Leonardo Balerdi vom BVB vor Debüt im Signal Iduna Park: Von El Flacos Gnaden

Leonardo Balerdi wechselte im Januar 2019 zum BVB.
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Nur für 17 Spieler hat Borussia Dortmund in seiner bald 110-jährigen Vereinsgeschichte mehr Geld ausgegeben als für Leonardo Balerdi im Januar 2019. Der 20-Jährige, einer von vier gelernten Innenverteidigern im BVB-Kader, ist für die Profis aktuell noch keine Option - für Argentiniens Nationalelf allerdings schon.

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"Es kursieren ja viele Meldungen", sagte Michael Zorc im Januar 2019 am Rande einer Trainingseinheit in Marbella und verschwand wieder. Auch wenn aus Argentinien längst, sogar von offizieller Stelle, herübergeschwappt war, dass sich Leonardo Balerdi Borussia Dortmund anschließen würde, hielt sich der Sportdirektor auf Nachfrage der in Spanien anwesenden Journalisten bedeckt.

Drei Tage später vermeldeten dann auch die Westfalen den Transfer als perfekt, blieben in ihrer Mitteilung aber gewohnt nebulös. "Einen sehr langfristigen Vertrag" habe der Innenverteidiger unterschrieben, hieß es da. Mittlerweile weiß man: Dieser geht bis 2024, 15,5 Millionen Euro hat der BVB für den Youngster an die Boca Juniors aus Buenos Aires überwiesen. Nur 17 Spieler der Dortmunder Vereinshistorie kosteten mehr.

Fast neun Monate später fällt die Zwischenbilanz von Balerdis Zeit in Deutschland so aus: acht Einsätze über jeweils 90 Minuten für die U23 des BVB (ein Tor), vier Kaderplätze bei den Profis (kürzlich gegen Bremen, in der Vorsaison gegen Tottenham, Stuttgart und Düsseldorf), eine Champions-League-Reise nach Prag.

BVB-Manager Zorc: "Balerdi hat einen großen Sprung gemacht"

Eine aktuelle Einschätzung von Trainer Lucien Favre zu Balerdis Perspektiven kam vergangene Woche noch hinzu: "Er trainiert mit uns und braucht Zeit. Ich habe mit ihm darüber gesprochen. Es ist ein wenig anders in Europa als in Argentinien. Das Tempo ist höher. Die Distanz zwischen den Linien ist ganz anders. Er braucht einfach Zeit, aber das ist normal. Es war so geplant."

Was sich für den 20-Jährigen in diesem Sommer änderte, war nicht nur die Tatsache, dass sich mit Sergio Gomez sein bester Freund im Team verabschiedete, sondern er fester Bestandteil des Profikaders wurde. "Balerdi hat einen großen Sprung gemacht", befand Zorc.

Dass dieser offenbar dennoch zu gering ist, um bei den Profis erste Spielminuten zu erhalten, ist einerseits nachvollziehbar. Schließlich müssen neun Monate Umgewöhnungszeit für einen jungen Kerl von einem anderen Kontinent nicht zwingend ausreichend sein. Dafür zeigt Balerdi bei seinen Regionalliga-Einsätzen nachhaltig ansehnliche Ansätze: beidfüßig, aufmerksam in Zweikampf und Passspiel, dazu auch mal auf der Doppelsechs unterwegs.

Balerdi für Favre noch keine denkbare Alternative

Andererseits ist Balerdi einer von nur vier gelernten Innenverteidigern in Favres Kader und für den Schweizer derzeit dennoch keine denkbare Alternative. Zumindest bemerkenswert ist es jedenfalls, dass der BVB in Abdou Diallo und Ömer Toprak zwei zentrale Abwehrspieler ziehen ließ, um nun wie gegen Bremen mit dem gelernten Mittelfeldspieler Julian Weigl auf den Ausfall von Mats Hummels zu reagieren.

"Ich bin nun seit neun Monaten in Deutschland und wurde von meinen Mitspielern sehr gut aufgenommen. Ich arbeite jeden Tag daran, weiter nach vorne zu kommen", sagte Balerdi kürzlich den Ruhr Nachrichten.

In Argentinien gelang ihm noch ein ziemlich plötzlicher Aufschwung. Balerdi, bis zum Alter von 15 Jahren im Mittelfeld eingesetzt, bestritt für Boca lediglich fünf Profispiele. Die konnten sich aber sehen lassen: In den ersten beiden Partien stand die Null, nach seinem zweiten Einsatz wurde er zum "Man of the Match" ausgezeichnet. Insgesamt gewann der 1,91-Meter-Mann 75 Prozent seiner Kopfballduelle und bestach in erster Linie mit Tempo, Spielintelligenz und aggressivem Verteidigungsverhalten.

Großes Lob vom großen Fußball-Weisen Argentiniens

"Leonardo stach mir wirklich ins Auge. Ich habe noch nie einen Spieler wie ihn gesehen", frohlockte mit Cesar Luis "El Flaco" (Der Dürre, Anm. d. Red.) Menotti, aktuell Direktor der argentinischen Nationalmannschaften, ausgerechnet der große Fußball-Weise der Gauchos.

Bereits im März 2018 feierte Balerdi sein Debüt für die argentinische U20-Nationalelf, für die er im letzten Januar unmittelbar nach seinem Wechsel zum BVB auch bei der Südamerikameisterschaft spielte, ehe ihn eine Verletzung im Mundbereich stoppte. Und vor vier Wochen im September, nach sieben Einsätzen für die U20, folgte überraschend die Nominierung für den 27er-Kader der A-Nationalelf.

Deren Coach Lionel Scaloni wechselte Balerdi im Testspiel gegen Mexiko prompt für sieben Minuten ein. Nun steht Balerdi erneut im A-Kader und muss nicht einmal weit reisen: Argentinien trifft am Mittwoch im Dortmunder Signal Iduna Park auf Deutschland (20.45 Uhr im LIVETICKER).

Balerdi vor Debüt im Signal Iduna Park - aber nicht mit dem BVB

Käme Balerdi dort ein weiteres Mal zum Einsatz, wäre dies nicht nur eine tolle Geste von Scaloni, sondern für die Borussia auch eine skurrile Nummer: Dann nämlich wäre Balerdi erstmals als Gast mit der heimischen Auswahl und nicht mit dem BVB in "seinem" Vereinsstadion aufgelaufen. Das Vertrauen in ihn, bei Scaloni scheint es für den Moment etwas größer zu sein als bei Favre.

"Wenn ich hier in Dortmund das Trikot der Nationalmannschaft anziehen könnte, vor diesem Publikum, das wäre natürlich etwas ganz Besonderes", sagt Balerdi. Es wäre der nächste große Schritt in seiner Entwicklung. Vielleicht reicht es dann auch bald für einen ersten Auftritt im schwarzgelben Dress - in welchem Stadion, das dürfte dem 20-Jährigen vorerst egal sein.

BVB: Leonardo Balerdi im Steckbrief

geboren26. Januar 1999 in Villa Mercedes (Argentinien)
Größe1,91 m
Gewicht85 kg
PositionInnenverteidigung, defensives Mittelfeld
starker Fußrechts
StationenSportivo Pueyrredon (2005-2013), Boca Juniors (2013-19), BVB (seit 2019)
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