Ein Angebot vom FC Bayern München? Das kann man als junger Bub nicht ausschlagen! Das ist doch eine Chance, die nie mehr wieder kommt. Aber das war der Familie Vidovic, nun ja, ziemlich egal. Sohn Gabriel sollte erstmal in Augsburg bleiben, wo er beim FCA im Nachwuchs spielte und eine Partnerschule besuchte. Dort, wo er die Leute kannte und die Wege kurz waren.
"Bevor Gabi 2016 zum FC Bayern gewechselt ist, haben wir schon zwei Anfragen abgelehnt", erzählt seine Mutter Marijana Vidovic im Gespräch mit SPOX und GOAL. "Beim zweiten Mal haben wir Gabi gar nicht gefragt. Wir haben als Eltern entschieden, dass es noch zu früh für ihn ist." Erst später hätten sie ihrem Sohn davon berichtet. Wutausbruch ist keiner übermittelt, er habe es verstanden.
Aller guten Dinge sind ohnehin drei: Im Alter von zwölf Jahren schloss sich Vidovic 2016 doch noch dem Rekordmeister aus der Landeshauptstadt an. Vidovic kam nicht alleine nach München, er war Teil einer kleinen Augsburger Invasion. Gemeinsam mit ihm wechselten auch sein Trainer Alexander Moj sowie die Mitspieler Behar Neziri, Micha Bareis und Lasse Günther zum FC Bayern. Neziri spielt aktuell für die Reserve, Bareis beim FC Memmingen und Günter wieder beim FCA (aktuell nach Regensburg verliehen). Vidovic dagegen ist mittlerweile festes Mitglied der Profimannschaft des FC Bayern.
In der vergangenen Saison sammelte der Offensivallrounder in 30 Regionalligaspielen für die Reserve 31 Scorerpunkte, ehe ihm Trainer Julian Nagelsmann in der Schlussphase der Saison zu seinen ersten drei Bundesligaeinsätzen verhalf. Vidovic gilt als eines der größten Nachwuchstalente des FC Bayern, hat schon einen Profivertrag bis 2025 unterschrieben. Es sind erste Erfolge, für die er als Jugendlicher weite Wege zurücklegen musste.
Gabriel Vidovic pendelt von Augsburg nach München
Zu jedem Training und Spiel etwa 65 Kilometer hin und wieder zurück, um genau zu sein. Nach seinem Wechsel übersiedelte Vidovic nicht ins Internat des FC Bayern, sondern blieb in seinem Elternhaus und pendelte nach München. "Er hatte sehr lange Tage", sagt Marijana Vidovic.
Um sieben in der Früh brach er zur Schule auf, wo ihn ein Elternteil am Nachmittag abholte und hastig nach Hause fuhr. Dort wartete schon der Fahrer des FC Bayern, der ihn zum Training nach München und später wieder heim brachte. Essen gab es aus Tupperboxen. Einmal gesättigt galt die restliche Fahrtzeit dem Lernen. Gegen halb zehn abends war er meistens zurück, gelegentlich mussten dann noch Hausaufgaben komplettiert werden.
Nach der 10. Klasse wechselte Vidovic vom Gymnasium an die FOS, die er vergangenen Sommer nach dem ersten von zwei Jahren unterbrach. Das Abitur könnte er theoretisch noch nachholen, aber erstmal gilt: voller Fokus auf den Fußball! Bis heute wohnt Vidovic in seinem Elternhaus in Augsburg. Seit seinem 18. Geburtstag vor einem halben Jahr hat er immerhin den Führerschein und ist nicht mehr auf die Fahrer des FC Bayern angewiesen.
"Viele Talente werden von ihren Eltern, Freunden, Beratern oder Sponsoren zu früh unter Druck gesetzt", sagt Reserve-Trainer Martin Demichelis zu SPOX und GOAL. "Bei ihm ist das nicht der Fall. Er ist ein sehr bodenständiger junger Mann." Auch Nachwuchs-Chef Jochen Sauer lobt: "Gabi kommt aus einem guten Elternhaus. Er ist gut erzogen und höflich, bringt auch eine gewisse Demut mit." Familiär bedingt ist bei Vidovic neben diesen Charakter-Eigenschaften übrigens auch die Fußball-Leidenschaft.
Gabriel Vidovics Vater und Onkel waren auch Fußballer
Seine Eltern stammen zwar aus dem heutigen Bosnien und Herzegowina, sind aber kroatischer Abstammung. Im Zuge des Jugoslawien-Krieges kamen sie Anfang der 1990er-Jahre separat nach Augsburg, wo sie sich 1995 kennenlernten. Vidovics Vater Zoran hatte zuvor beim kroatischen Zweitligisten NK Spansko Zagreb gespielt, in Deutschland war er im bayerischen Unterhaus für den NK Enikon und den damals eher bedeutungslosen FC Augsburg aktiv. Sein jüngerer Bruder Mladen schaffte es bis in die zweite Schweizer Liga.
Gabriel kam 2003 in Augsburg zur Welt, bald eiferte er Vater und Onkel nach. "Schon im Alter von zwei Jahren hat Gabi nur mit Bällen gespielt. Alle anderen Spielzeuge interessierten ihn nicht. Als Kind und Jugendlicher hatte er keine anderen Hobbys als Fußball", erinnert sich seine Mutter. Lieblingsspieler: Lionel Messi. Lieblingsklub: FC Bayern.
Mit sechs Jahren schloss sich Vidovic dem FC Augsburg an und "wenn kein Training war, hat er mit seinem Papa am Bolzplatz neben unserem Haus trainiert. Die restliche Zeit hat er drinnen gespielt. Ich mag Deko - aber jede neue Vase war nach wenigen Tagen kaputt geschossen."