Wechselfehler des FC Bayern München: Freiburg muss Nagelsmanns Frage beantworten

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Nach dem 4:1-Sieg des FC Bayern München beim SC Freiburg gab es nur ein Thema: den Wechselfehler der Gäste und die möglichen Konsequenzen. Die Sachlage ist dabei nicht ganz eindeutig, die Reaktionen der Protagonisten lassen jedoch tief blicken. Eine kommentierende Analyse.

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Obwohl es sich beim Duell zwischen dem SC Freiburg und dem FC Bayern München um ein Bundesligaspiel handelte, war der zweite große deutsche Fußball-Wettbewerb gleich in doppelter Hinsicht präsent: der DFB-Pokal.

Anders als der berühmte FC Bayern ist der weniger berühmte SC Freiburg dort überraschenderweise noch vertreten, was dessen Fans den mitgereisten Münchnern nur zu gerne in Erinnerung riefen. "Ohne Bayern, fahr'n wir nach Berlin", schallte es wieder und wieder lautstark durch das erstmals ausverkaufte neue Europa-Park-Stadion. Dafür müsste Freiburg aber noch sein Halbfinale beim Hamburger SV in zweieinhalb Wochen gewinnen.

Später rückte recht unverhofft ein anderes DFB-Pokalspiel schlagartig in den Fokus, und zwar eines zwischen Preußen Münster und dem VfL Wolfsburg im vergangenen August. Wolfsburg gewann damals auf dem Platz mit 3:1, Münster aber am grünen Tisch mit 2:0. Grund dafür war ein Wolfsburger Wechselfehler. 17 Minuten vor Schluss vollzog der damalige Wolfsburg-Trainer Mark van Bommel einen unerlaubten sechsten Wechsel. Münster legte Einspruch ein und bekam Recht.

Freiburg - FC Bayern: Der Hergang des Wechselfehlers

Thema in Freiburg wurde das Spiel, weil es auch hier zu einem Wechselfehler kam, wenn auch anders geartet. Im Zuge eines Doppeltauschs in der 86. Minute spielte der FC Bayern für wenige Sekunden zu zwölft. Die Gäste in Person von Teammanagerin Kathleen Krüger teilten dem vierten Offiziellen Arno Blos Kingsley Comans alte Rückennummer 29 statt der aktuellen 11 mit, weshalb sich dieser beim Blick auf die Anzeigetafel nicht angesprochen fühlte. Der vierte Offizielle merkte seinerseits nicht, dass kein Spieler des FC Bayern den Platz verließ, während mit Marcel Sabitzer ein neuer auf eben jenen lief.

Nach Aufklärung des Missverständnisses und langen Diskussionen ging es mit Schiedsrichterball weiter - und im Anschluss an die Partie selbstverständlich darum, ob der Fehler Konsequenzen haben sollte.

Einige waren sich nach dem Spiel alle Beteiligten darin, dass sie über die exakten Regeln und Bestimmungen zum weiteren Vorgehen nicht so genau Bescheid wussten.

Unabhängig von Paragrafen-Kenntnis bildeten sich zwei emotionale Standpunkte: Während der FC Bayern auf Nichtigkeit plädierte, hielten sich Freiburg und Schiedsrichter Christian Dingert erst einmal zurück. Verständlicherweise.

FC Bayern: Julian Nagelsmann spricht von "fairem Spiel"

"Es passieren Fehler. Aus Sicht beider Mannschaften und des fairen Sports war nichts dabei, was gegen ein faires Spiel spricht", versuchte Trainer Julian Nagelsmann vom FC Bayern zu beschwichtigen, wohlwissend dass der ursprüngliche Fehler aufseiten seines Klubs lag. "Es waren zwei Querbälle im Mittelfeld und keine spielentscheidende Szene", betonte Nagelsmann, deshalb müsse man nicht "die Fairness in Frage stellen".

Damit hatte der Bayern-Coach theoretisch recht: Für das Spiel waren die wenigen Sekunden unerheblich, zumal sein Klub zu diesem Zeitpunkt fünf Minuten vor Spielende mit 3:1 führte und mit acht Minuten anschließend ausreichend lange nachgespielt wurde. Wolfsburgs Vergehen war im Vergleich dazu deutlich Spiel-beeinflussender, weil beim Stand von 1:1 ein zusätzlicher frischer Spieler mitwirkte, insgesamt 17 Minuten lang. In diesem Zeitraum trafen die Wölfe doppelt.

