die Hand gegeben und gedacht, dass ich bloß nichts Falsches machen oder sagen möchte. Aber ich habe ihm im Training gern zugeschaut, weil man dabei so viel lernen konnte.

Dann kam 2014 der Rückschlag mit dem Kreuzbandriss. Wie erinnern Sie sich daran?

Kolasinac: Das war kein schönes Gefühl. Ich habe in der Vorbereitung Gas gegeben und mich auf der linken Seite durchgesetzt. Und dann die Verletzung am 1. Spieltag in Hannover. Damit war ja quasi die Saison gelaufen. Aber das gehört dazu. Wenn man hinfällt, muss man wieder aufstehen. In der Zeit habe ich meinen Körper richtig gut kennengelernt. Ich wusste auf einmal alles besser zu schätzen. Denn das Wichtigste ist, dass man gesund ist. Ich hatte meine Reha zusammen mit Julian und auch Jefferson Farfan. Im Reha-Zentrum waren auch ältere Patienten, mit denen wir zusammen in der Kantine gegessen haben. Die haben uns alles von früher, mit der Glückauf-Kampfbahn erzählt. Eine prägende Zeit.

Wie bewerten Sie Ihre Zeit auf Schalke insgesamt?

Kolasinac: Es war einfach eine schöne Zeit. Ich bin dort reifer geworden und habe viel gelernt. Diese Zeit vergesse ich nicht so schnell.

Sie waren Publikumsliebling und sind trotzdem nach London gewechselt. Warum?

Kolasinac: Da gab es mehrere Gründe. Zum einen wollte ich mich persönlich weiterentwickeln. Dann kamen wir in den Gesprächen mit dem damaligen Manager Christian Heidel nicht auf einen Nenner für einen gemeinsamen Weg. Der Entschluss, zu gehen, ist mir sehr, sehr schwergefallen.

Sead Kolasinac: "Das war damals eine verlorene Wette"

Wieso haben Sie sich für Arsenal entschieden?

Kolasinac: Die Gespräche mit Arsene Wenger haben mich sehr beeindruckt. Ich war mit meinem Vater zwei Stunden bei Wenger zuhause und wir haben uns über Fußball aber auch viele andere Themen unterhalten. Das hat sich alles gut angehört und angefühlt.

Von Gelsenkirchen in die Weltstadt London: Wie groß war die Umstellung?

Kolasinac: Gelsenkirchen ist doch auch schön. (lacht) Und manchmal ist weniger auch mehr. In London ist alles riesig. Auf Schalke war ich in vier Minuten am Platz, in zwei Minuten bei meinem Lieblingsitaliener. Und auf einmal war man für den fast gleichen Weg in der Rush-Hour 1 Stunde und 50 Minuten im Auto. Das war schon eine Umstellung. Aber man gewöhnt sich an alles.

Wer hat Ihnen dabei geholfen?

Kolasinac: Natürlich die deutschen Spieler wie Mesut Özil, Shkodran Mustafi oder Per Mertesacker. Mesut und ich hatten als Ex-Schalker viel zu besprechen, und daraus ist die Beziehung schnell gewachsen. Zwischen uns passt es einfach.

Erinnern Sie sich an Ihr Debüt für Arsenal?

Kolasinac: Das war der Community Shield gegen Chelsea, das Duell des Meisters gegen den Pokalsieger. Leider hatte sich Per Mertesacker früh schwer verletzt und ich wurde eingewechselt. In der zweiten Halbzeit gelang mir ein Kopfballtor zum 1:1. Wir gewannen im Elfmeterschießen und ich holte gleich im ersten Spiel meinen ersten Titel. Das war unglaublich.

Sie haben in der Europa League nach einem Tor in Köln mit einem Schalker Fan-Shirt gejubelt. Wie tief tragen Sie S04 noch im Herzen?

Kolasinac: Das war damals eine verlorene Wette. Ich konnte ja nicht ahnen, dass ich wirklich ein Tor schieße. Aber es waren viele Freunde aus Gelsenkirchen im Stadion. Und die Verbindung ist schon noch eng. Ich verfolge immer noch jedes Spiel von Schalke, wenn ich nicht zeitgleich selbst spiele. Ich möchte nicht den Kontakt zu den Leuten verlieren, die mich zudem gemacht haben, was ich heute bin.

