PSG, Chelsea oder der FC Bayern: Wer absolviert die verheerendste Saison?

Von Jochen Tittmar / Nino Duit / Christian Guinin
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PSG, Chelsea oder der FC Bayern: Wer absolviert die verheerendste Saison? Drei SPOX-Redakteure geben ihre Meinung ab.

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Mit Paris Saint-Germain, dem FC Chelsea und dem FC Bayern haben gleich drei europäische Schwergewichte eine äußerst turbulente Saison mit unterschiedlichsten Problemen und Schwierigkeiten hinter sich. Die SPOX-Redakteure Jochen Tittmar, Nino Duit und Christian Guinin debattieren, warum "ihr" Klub dennoch heraussticht.

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PSG: Das Ausmaß in Paris ist im Gesamtkontext noch kläglicher

Von Jochen Tittmar

Frühes Aus in Champions League und Pokal, ein schrumpfender Vorsprung als Tabellenführer der Ligue 1 - man muss gar nicht die Vielzahl an Nebenkriegsschauplätzen als zusätzliche Argumente anführen, um festzustellen, dass Paris Saint-Germain eine für die eigenen Ansprüche geradezu desaströse Saison spielt. PSG wird dafür mit maximal einem Titel "belohnt" werden und teilt somit das Schicksal des FC Bayern, während man bei Chelsea von Silberware meilenweit entfernt ist.

Dennoch stehen die Franzosen für mich mit der verheerendsten Ausbeute innerhalb dieses Trios da. Eben weil das Ausmaß im Gesamtkontext noch kläglicher ist als bei den beiden anderen Klubs - und PSG in meinen Augen noch dazu der seelenloseste unter der stetig steigenden Anzahl seelenloser Klubs ist.

Mit Gesamtkontext meine ich freilich die Bilanz seit der Übernahme des Klubs durch den katarischen Investmentfonds QSI im Mai 2011, in die sich die aktuelle Spielzeit in die vielen farblosen Spielzeiten zuvor prächtig eingliedert. Im Sommer wird in Paris der achte Trainer seitdem übernehmen und die Champions League, das einzige Ziel der Kataris, ist immer noch nicht gewonnen worden. Sogar nicht einmal annähernd: Einer Teilnahme am CL-Finale stehen neun K.o.'s vor dem Halbfinale gegenüber.

Das ist eine sportliche wie planerische Bankrotterklärung, wenn man bedenkt, dass dem Verein Unsummen zur Verfügung standen und weiterhin stehen. Und es ist mir persönlich eine helle Freude, dass all die großspurigen Investitionen in schillernde Star-Spieler nicht dabei halfen, den größtmöglichen Erfolg im Vereinsfußball zu kaufen.

Das "Projekt Messi" dürfte in Bälde für beendet erklärt werden und wäre somit in kurzer Zeit grandios gescheitert. Verein wie Spieler stehen am Ende als große Verlierer da. Auch Neymar, der teuerste Fußballprofi der Geschichte, konnte auf europäischer Ebene nicht nachhaltig einen Unterschied ausmachen. Ohne Kylian Mbappé, von dessen Extra-Klasse die gesamte Mannschaft abhängig ist, stünde PSG sogar noch biederer da.

28 heimische Titel hat der Klub seit der QSI-Übernahme gewonnen, doch sein internationales Image litt mit den Jahren immer mehr. Das wiegt für die Besitzer schwerer als jeder gewonnene Pokal. Die ständigen Eskapaden, Eifersüchteleien, Disziplin- wie Lustlosigkeiten und Negativ-Schlagzeilen rund um die hoch dekorierten Spieler, die kaum einmal über einen längeren Zeitraum eine gefestigte Mannschaft wurden, haben selbst die Identifikation der eigenen Anhänger verblassen und in Wut umschlagen lassen, wie die derzeit heftigen Unmutsbekundungen belegen.

Diese Ballung an turbo-kapitalistischer Inkompetenz sucht ihresgleichen und steht womöglich unmittelbar vor der Implosion. Zumindest mehren sich die Gerüchte, wonach man es in Paris in Zukunft auf allen Ebenen mit mehr Kontinuität, Struktur, Ausgewogenheit und Heimatnähe versuchen möchte.

