BVB - Marius Wolf von Borussia Dortmund im Interview: "Es hieß, ich solle lieber eine Ausbildung beginnen"

Marius Wolf
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Auch hier zeigte sich, wie nah Glück und Pech beieinander liegen: Sie wähnten sich schon beim VfL Bochum, ehe Sie in letzter Minute ein Leih-Angebot von Eintracht Frankfurt bekamen und dort im Januar 2017 unterschrieben. In den eineinhalb Jahren am Main gelang Ihnen der Durchbruch in der Bundesliga inklusive des Gewinns des DFB-Pokals 2018. Seitdem sind Ihre damaligen Leistungen der Maßstab an Sie in der öffentlichen Wahrnehmung.

Wolf: So ist es leider, die Zeit in Frankfurt schwebt bei mir immer ein bisschen mit. Es ist irgendwo auch normal, dass das gerade medial weiter befeuert wird, wenn man wie ich solch ein super Jahr gespielt hat.

Würden Sie sagen, es fehlt Ihnen heute etwas, um der Marius Wolf von damals zu sein?

Wolf: Ich verstehe die Versuchung, aber es ist sinnlos, dahingehend Vergleiche zu ziehen. Das sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe. Als ich nach Frankfurt kam, hat im Grunde niemand irgendetwas von mir erwartet. Dann spielst du plötzlich gut, bekommst einen Lauf und es erwartet immer noch keiner etwas von dir. Wenn du ein paar schlechtere Spiele machst, heißt es, das kann eben passieren, der ist ja noch jung. Jetzt ein paar Jahre später mit mehr Erfahrung auf dem Buckel hat man diesen Bonus nicht mehr. Beim BVB ist die Situation daher eine ganz andere.

Marius Wolf nach dem DFB-Pokalsieg 2018 mit Eintracht Frankfurt.
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Marius Wolf nach dem DFB-Pokalsieg 2018 mit Eintracht Frankfurt.

Ist denn der Marius Wolf von heute besser als der aus Frankfurt?

Wolf: Ich bin heute fußballerisch auf jeden Fall besser. Mit 22, 23 konnte ich ja gar nicht so weit sein, das war damals quasi meine erste volle Bundesligasaison. Ich würde sagen, dass ich mich seitdem in vielen einzelnen Bereichen deutlich verbessert habe. Es wäre ja auch tragisch, wenn es diese Entwicklung nicht gegeben hätte und ich immer noch auf dem Stand von 2018 wäre.

Apropos öffentliche Wahrnehmung: Sie "liken" auf Twitter in unregelmäßigen Abständen Beiträge, die eigentlich gegen Sie gerichtet sind und Sie kritisieren. Was steckt dahinter?

Wolf: Ich scrolle dort ab und zu mal durch und lese etwas mit. Ich lasse jedem seine eigene Meinung, damit habe ich kein Problem. Manchmal wird die Kritik ja auch vielleicht kreativ und nicht stumpf vorgetragen, dann gefällt mir das bisweilen auch. Und dann gibt's halt ein Like - auch, weil ich den Gedanken lustig finde, dass dies dann den Urheber etwas irritiert, weil er bestimmt nicht damit rechnet.

Sie waren seit jeher ein schlaksiger Typ. In der Zeit bei der Eintracht begannen Sie mit dem privaten Fitnesstrainer Yannick Obenauer zusammenzuarbeiten. Was gab den Ausschlag, ihn dazu zu holen - vielleicht die Schulter-Verletzung, die Sie das Pokalfinale 2017 verpassen ließ?

Wolf: Das war gewiss mit ein Grund. Ich bekam den Tipp von meinem Berater. Ich habe dann im Sommer auf Urlaub verzichtet und mit Yannick Vollgas gegeben. Ich weiß noch, wie der Arzt nach der OP meinte, dass ich nach zwölf Wochen wieder mit lockerem Laufen beginnen kann. Letztlich habe ich nach zwölf Wochen schon Mannschaftstraining absolviert. Seitdem arbeiten wir zusammen und haben das Training auf den gesamten Körper ausgeweitet. Mir wurden ein wenig die Augen geöffnet, dass das auch bei einem Körpertypen wie mir so fruchten kann.

Wo haben Sie sich überall verbessert?