Sead Kolasinac: "Auf einmal hält ein Rollerfahrer neben uns"

Welcher Gegenspieler war der härteste Ihrer Karriere?

Kolasinac: Didier Drogba. Da habe ich gemerkt, dass er nicht so leicht wegfliegt, wenn man Körper an Körper stößt. Es hat aus dem Grund aber auch sehr viel Spaß gemacht, gegen ihn zu spielen.

Was ist der größte Unterschied zwischen Trainer Unai Emery und Arsene Wenger?

Kolasinac: Ich mag es nicht so gerne, zwei Menschen miteinander zu vergleichen. Alle Trainer haben ihre eigene Philosophie, ihren eigenen Stil, Fußball zu spielen. Und wir Spieler müssen das umsetzen.

Und wie würden Sie das Niveau beim FC Arsenal beschreiben?

Kolasinac: Die Qualität in der Mannschaft ist sehr hoch. Ich habe gleich im ersten Training gemerkt, dass das spielerische Niveau höher ist, als auf Schalke. Taktisch habe ich dadurch viel dazugelernt in der Viererkette.

Wie fassen Sie die Zeit bei Arsenal bislang zusammen?

Kolasinac: Es ist aufregend. Es ist intensiv. Es gibt sehr viele Spiele mit wenig Zeit für einen selbst und die Familie. Da bleibt nicht viel Raum, um sich zu erholen.

Der Überfall auf Mesut Özil und Sie ging um die Welt. Was ist genau passiert?

Kolasinac: Mesut hatte mich besucht. Ich bin rausgekommen und stand neben seinem Auto. Auf einmal hält ein Rollerfahrer neben uns. Man denkt sich nichts dabei, obwohl ich schon viele Geschichten darüber gehört hatte. Wieso sollte es einem selbst passieren? Auf einmal steht der Räuber neben Dir und zieht einen Gegenstand aus der Tasche. Okay, dachte ich, jetzt bin ich dran. Ich bin aber ruhig geblieben und habe versucht, mich zu wehren. Es war auf jeden Fall eine gefährliche Situation. Wir sind froh, dass uns nichts passiert ist. Das ist das Wichtigste. Und deshalb sollte es auch vergessen und vorbei sein.

Sead Kolasinac steht seit 2017 beim FC Arsenal unter Vertrag.
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Sead Kolasinac steht seit 2017 beim FC Arsenal unter Vertrag.

Sead Kolasinac: "Man geht einkaufen und immer passt jemand auf"

Sie hatten danach Sicherheitsleute an Ihrer Seite?

Kolasinac: Ja, das war schon komisch. Man geht einkaufen und immer passt jemand auf. Aber das war mit dem Verein besprochen und eine reine Vorsichtsmaßnahme. Meine Frau war an meiner Seite und nicht, wie geschrieben, nach Deutschland geflogen. Aber Angst hatten meine Familie und ich nicht. Wir verstecken uns nicht, sondern leben weiter unser Leben.

Hatten Sie psychologische Hilfe?

Kolasinac: Nein, da brauchte ich niemanden. Mir war wichtig, dass meine Familie da war. Meine Frau, mein Papa, meine Hunde. Aber ich musste mit niemandem darüber reden, damit es mir besser geht. Ich mache mir da keine Sorgen mehr.

Hat dieser Vorfall Ihre Zukunftspläne beeinflusst?

Kolasinac: Nein, überhaupt nicht. Ich hatte zu keiner Zeit den Gedanken, deshalb aus London wegzugehen. Meine Familie und ich sind glücklich und froh. Wir freuen uns, dass alles wieder normal läuft.

Könnten Sie sich eine Rückkehr zu Schalke vorstellen?

Kolasinac: Ich möchte nicht über meine Zukunft spekulieren. Ich spiele aktuell bei Arsenal und über Wechselgerüchte mache ich mir keinerlei Gedanken. Die Saison ist noch lang und hart genug.

Herr Kolasinac, wie pushen Sie sich jeden Tag zu Höchstleistungen?

Kolasinac: Es ist schwierig, sich jeden Tag aufs Neue zu motivieren. Aber ich habe zum Beispiel eine Trainingsgruppe mit Mesut und Shkodran und dann treffen wir uns gemeinsam im Fitnessstudio und dann geht das. Shkodran ist schon eine Kante, der kann ganz schön Gewichte stemmen. Mesut kommt auch langsam mit den Gewichten nach. (lacht)

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