Lionel Messis Ende bei Barca: Kein Platz für Fußball-Romantiker

Lionel Messi wird den FC Barcelona nach über 20 Jahren im Verein verlassen.
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Mit dem Abschied von Lionel Messi beim FC Barcelona endet eine Ära, die trotz der tiefen Krise vielleicht sogar positive Auswirkungen auf den Traditionsverein haben könnte - nicht aber auf das verkorkste Fußballgeschäft. Die Fußball-Kolumne.

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Als Barca-Idol Pep Guardiola seinen Herzensklub im Sommer 2001 verließ, war die Trauer unter den Fans riesig. Der berühmte katalanische Schriftsteller Manuel Vazquez Montalban meinte damals sogar, Barcelona ohne Guardiola sei "wie eine Tortilla ohne Eier".

Um im Bild zu bleiben, müsste man sagen, Barcelona ohne Messi ist wie eine Tortilla nicht nur ohne Eier, sondern auch ohne Kartoffeln. Während also nach Vazquez Montalban ohne Guardiola noch zumindest ein wenig bekömmliches Rumpfgericht übrig geblieben wäre, ist Barca ohne Messi nur noch Olivenöl und Zwiebeln - also praktisch nichts mehr.

Der Vergleich ist kulinarisch vielleicht etwas schief, sportlich trifft er es aber recht gut: Das Barca, das Fußballfans seit anderthalb Jahrzehnten kennen und wahlweise bewundern oder fürchten, existiert seit Donnerstag, dem 5. August 2021, nicht mehr.

Lionel Messi wird den FC Barcelona nach über 20 Jahren im Verein verlassen.
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Lionel Messi wird den FC Barcelona nach über 20 Jahren im Verein verlassen.

Barca kann sich Lionel Messi nicht mehr leisten

Da gab der astronomisch verschuldete (1,17 Milliarden Euro Miese laut letztem Wirtschaftsbericht) Traditionsverein bekannt, dass es trotz grundsätzlicher Einigkeit mit dem Spieler keinen Weg für einen neuen Vertrag gibt, der eigentlich nur noch als Formalie betrachtet worden war. Doch der einst reichste Klub der Welt kann sich nach Jahren der Misswirtschaft seinen Superstar schlicht und einfach nicht mehr leisten.

Dabei wollte Messi angeblich immerhin auf die Hälfte seines bislang exorbitanten Gehalt von 138 Millionen Euro (Quelle: El Mundo Deportivo) verzichten - doch selbst damit wäre er laut Forbes immer noch der bestbezahlte Spieler der Welt vor Neymar (66 Millionen Euro) und Cristiano Ronaldo gewesen (59 Mio.).

Barca-Präsident Laporta: Ex-Bosse und La Liga hauptverantwortlich

Summen, die Barca nicht mehr stemmen kann. Dementsprechend gab Präsident Joan Laporta auf seiner Pressekonferenz am Freitag vor allem seinen Vorgängern, die "ein furchtbares Erbe" hinterlassen hätten, und den Verantwortlichen der Liga die Hauptschuld (was deren Präsident sofort zurückwies).

Laporta unterschlug dabei freilich, dass er auch deshalb im März zum zweiten Mal zum Präsidenten gewählt worden war, weil er vorher und danach den Verbleib Messis trotz dessen auslaufenden Vertrags als quasi sicher dargestellt hatte. Immerhin dem Spieler selbst und seinem Vater Jorge, der ihn auch berät, machte er keine Vorwürfe wegen des Verhandlungsdesasters.

Lionel Messi: Gerüchte über Last-Minute-Gehaltspoker

Dabei kursieren zahlreiche Gerüchte, wonach Messis Seite in letzter Minute deutlich mehr Geld verlangt und dabei auch mit vermeintlch unterschriftsreifen Mega-Angeboten anderer Topteams gepokert haben soll. Dementsprechend forderte der Kommentator im Barca-Hausblatt Sport: "Wir verlangen, die Wahrheit zu erfahren. Die ganze Wahrheit. Und nichts als die Wahrheit."

Statt der Wahrheit dürfte allerdings in den nächsten Tagen und Wochen eher jede Menge Schmutz aufgerwirbelt werden über die Hintergründe der unerwarteten Trennung. Und schon stellen Kritiker die Frage, warum der Multimillionär Messi seinem vermeintlichen Herzensverein nicht noch weiter mit einem Gehaltsverzicht entgegenkam oder wieso er nicht sogar für einen symbolischen Euro spielen wollte, um zur sportlichen und wirtschaftlichen Rettung beizutragen.