Auch in München und London wird die laufende Saison vermutlich beträchtliche Auswirkungen auf das weitere Vorgehen haben. Tritt in Paris jedoch tatsächlich eine neue, bodenständigere Idee an die Stelle des längst fehlgeschlagenen Immer-höher-schneller-weiter, ginge die Spielzeit 2022/23 gewiss als negativer Höhepunkt in die Pariser Katar-Geschichte ein.

Hier geht es zum ausführlichen Bericht über die Situation bei PSG.

Todd Boehly
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FC Chelsea: Transferrekord, kein Titel - und der Trainer-Irrsinn

Von Nino Duit

Die Frage sollte eigentlich nicht lauten, ob der FC Chelsea derzeit die verheerendste Saison aller europäischen Top-Klubs absolviert. Sondern eher, ob in der Geschichte des Fußballs überhaupt jemals irgendein Klub eine verheerenderere Saison absolviert hat als nun Chelsea.

Nach der Klub-Übernahme gab die neue Führung um Todd Boehly im vergangenen Sommer zunächst einmal 282 Millionen Euro auf dem Transfermarkt aus, um kurz darauf Trainer Thomas Tuchel zu entlassen. Das verwunderte gleich aus zwei Gründen.

Zunächst, weil Tuchel nachweislich einer der besten Trainer der Welt ist. Er hatte Chelsea eineinhalb Jahre zuvor während der Saison übernommen und daraufhin zum Champions-League-Sieg sowie dank einer grandiosen Aufholjagd auf Tabellenplatz vier geführt. Auch in seiner ersten vollen Saison gelang ihm die Qualifikation für die Königsklasse problemlos.

Verwunderlich war aber nicht nur Tuchels Entlassung an sich, sondern auch ihr Zeitpunkt direkt nach Ablauf dieser äußerst kostspieligen Transferphase. Im Idealfall sollten Spieler bekanntlich zum Konzept des Trainers passen. Wenn die neuen Eigentümer (warum auch immer) kein Vertrauen in Tuchel hatten, hätten sie sich besser direkt von ihm getrennt und etwaige Transfers gemeinsam mit einem neuen Trainer abgestimmt.

Als Tuchels Nachfolger kam für kolportierte 19 Millionen Euro jedenfalls der reichlich unerfahrene Graham Potter vom Ligarivalen Brighton & Hove Albion, Tuchel kassierte dem Vernehmen nach unterdessen eine Abfindung in Höhe von etwa 15 Millionen Euro. Weil Potter im Herbst mit einem Haufen teurer Neuzugänge strauchelte, bekam er in der Winterpause noch viel mehr. Besser wurde es aber auch nach weiteren Investitionen in Höhe von 330 Millionen Euro und einer damit einhergehenden Kadervergrößerung auf über 30 Spieler nicht.

Die Lösung: Potter wurde entlassen und durch den Trainer ersetzt, der zwei Jahre zuvor für Tuchel Platz machen musste, weil er eine hochklassige Mannschaft ins Tabellenmittelfeld geführt hatte. Frei war Frank Lampard übrigens nur deshalb, weil er mit seinem neuen Klub FC Everton auf einen Abstiegsplatz abgestürzt und deshalb entlassen worden war. Unter Lampards Ägide verlor Chelsea die ersten sechs Pflichtspiele, schied auch aus dem letzten Pokalwettbewerb aus und rutschte in der Premier League auf Platz zwölf ab.

Chelsea gab in dieser Saison also mehr Geld für Spieler aus als je ein Klub zuvor, leistete sich den mutmaßlich teuersten Trainerwechsel der Geschichte, holt aber dennoch keinen Titel und qualifiziert sich nicht einmal für das internationale Geschäft. Diese völlig verheerende Saison wird nach dem letzten Spieltag aber nicht vorbei sein. Ihre Auswirkungen dürfte Chelsea noch lange spüren. Viele der teuren Neuzugänge wurden mit langfristigen Verträgen über bis zu acht Jahre ausgestattet. Ohne Einnahmen aus der Champions League drohen nun akute Probleme mit dem Financial Fairplay.

