"Das wird was": Eigengewächs Frans Krätzig begeistert beim FC Bayern München

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Pflichtspieldebüt gegen den VfL Bochum, Premierentor beim DFB-Pokal-Duell mit Preußen Münster (4:0): Der 20-jährige Frans Krätzig mausert sich zur Zukunfts-Hoffnung des FC Bayern München - obwohl er im Jugendbereich nie als besonders vielversprechendes Talent galt.

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Solche Geschichten schreibt nur der Fußball! Ach, wie wunderbar überstrapaziert diese Floskel ist. Aber an diesem warmen Dienstagabend in Münster, da war sie einfach unausweichlich. Die nur vom Fußball geschriebene Geschichte handelte jedenfalls von zwei 20-Jährigen, von Frans Krätzig und Johannes Schenk.

Beide im Januar 2003 in Franken geboren, beide in der Jugend für den 1. FC Nürnberg aktiv, ehe sie 2017 mit 14 Jahren gemeinsam zum FC Bayern München wechselten. Gemeinsam durchliefen sie dort die Jugendmannschaften, gemeinsam wohnten sie im Internat. "Beim Frans war immer der Treff, er hatte das größte Zimmer", erinnert sich Schenk heute.

Der Keeper ließ sich diesen Sommer zum Drittligisten Preußen Münster verleihen. Auch Krätzig hatte Leih-Angebote, wollte aber unbedingt in München bleiben. Bei der Auslosung der 1. Runde des DFB-Pokals kam es dann, wie es kommen musste - und beim Duell selbst erst recht.

Schenk feierte gegen den FC Bayern sein Debüt, Krätzig wurde drei Tage nach seinem ersten Pflichtspieleinsatz beim 7:0 gegen den VfL Bochum erneut eingewechselt und erzielte dann gegen seinen Kumpel sein erstes Tor für die Profis des FC Bayern. "Den habe ich mit Absicht reingelassen, damit er sich wohl fühlt", sagte Schenk danach und lachte. "Es ist mir eine Ehre, dass er sein erstes Profitor bei mir macht." Solche Geschichten!

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Thomas Tuchel über Frans Krätzig: "Das wird was"

Krätzig war bereits in der 11. Minute ins Spiel gekommen, weil sich Serge Gnabry bei einem Zusammenprall mit - ausgerechnet - Schenk einen Bruch des Unterarms zugezogen hatte. Bereits wenige Sekunden nach seiner Einwechslung vergab Krätzig eine erste Großchance, in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit verwertete er dann eine Hereingabe von Joshua Kimmich zum zwischenzeitlichen 3:0, am Ende hieß es 4:0.

Ganz unabhängig vom Tor machte Krätzig in Münster einen blendenden Eindruck. Fast schon penetrant fleißig bot er sich im halblinken Mittelfeld an, bekam oft den Ball und fiel dann meist mit mutigen Aktionen auf - Dribblings, vertikalen Pässen. "Er versprüht extreme Spielfreude", lobte Sportdirektor Christoph Freund. "Ein guter Junge, super klar, ganz bescheiden, hellwach, ein sehr guter Fußballer", resümierte Trainer Thomas Tuchel: "Das wird was."

Wird das tatsächlich was? "Wenn er sagt, das wird was, dann ...", überlegte Krätzig: "... ich glaube, er hat bissl Erfahrung."

DFB-Pokal, Einzelkritik, Noten, FC Bayern München, FCB, Preußen Münster
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FC Bayern: Frans Krätzig war nie Jahrgangsbester

Seit Jahren dürstet der FC Bayern nach einer neuen bayerischen Identifikationsfigur aus dem eigenen Nachwuchs. Seit Thomas Müller, und der ist mittlerweile 34 Jahre alt. Müllers und Krätzigs Wege durch den Jugendbereich waren aber grundverschieden.

Müller galt schon früh als großer Hoffnungsträger. Für die U19 und die Reserve schoss er reihenweise Tore, in der U16 debütierte er für den DFB. Und Krätzig? Jahrgangsbester war er nie, nicht einmal im Ansatz. In der U17 und der U19 oft nur Reservist, die Saison 2021/22 wegen einer Schambeinentzündung fast komplett verpasst - während der einen Monat jüngere Jamal Musiala damals bereits bei den Profis glänzte.

Die Hoffnungsträger seines Jahrgangs waren außerdem eher Torben Rhein (mittlerweile bei Austria Lustenau), Nemanja Motika (Olimpija Ljubljana - hier geht es zum Interview) oder Gabriel Vidovic (Dinamo Zagreb). Krätzig avancierte erst bei der viertklassigen Reserve in der vergangenen Rückrunde zu einem echten Fixpunkt. Und zwar aus Personalnot nicht auf seiner angestammten Position im zentralen Mittelfeld, sondern als Linksverteidiger.

Tuchel belohnte ihn daraufhin mit einem Platz bei der Vorbereitungsreise nach Asien. Krätzig sammelte Spielminuten und empfahl sich für mehr. Beim 4:3-Testspielsieg gegen den FC Liverpool erzielte er einen sehenswerten Treffer, den die Fans des FC Bayern später zum Tor des Monats August wählten. Thomas Müller schrieb bei Instagram: "Der Frans, der kanns!" Für den DFB hatte Krätzig bis dahin nie gespielt, sein Debüt feierte er erst im Zuge der zurückliegenden Länderspielphase für die U20.

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Leon Goretzka lobt das "schlaue Köpfchen" Frans Krätzig

Bei den ersten Saisonspielen des FC Bayern stand Krätzig stets im Profikader, ehe ihm Tuchel am Samstag beim 7:0 gegen den VfL Bochum zum Pflichtspieldebüt verhalf. Für die letzten 25 Minuten ersetzte Krätzig links hinten Alphonso Davies. "Er hat seine Chance schon seit einigen Wochen verdient", sagte Tuchel. Es sei "einfach top, wie Frans trainiert. Mit welcher Lust und Aufmerksamkeit er im Training ist und welches normale Selbstvertrauen er mitbringt bei aller Bescheidenheit. Das ist einfach ein tolles Paket."

Teil dieses Pakets ist auch seine Vielseitigkeit, die dem nur 1,71 Meter großen Linksfuß in Tuchels dünnem Kader weitere Einsatzchancen bieten dürfte. Gegen Münster spielte Krätzig statt Gnabry als halblinker Zehner, als Außenstürmer könnte man ihn sich auch durchaus vorstellen.

"Ich freue mich super für ihn, er hat sehr schöne Wochen", sagte Leon Goretzka und kam dann gar nicht mehr aus dem Schwärmen heraus. Sehr unbekümmerter Eindruck! Bodenständig! Spielintelligent! Guter Fußballer! Kluges Köpfchen! "Ich versuche, jeden Tag abzuliefern", sagte Krätzig selbst. "Egal ob in der 1. Pokalrunde oder im Training. Das ist ziemlich das Gleiche." So hört sich Unbekümmertheit an - und so wie der jugendhafte Blondschopf Krätzig schaut auch Unbekümmertheit aus.