Wolf: Antritt, Sprungkraft, Oberkörper, Stabilität - eigentlich in allen Bereichen, die wir abdecken. Ich bin schwerer und muskulöser geworden. Am meisten und sehr schnell habe ich das gemerkt, weil ich deutlich stabiler im Zweikampf wurde und nicht mehr so leicht an den schweren Jungs abgeprallt bin. Es war in Frankfurt grundsätzlich sehr wichtig für mich und meine Karriere, in der Hinsicht zu arbeiten und diesen Sprung auch zu machen.

Dabei sagte noch Ihr ehemaliger Trainer bei den Löwen, Ricardo Moniz, einst zu Ihnen: "Du bist ein fauler Drecksack, aber ein super Fußballer."

Wolf: Da wurde ich im ersten Moment auf dem falschen Fuß erwischt und hatte nicht mit so etwas gerechnet. Er hat mich damit echt ins Grübeln gebracht. Abends saß ich daheim und habe darüber nachgedacht. Ich habe es mir dann zu Herzen genommen und fand es auch gut, dass er mir das so deutlich und direkt ins Gesicht sagte. Es hörte sich zunächst nicht so an, aber ich habe das ziemlich schnell als positive Aussage wahrgenommen.

Wenn man sich im Umfeld der Mannschaft des BVB über Sie umhört, werden unter anderem folgende Attribute genannt: sehr beliebt, Arbeitertyp, ist in der Lage, Gruppen zu verbinden. Was denken Sie, was mit Letzterem gemeint sein könnte?

Wolf: Ich bin jemand, der sich mit recht vielen Leuten gut versteht. In der Kabine hatte ich noch nirgends Probleme. Das ist einfach mein Naturell, würde ich sagen. Ich äußere meine Meinung klar und direkt, daher hatte ich auch mit dem Satz von Ricardo Moniz keine Probleme. Und das mögen die Leute, denke ich.

Nach zwei Leihen zu Hertha BSC und dem 1. FC Köln hat Ihr dritter Neuanfang beim BVB nun gefruchtet: Sie sind zwar kein Stammspieler, aber deutlich häufiger als polyvalenter Rollenspieler gefragt als zuvor in Dortmund. Wenn man bedenkt, wie oft Ihre Karriere schon vor einem Knick stand: Haben Sie sich wegen Ihres Talents oder des Trainings in der Bundesliga etabliert?

Wolf: Es muss am Ende eine Mischung aus beidem sein, aber ich gebe gerne zu: Mein Wille ist sicher größer als mein Talent. (lacht) Ich habe durch die unterschiedlichen Erfahrungen, die Aufs und Abs, die ich in meiner bisherigen Laufbahn erlebt habe, auf jeden Fall gelernt, meinen Willen gewinnbringend einzusetzen.

Stimmt es eigentlich, dass Sie sich seit Ihrem16. Lebensjahr auf dem Handy vor jedem Spiel zur Motivation ein Video von Cristiano Ronaldos Toren und Tricks anschauen?

Wolf: Ja. Das habe ich sehr lange gemacht. Mir sind dann aber die Videos ausgegangen, irgendwann nach meinem Abgang aus Frankfurt. Seitdem schaue ich mir andersartige Motivationsvideos an, da kann dann auch mal Kampfsport vorkommen oder Reden, die einen pushen können. Ich brauche das einfach, um vor den Spielen in die richtige Stimmung zu kommen.

Sie besitzen in Dortmund noch einen Vertrag bis 2024. In dieser Saison haben Sie bisher 21 Pflichtspiele absolviert, neun Mal davon standen Sie in der Startelf. Wie blicken Sie in die Zukunft, wollen Sie künftig mehr Spielanteile bekommen?

Wolf: Ich kann mit meiner Spielzeit in dieser Saison nicht unzufrieden sein. Es ist in einem Verein wie dem BVB und auch bei einem Spielertypen wie mir in meinen Augen normal, dass häufiger rotiert wird und man mal mehr und mal weniger spielt. Ich versuche, Gas zu geben, um auf meine Minuten zu kommen. Daran ändert sich nichts, ob ich am Ende zwei oder 90 Minuten spiele. Ich habe es mir abgewöhnt, großartig in die Zukunft zu schauen - auch weil ich bisher nichts von dem vorhersagen konnte, was mir in meiner Karriere alles schon passiert ist.

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