EU zeigt Blatter die Rote Karte

SID
Wenn es nach dem EU-Parlament geht soll Joseph Blatter umgehend zurücktreten
© getty

Rote Karte für Joseph S. Blatter durch das Europäische Parlament und Rücktritt von FIFA-Mediendirektor Walter De Gregorio - der von Skandalen gebeutelte Fußball-Weltverband gerät immer stärker unter Druck. Die von DFB-Präsident Wolfgang Niersbach am Mittwoch veröffentlichte Zehn-Punkte-Agenda mit tiefgreifenden Reformvorschlägen für die FIFA hat unterdessen wohlwollende Zustimmung in verschiedenen Bereichen gefunden.

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Für den Paukenschlag sorgte aber am Donnerstag das Europäische Parlament (EP) in Straßburg und forderte in einer mit großer Mehrheit verabschiedeten Resolution die sofortige Demission des Schweizers FIFA-Chefs Blatter. In der von allen sieben im EP vertretenen Parteien eingebrachten Entschließung wird der Rücktritt des 79-Jährigen noch vor dem geplanten FIFA-Wahlkongress (voraussichtlich am 16. Dezember in Zürich) als Voraussetzung dafür gewertet, dass "dringend erforderliche Reformen des Verbandes begonnen werden können".

Blatter selbst sieht dagegen keinen Handlungsbedarf. "Die FIFA ist über die Aufforderung irritiert. Der FIFA-Präsident hat bereits erklärt, sein Mandat auf einem außerordentlichen Kongress niederzulegen", erklärte eine FIFA-Sprecherin auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP. Über den Zeitpunkt der Wahl eines Nachfolgers Blatters soll im Rahmen einer Außerordentlichen Sitzung des Exekutiv-Komitees am 20. Juli in Zürich entschieden werden.

Die Europa-Parlamentarier ächteten in ihrer rechtlich nicht bindenden Resolution die Korruption in der FIFA als "zügellos, systembedingt und tief verwurzelt". Deswegen solle mithilfe des Exekutivkomitees eine Reformkommission bis Ende 2016 die Grundlagen für künftig transparentere Abläufe in der FIFA schaffen.

Mediendirektor De Gregorio tritt zurück

Unterdessen verlor die FIFA am Donnerstag in Mediendirektor Walter De Gregorio, der vier Jahre im Amt war, einen weiteren leitenden Angestellten. Er steht der FIFA aber bis Ende des Jahres als Berater zur Verfügung. Sein Stellvertreter Nicolas Maingot wird interimsweise die Medienabteilung führen. "Walter hat die letzten vier Jahre unglaublich hart gearbeitet, und wir sind ihm dafür sehr dankbar. Ich bin froh, dass wir bis Ende des Jahres auf seine Expertise zurückgreifen können", sagte FIFA-Generalsekretär Jérôme Valcke.

Schon vor der Abstimmung des Europäischen Parlaments hatte der deutsche EP-Präsident Martin Schulz der FIFA wegen ihrer Schmiergeld-Affären den Anspruch auf Eigenständigkeit abgesprochen. "Ich rufe nicht gleich nach staatlicher Aufsicht. Aber wir müssen zumindest klären, ob alle Regeln vereinbar sind mit öffentlich-rechtlichen Regeln. Man wird relativ schnell sehen: Nein, das ist nicht vereinbar. Diese internen Regeln reichen nicht. Daher müssen wir genauer hinschauen", sagte der SPD-Politiker im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

"Das Parlament", sagte Anti-Korruptions-Expertin Sylvia Schenk (Frankfurt) zum angenommenen EP-Entschließungsantrag am Donnerstag dem SID, "zeigt damit beim Thema FIFA Präsenz, aber natürlich ist der Beschluss eher symbolisch anzusehen."

Lob an DFB-Chef Niersbach

Mehr als nur ein Symbol sieht Schenk in Niersbach vorgelegtem Reformprogramm für die FIFA. "Es ist sehr gut, dass endlich auch etwas Inhaltliches vorgelegt wurde und Wolfgang Niersbach und der DFB sich stärker einbringen. Das erwarte ich jetzt auch von den anderen größeren Verbänden. Es ist jedenfalls höchste Zeit."

Die Leiterin der Arbeitsgruppe Sport von Transparency International stimmt den Leitlinien der Niersbach-Agenda in weiten Teilen zu, steht der Forderung des DFB-Präsidenten nach einer schnelleren Ablösung von Blatter jedoch mit gemischten Gefühlen gegenüber: "Wenn Blatter schon vor dem Kongress zurücktreten würde, entstünde durch die verbliebenen Vizepräsidenten womöglich nur noch ein größeres Chaos. Außerdem fände ich es besser, den Kongress vier Wochen später mit durchdachten Vorschlägen für Veränderungen abzuhalten statt früher nur zu wählen."

In der Personalie Blatter liegt Vorstandschef Michael Vesper vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) auf einer Linie mit Niersbach. "Es braucht zu allererst einen personellen Neuanfang mit einem Präsidenten, der in der erbärmlichen Vorstellung, die die FIFA in den letzten Wochen und Monaten geboten hat, keine Rolle gespielt hat", sagte Vesper vor der Eröffnung der Europaspiele in Baku auf SID-Anfrage.

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