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Verrat in Amsterdam: Frank de Boer empört die Massen - und hat Erfolg

Frank de Boer trainiert seit vergangenen Sommer die niederländische Nationalmannschaft.
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Niederlande überzeugen zum Turnierstart gegen die Ukraine

Wie 2014 van Gaal wagte de Boer also sieben Jahre später ebenfalls das Unerhörte und schickte seine Mannschaft mit einem 3-5-2 ins Turnier. Zunächst: de Boer hatte Recht, beim Eröffnungsspiel gegen die Ukraine war es tatsächlich ein 3-5-2. Die beiden Außenbahnspieler Patrick van Aanholt und Denzel Dumfries spielten fast schon provokant hoch.

Vor allem Dumfries, der auf der rechten Seite immer wieder Flankenläufe bis zur Grundlinie hinlegte und in der realtaktischen Aufstellung sogar der offensivste Spieler der ganzen Mannschaft war. Das sollte sich lohnen, denn er leitete die ersten beiden Treffer seiner Mannschaft ein und erzielte das entscheidende 3:2 kurz vor Schluss selbst.

Trotz des ungewohnten Systems zeigten die Niederlande eine offensivorientierte, mitreißende Leistung: Im Mittelfeld harmonierten der technisch versierte Frenkie De Jong und der dynamische Georginio Wijnaldum, vorne ergänzten sich der wuchtige Wout Weghorst und der wendige Memphis Depay.

Der Auftritt war eine positive Überraschung für die Fans, die dem Turnier nicht zuletzt wegen Trainer de Boer äußerst pessimistisch entgegengeblickt hatten. Zum Spiel gegen die Ukraine erschienen sie haufenweise in Cruyff-Trikots, zumindest das hatte aber immerhin nichts mit der System-Debatte zu tun. Das machen sie hier in Amsterdam immer so und das passt auch ganz wunderbar zum allgemeinen Stadtbild.

Johan Cruyff ist in Amsterdam omnipräsent

In wohl keiner europäischen Stadt ist eine lokale Fußballlegende so omnipräsent wie 4-3-3-Prediger Cruyff in Amsterdam. Vielleicht noch Diego Armando Maradona in Neapel, aber das war es dann auch schon. Wird einem in München an jeder Ecke Franz Beckenbauer vor Augen geführt? In Manchester Bobby Charlton? In London Thierry Henry? In Mailand Paolo Maldini? In Madrid Alfredo Di Stefano? Nein. Da gibt es hier und da mal eine Statue, aber damit muss es dann auch getan sein.

In Amsterdam dagegen kann man kaum eine Straße entlanggehen und kaum eine Gracht überqueren, ohne ein Graffiti, einen Sticker oder eine Zeichnung mit Cruyffs Gesicht, seinem Namen oder seiner legendären Rückennummer 14 zu sehen. In den Souvenirläden wird sein Trikot meist am prominentesten präsentiert und dann gibt es auch noch zwei Sportgeschäfte, die seinen Namen tragen. Smit Cruyff Sportspecialisten gehörte ihm einst sogar selbst.

Am Cruyff Institute direkt neben dem Olympiastadion (vor dem natürlich eine weitere Cruyff-Statue steht) kann man Sportmanagement studieren, was unter anderem der aktuelle Spieler des FC St. Pauli James Lawrence gemacht hat. Die Cruyff Foundation setzt sich für Kinder- und Jugendsport ein und ist in der Stadt vor allem durch die eigens errichteten Bolzplätze namens Cruyff Courts omnipräsent.

Wijnaldum: "Jeder hier ist es gewohnt, 4-3-3 zu spielen"

Dort können die Kleinsten erstmals wild gegen Fußbälle treten, ehe sie sich irgendeinem Klub anschließen, um dort fortan mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das 4-3-3-System zu lernen. "Jeder hier ist es gewohnt, 4-3-3 zu spielen", sagte Kapitän Wijnaldum vor dem Eröffnungsspiel, nur um eilig hinterherzuschieben, dass natürlich auch das neue System gut angenommen wurde.

An der Ausrichtung wird de Boer für das zweite Gruppenspiel gegen Österreich nichts ändern. Er und seine Spieler werden auf dem Weg vom Mannschaftsbus ins Stadion also wieder mit dem Gefühl des Verrats am Cruyff-Wandgemälde vorbeigehen müssen. Erspart bleibt ihnen dabei aber immerhin ein Blickkontakt, denn Cruyff ist nur von hinten zu sehen. Wendet er sich vielleicht sogar absichtlich vom Stadion ab?

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