Hier geht es zum ausführlichen Bericht über die Situation beim FC Chelsea.

Oliver Kahn, Hasan Salihamidzic
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FC Bayern: Die FCB-Bosse schaffen das "Mia san Mia" ab

Von Christian Guinin

Im Gegensatz zu den beiden vorherigen Klubs mag die sportliche Situation des FC Bayern von außen betrachtet nicht ganz so dramatisch und düster aussehen. Aller Voraussicht nach wird man sich zum elften Mal in Folge zum deutschen Meister krönen - wenn auch deutlich weniger souverän als in der jüngeren Vergangenheit und mit einer ordentlichen Portion Hilfe des Konkurrenten aus Dortmund.

Das Aus in Champions League und DFB-Pokal ist darüber hinaus eher in die Kategorie "kann passieren" als "total blamabel" einzuordnen. Gegen Manchester City, die aktuell wahrscheinlich beste Vereinsmannschaft in ganz Europa, sah man über 180 Minuten nicht unbedingt viel schlechter aus. Die Pleite im Pokal gegen Freiburg war auch eher unglücklich.

Dass die Saison 2022/23 dennoch einen Platz hier in der Debatte findet, ist hauptsächlich den Verantwortlichen im Verein zu "verdanken". Über Jahre hinweg waren die Bayern mit Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge an der Spitze eine schier unangreifbare Einheit. Selbst in weniger erfolgreichen Spielzeiten hatte man immer das Gefühl, dass nichts und niemand den mächtigen FC Bayern ins Wanken bringen könnte.

Letztendlich ist es genau diese Fallhöhe, warum die Münchner für mich persönlich die verheerendste Saison der drei genannten Klubs absolvieren. Es vergehen kaum ein paar Wochen am Stück, in denen nicht ein neuer Nebenkriegsschauplatz entsteht. Egal ob folgenschwere Ski-Ausflüge, Besuche bei der Fashion Week in Paris, Maulwürfe oder interne Machtkämpfe - scheint ein Brandherd gelöscht, tut sich sogleich der nächste auf.

Allen voran sind dabei natürlich Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic zu nennen. Zu keinem Zeitpunkt schafften es beide, die nötige Ruhe in den Verein zu bringen. Viel schlimmer noch: Mit zweifelhaften Entscheidungen wie der Entlassung von Julian Nagelsmann inmitten der heißen Phase der Saison, fragwürdigen Aussagen in Interviews und einer schwachen Führungspolitik sind sie die Hauptverantwortlichen für das Chaos beim deutschen Rekordmeister.

Während es die Herren Rummenigge und Hoeneß in turbulenten Zeiten stets verstanden, in die Offensive zu gehen und die Aufmerksamkeit von der Mannschaft weg und auf sich lenken, ist bei den Bayern in diesen Tagen nach einem großen medialen Aufschrei oft das große Schweigen zu vernehmen. Die viel zitierte "Mia san Mia"-Mentalität - dass dem großen FCB keiner etwas anhaben könne und man stets füreinander einstehe - ist abhandengekommen.

Selbst wenn die Abteilung Attacke mal ausgegraben wird, etwa beim Zoff zwischen Kahn und Sky-Experte Lothar Matthäus rund um das Top-Spiel gegen den BVB, wird daraus eher eine Schlammschlacht mit weiterem belastendem Material, welches an die Öffentlichkeit dringt.

Als erklärte Wunschnachfolger von Rummenigge und Hoeneß sollten Kahn und Salihamidzic beim FC Bayern eine neue Ära prägen. Nun stehen beide vor dem Scherbenhaufen ihrer eigenen Fehler. Spätestens bei der kommenden Aufsichtsratssitzung am 30. Mai wird es eine knallharte Analyse geben. Dass zumindest einer von beiden sein Amt dann zur Verfügung stellen muss, ist nicht unwahrscheinlich.