Dass die Bayern auf den "Geist" und nicht auf den "Buchstaben" des Gesetzes pochten, ist nachvollziehbar. Dabei geht es dem Rekordmeister aber nicht nur um die Punkte - die Meisterschaft ist quasi sicher -, sondern auch um eine ungestörte Vorbereitung auf die entscheidenden Wochen in der Champions League.

Wechselfehler: Welche Regeln sind entscheidend

Aber Regeln sind Regeln: Sie gelten für 17 Sekunden beim Stand von 3:1 und bei 17 Minuten beim Stand von 1:1.

Das Problem: Welche Regel letztlich die entscheidende ist, war damals bei Wolfsburg nicht eindeutig und ist es heute auch nicht. Vor allem in Frage kommen Paragraf 17 der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB und Regel 3, Paragraph 7. Bei ersterem droht dem FC Bayern eine Strafverifizierung, bei zweiterem nicht (Details gibt es hier).

Beide Regeln wurden auch im Zuge des Wolfsburger Wechselfehlers im vergangenen August thematisiert. Entschieden wurde letztlich auf Grundlage des Paragrafen 17 der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB. Ex-Schiedsrichter Manuel Gräfe pochte damals bei seinem TV-Auftritt aber beispielsweise auf eine Anwendung von Regel 3, genau wie die Schiedsrichter-Experten von "Collinas Erben" nun beim Freiburger Fall (Die Begründung gibt es hier).

SC Freiburg: Christian Streich macht es sich zu einfach

Bei all den Unklarheiten verwunderte es nicht, dass der Schiedsrichter und die Gastgeber anders als die Vertreter des FC Bayern zunächst wertungsfrei an den DFB verwiesen. "Wir vermerken dies im Spielbericht, alles Weitere wird der DFB entscheiden", sagte Schiedsrichter Dingert, der kurioserweise auch das damalige Spiel zwischen Münster und Wolfsburg geleitet hatte.

Freiburgs Trainer Christian Streich erklärte: "Ich gehe fest davon aus, dass wir keinen Einspruch einlegen sollen und müssen. Ich gehe fest davon aus, dass es ein Regelwerk gibt. Sonst sind Spekulationen Tür und Tor geöffnet. In meinem Verständnis von Gerichtsbarkeit gibt es ein Regelwerk."

Streichs Verständnis von Gerichtsbarkeit entspricht diesbezüglich aber nicht der Realität. Verständlicherweise wollte er die Verantwortung an den DFB schieben. Damit macht er es sich zu einfach, denn tatsächlich gilt in diesem Fall: Wo kein Kläger, da kein Richter. Der Wolfsburger Wechselfehler wurde nur wegen eines offiziellen Einspruchs von Münster behandelt und auch Freiburg müsste für eine Untersuchung bis Montag aktiv Einspruch einlegen.

Heißt: Die Freiburger müssen Nagelsmanns Fairness-Frage beantworten.

Strafe nur bei Einspruch: DFB-Ablauf ist sinnvoll

Dieser Ablauf ist sinnvoll, denn er verhindert Bestrafungen, die keiner will: Er stellt den Sportgeists vor Korinthenkackerei und lässt dem vermeintlich geschädigten Klub zumindest die Möglichkeit, nur dann in Berufung zu gehen, wenn ein Regelbruch - so unumstritten er auch ist - auch tatsächlich Auswirkungen auf das Spielgeschehen hatte. Beim Wolfsburger Wechselfehler war das der Fall, bei dem des FC Bayern dagegen eher nicht.

Das wird auch den Freiburger Verantwortungsträgern bewusst sein. Sollten sie auf einen Einspruch verzichten, dürfte ihr Deutschlandweit ohnehin beliebter Klub weitere Sympathiepunkte gewinnen. Andererseits wäre es kein einfacher Verzicht auf drei mögliche Tabellenpunkte. Freiburg kämpft bekanntlich um die Europapokal-Qualifikation, es geht um Millionen Euro.

Freuen dürfte sich über eine mögliche ausbleibende Freiburger Berufung aber nicht nur der FC Bayern, sondern auch der DFB: Wie schon beim Wechselfehler in Wolfsburg war nämlich auch diesmal das Schiedsrichterteam zumindest mitbeteiligt. Jeder weitere Wirbel würde somit auch dem Verband schaden.

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