Trotz Pandemie: Keine Demut und kein Umdenken im Profi-Fußball

Doch so bedauerlich es ist, für solche Fußballromatik ist in dem knallharten Geschäft kein Platz. Von Demut ist bekanntlich trotz der riesigen Einnahmelöcher durch die Corona-Pandemie nichts zu spüren, wie unter anderem die knapp 19,5 Millionen Euro Jahresgehalt für David Alaba bei Real Madrid (trotz 300 Millionen Euro Einnahmeverlust in der vergangenen Saison) oder die 118 Millionen Euro Ablöse von Manchester City für Englands Ersatzspieler Jack Grealish zeigen.

Es ist daher arg blauäugig, darauf zu hoffen, dass das Scheitern des Messi-Deals trotz angeblich bereits erzielter Einigung beider Seiten zu einem Umdenken im durch und durch verkorksten Spitzenfußball sorgen wird.

Der einzige Unterschied zu den vergangenen Jahren scheint zu sein, dass die Schulden mittlerweile selbst bei den größten Klubs so hoch sind, dass keine Tricks mehr möglich sind und tatsächlich gespart werden muss. Sogar der FC Bayern scheint davon betroffen, schließlich konnte (oder wollte) man in München den Qualitätsverlust des Kaders in den letzten zwei Jahren nicht mehr mit teuren Neuzugängen kompensieren.

Barca: Auch mit Messi zuletzt nicht mehr konkurrenzfähig

Barcelona trifft es freilich noch härter, denn auch auf dem Platz hat der fünfmalige Champions-League-Sieger abgewirtschaftet und war zuletzt auch mit Messi auf höchstem Niveau nicht mehr konkurrenzfähig. Die Hoffnung bleibt, dass die prekäre Situation nun zu einer Rückbesinnung auf einstige Stärken führt, nämlich die eigene Jugendarbeit in der legendären La Masia.

Während sich in jüngster Zeit kaum noch ein Talent dauerhaft bei den Katalanen etablieren konnte, standen bei den Champions-League-Triumphen 2009 und 2011 jeweils acht Spieler aus dem eigenen Nachwuchs auf dem Platz. Darunter auch Messi, der vor fast 21 Jahren als 14-Jähriger aus Argentinien nach Barcelona gekommen war. Verpflichtet von einer anderen Klublegende, Carles Rexach, der die erste Mannschaft mit Kapitän Guardiola wenige Monate später als Interimscoach noch in die Champions League führte.

Kurz darauf verließ Guardiola zum ersten Mal die Blaugrana und nicht wenige riefen damals das "Ende des Barcelonismo" aus. Doch das Gegenteil war der Fall - dank Messi. Als er im November 2004 als 17-Jähriger sein erstes Pflichtspiel absolvierte, hatte Barca einmal die Champions League und 16 mal die Meisterschaft geholt.

Lionel Messi gab Barca seine Eier zurück

In den knapp 17 Jahren unter Messi kamen unter anderem vier weitere Champions-League-Titel und zehn Meisterschaften hinzu. Um bei Vazquez Montalbans Tortilla-Vergleich zu bleiben: Messi gab Barca seine Eier zurück.

Wobei Titel allein dem Erbe des besten Fußballers der vergangenen Jahrzehnte kaum gerecht werden, wie der Blick auf seine unfassbare Zahl von individuellen Auszeichnungen deutlich macht, darunter sechsmal der Ballon d'Or. Seine größte Zeit hatte der Argentinier aber sicherlich zwischen 2008 und 2012 unter dem als Trainer ins Camp Nou zurückgekehrten Guardiola.

Lionel Messis Zukunft: ManCity, PSG oder die schönste Story?

Danach zog Pep in die Welt, gewann aber nie mehr die Königsklasse. Es würde also passen, wenn Guardiola und Messi nun bei Manchester City wiedervereinigt und noch einmal gemeinsam den Henkelpott gewinnen würden. Aktuell allerdings soll der englische Meister mit Blick auf Gehalt und Alter des 34-Jährigen kein Interesse mehr haben, zumal gerade nach dem teuren Grealish-Transfer in der Kreativzentrale auch nicht unbedingt Bedarf besteht.

Daher halten viele Beobachter einen Wechsel zu Paris St. Germain für wahrscheinlich, Gerüchten aus Frankreich zufolge soll der sogar schon gewisse Formen angenommen haben. Am Geld wird es jedenfalls nicht scheitern.

Ansonsten gelten lukrative Offerten aus den USA und Katar als verbürgt.

Dabei wäre es sicherlich die schönere Geschichte, wenn Messi einfach seine Karriere beenden würde. Beweisen muss er niemandem mehr etwas und besser wird er sicher auch nicht mehr werden. Der beste Spieler der Welt die ganze Karriere bei einem Verein - das wäre ein Ausrufezeichen.

Aber dazu wird es wohl nicht kommen. Denn die Realität im Geschäft Profi-Fußball ist nichts für Romantiker.

Messis Statistiken für Barcelona in jedem Wettbewerb

WettbewerbSpieleToreVorlagen
LaLiga520474217
Champions League14912042
Copa del Rey805636
Supercopa20146
Klub-WM551
UEFA Super Cup433