Die "dunklen Wolken" über Joachim Löw ziehen sich zu einem zerstörerischen Orkan zusammen, der den angeschlagenen Bundestrainer hinwegzufegen droht. Doch zumindest von einem möglichen "Tief Jürgen" hat der wankende Weltmeistercoach von 2014 (noch) nichts zu befürchten.
"In Zukunft, vielleicht. Jetzt? Nein, weil ich keine Zeit habe", sagte Jürgen Klopp, der Teammanager des FC Liverpool, über den Bundestrainer-Posten. Ihm gefalle es auf der Insel - "selbst wenn das Wetter schlecht ist". Dennoch: Für Löw wird die Lage zunehmend bedrohlicher.
Das historische 0:6-Debakel in der Nations League in Spanien hat ein mittelschweres Erdbeben ausgelöst, innerhalb des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) brodelt es gewaltig. Nicht wenige Präsidiumsmitglieder fordern klarere Antworten - um Löw wird es einsamer.
Bild und Spiegel zitieren anonyme Heckenschützen aus der Frankfurter Zentrale. Da ist von "verlorenem Zauber" oder dem "fehlenden Masterplan" die Rede, ja sogar von der Forderung, Löw dürfe "keinen Freifahrtschein" mehr bekommen.
Bis 4. Dezember, so wurde bei einer Schaltkonferenz der Verbandsoberen am Freitag beschlossen, muss der Bundestrainer eine überzeugende Analyse liefern und erklären, wie er den Schlamassel bis zur EM korrigieren und aus einer völlig verunsicherten Mannschaft doch noch einen Titelkandidaten formen will. Das klingt nicht nur nach Ultimatum - es wird im DFB auch so interpretiert. Löw muss um seinen Job kämpfen.
Bierhoff soll Löws Erkenntnisse präsentieren
Immerhin: Ein Tribunal wollen sie dem verdienten Bundestrainer in dessen 15. Amtsjahr ersparen. Löws Erkenntnisse sollen der Spitze von DFB-Direktor Oliver Bierhoff vorgestellt werden. Präsident Fritz Keller will bis dahin jene Präsidiumsmitglieder einfangen, die sich übergangen fühlen und von einem Alleingang des Duos Keller/Bierhoff raunen.
Keller hatte die Richtung noch in Sevilla vorgegeben und versucht, Löw mit der Umdeutung der Schmach zum "einmaligen Blackout" beizuspringen. "Das war ein Katastrophentag heute", zitiert die Bild aus der Kabinenansprache des Präsidenten.
Keller soll an die Mannschaft appelliert haben: "Wir müssen nach vorne gucken und das Spiel vergessen, aber wir glauben an euch! Wir sind eine Einheit! Auch wenn ein Sturm kommt - wir stehen zusammen!" Und zu Löw.
Mertesacker sieht "ganz, ganz viele Probleme"
Doch die Kritiker werden lauter. "Ich denke, dass er die Mannschaft nicht mehr erreicht", sagte Rekordnationalspieler Lothar Matthäus bei Sky. Löw müsse nun "ehrlich zu sich selbst sein", forderte er und sich fragen: "Macht es mir noch Spaß? Habe ich das Gefühl, dass ich noch das Beste aus der Mannschaft heraushole?" Sollte dies nicht der Fall sein, "muss er zurücktreten". Danach aber sieht es aktuell nicht aus.
Dabei sieht auch Weltmeister Per Mertesacker "ganz, ganz viele Probleme" und betonte: "Es gibt nichts, was man positiv reden könnte." Löw habe es aber "in sich", sich noch einmal zu straffen: "Er stand schon das ein oder andere mal im Kreuzfeuer und hat das immer wieder relativ cool überwunden."
Flick verteidigt Löws Personalpolitik
Doch während Löws früherer Assistent Hansi Flick dessen Personalpolitik verteidigte ("Der Weg ist in Ordnung"), forderte ZDF-Experte Mertesacker, der Bundestrainer müsse seine Entscheidung zur Ausbootung von Thomas Müller, Jerome Boateng und Mats Hummels hinterfragen. Das Trio wäre zur Rückkehr bereit. "Wie gesagt, keiner von uns ist zurückgetreten", betonte Müller.
Er leide mit der DFB-Auswahl, bekannte der Münchner, generell sei derzeit "sehr viel Negativität" um die Nationalmannschaft herum: "Das tut sicherlich auch weh." Er habe das Gefühl, dass "der deutsche Fußball-Fan sich danach sehnt, dass es wieder gut läuft, dass wieder Schwung drin ist". Und nach einem Trainerwechsel?