Pep Guardiolas Abenteuer in Sinaloa: Praxissemester in der Kokainhochburg

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© getty

Bevor Pep Guardiola ins Trainergeschäft einstieg, ließ er seine Spielerkarriere im vom Drogenkrieg heimgesuchten Sinaloa ausklingen. Wie es zu diesem außergewöhnlichen Schritt kam - und warum er ihn bestmöglich auf seinen Durchbruch als Coach beim FC Barcelona vorbereitete.

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Pep Guardiola hatte im Dezember 2005 eigentlich schon einen Schlussstrich gezogen. Angebote aus der Premier League von Wigan Athletic und seinem heutigen Arbeitgeber Manchester City? Egal. Der einstige Mittelfeldstratege des FC Barcelona wollte sich, auch weil sein Körper nicht mehr so recht mitmachte, von seiner aktiven Karriere verabschieden und das nächste Kapitel aufschlagen - das des Trainers Guardiola.

Der 34-Jährige besuchte schon erste Kurse in Madrid, als eines Wintertages plötzlich das Telefon klingelte. Eine mexikanische Nummer leuchtete auf dem Display auf, Guardiola hob ab - und hörte eine vertraute Stimme.

Die von Juanma Lillo. Einem spanischen Trainer, der damals den abstiegsbedrohten mexikanischen Erstligisten Dorados de Sinaloa betreute - und den just von seiner eher fragwürdigen "Abschiedstournee" durch Katar in die Heimat zurückgekehrten Guardiola nun aus heiterem Himmel um einen Rücktritt vom Rücktritt bat.

Guardiola zögerte nicht lange. Wenige Wochen nach dem Telefonat, kurz nach Weihnachten, waren sämtliche Trainerlehrgänge auf Eis gelegt und ein One-Way-Flugticket nach Culiacan gebucht. Und zwar nicht, weil es dort besonders schön war. Im Gegenteil: Die 675.000-Einwohner-Stadt am Golf von Kalifornien war die so ziemlich verstaubteste und obendrein auch noch gewalttätigste Ecke im mexikanischen Bundesstaat Sinaloa.

Juanma Lillo: Der unbekannte Mentor von Pep Guardiola

Dort befand sich eine der größten Kokainhochburgen der Welt, kontrolliert und dominiert von dem weltberühmten "Narco" Joaquin Guzman alias "El Chapo". Aber eben auch das neue Zuhause von Juanma Lillo - was Guardiolas Herz automatisch höher schlagen ließ. Lillo war in seinen Augen nämlich nicht irgendein Trainer. Er war, Johan Cruyff und Marcelo Bielsa mal außen vor, der Trainer schlechthin für ihn. Eine Leitfigur, die ihn schon zu seiner Zeit als Barca-Profi in seinen Bann gezogen hatte.

Dabei war dieser nie für die Katalanen oder irgendeinen anderen Top-Klub in Spanien tätig gewesen. Genau das imponierte Guardiola aber. Lillo schaffte es mit geringen wirtschaftlichen Mitteln, ansehnlichen Fußball spielen zu lassen. Sein größtes Meisterwerk vollbrachte er gleich zu Beginn seiner Laufbahn als Profitrainer, als er den Provinzklub Salamanca binnen zwei Jahren von der dritten bis in die erste Liga führte. Mit nicht einmal 30 Jahren.

"Als ich 15 war, sagte mein damaliger Trainer zu mir: 'Juanma, ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Die schlechte ist: Du bist als Fußballer scheiße. Die gute ist: Du hast etwas, was man im Fußball braucht. Deine Mitspieler hören auf dich.' Also wollte ich fortan nur noch Trainer sein", sagt Lillo über sich.

Guardiolas Versprechen: "Da blieb mir fast die Spucke weg"

Mehr als sein Alter beeindruckte aber die Spielweise, die er seinen Mannschaften einimpfte. Lillo verschrieb sich ganz dem "Cruyffismus": Er legte sein Augenmerk vor allem auf Defensivspieler, die mit dem Ball umgehen konnten und etwaige körperliche Defizite mit Übersicht und Antizipation ausglichen.

Wer als Innenverteidiger oder Sechser nicht zu einem vernünftigen Aufbauspiel fähig war, hatte unter ihm keine Chance. Guardiola, der ein solcher Typ Fußballer war, zeigte sich begeistert von Lillos Mut, Ästhetik eine mindestens genauso hohe Bedeutung beizumessen wie Effizienz.

Nach dem ersten Ligaspiel der Saison 1996/97 zwischen dem von Lillo trainierten Real Oviedo und Barca fasste er den Entschluss, persönlichen Kontakt zu dem Trainer herzustellen. "Einer meiner Assistenten klopfte an unsere Kabinentür und fragte mich, ob ich Interesse daran hätte, mit Pep zu sprechen", erinnert sich Lillo.

"Wir hatten 2:4 verloren, ich war enttäuscht, doch natürlich dachte ich mir: Wie soll ich bitteschön jemandem ein Gespräch verweigern, den ich als Spieler so bewundere?" Also kam Pep herein, sprach uns ein großes Lob für unsere Leistung aus und sagte zu mir, er wolle den Kontakt mit mir aufrechterhalten."

Doch damit nicht genug: "Er teilte mir vor unserer Verabschiedung mit, dass er seine Karriere nicht beenden werde, bevor er nicht einmal für eine Mannschaft gespielt hat, die ich trainiere. Da blieb mir fast die Spucke weg."

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