Fredy Bickel reflektiert über Ex-Klub SK Rapid: "Für den Verein ist dieses Verhalten pures Gift"

Ex-Rapid-Geschäftsführer Fredy Bickel
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Der SK Rapid befindet sich im Umbruch. Erneut. Fredy Bickel kennt die Dynamiken einer Rapid-Krise, über drei Jahre befand er sich selbst im Auge des Sturms. Bei SPOX teilt er seine Gedanken über das Ausscheiden gegen Vaduz, die Liste um Steffen Hofmann und den Einfluss der aktiven Fanszene.

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Über drei Spielzeiten leitete Fredy Bickel die Geschicke des SK Rapid als Geschäftsführer Sport. Nach dem verpassten Einzug in die Meistergruppe im Frühjahr 2019 gab der Schweizer seinen Rücktritt bekannt und machte den Weg für Nachfolger Zoran Barisic frei.

Der 57-Jährige, der nach einem Engagement bei Grasshoppers in seiner Heimat wieder auf Vereinssuche ist, kennt das Klima in Hütteldorf, wenn Erfolge ausbleiben. Am Rande eines Hintergrundgesprächs erklärte sich Bickel bereit, mit SPOX seine Einschätzungen zu Rapids Europacup-Aus gegen den FC Vaduz und dem daraus resultierenden Beben auf Führungsebene zu teilen.

Ihr Abschied aus Hütteldorf ist nun über drei Jahre her. Wie geht es Ihnen, Herr Bickel?

Fredy Bickel: Ich hätte gerne wieder einen Verein. Aktuell bin ich journalistisch tätig und arbeite als Experte bei Blue TV, das ist das Pendant zu Sky in der Schweiz. Ich wohne in einem Vorort von Zürich, wo ich auch aufgewachsen bin. Es gab Gespräche über eine Rückkehr in den Fußball, bis jetzt hat es nicht richtig geklappt. Ich hatte auch mit drei Vereinen in Österreich Kontakt, habe aber auch auf Grund meiner Verbundenheit zu Rapid abgesagt.

Sie haben Rapids Aus gegen Vaduz vor dem Rückspiel als "unvorstellbar" bezeichnet. Dann ist es passiert. Wie fiel ihre Reaktion aus?

Bickel: Ich war beim Spiel in Vaduz vor Ort, konnte mit beiden Mannschaften vor dem Rückspiel sprechen. Rein von der individuellen Klasse und dem Tempo her kann es wirklich nicht sein, dass Rapid gegen Vaduz ausscheidet, das ist einfach so. Ich hatte vor dem Rückspiel schon gewisse Zweifel. Ich habe gespürt, dass die Wiener nicht wissen, dass es eine gewisse Gefahr gibt. Drei Spieler von Vaduz haben sich vor dem Spiel bei mir gemeldet und gesagt: 'Wir glauben daran.' Ich habe ihnen geantwortet: 'Wenn die Mannschaft, ihr alle wirklich daran glaubt, könnt ihr das Unmögliche möglich machen.' Die ersten 15 bis 20 Minuten kann man Rapid keinen Vorwurf machen. Sie haben alles versucht, aber es wollte ihnen kein Tor gelingen. So haben sie begonnen, zu hadern. Als Vaduz das 1:0 geschossen hat, wurde Rapid von Minute zu Minute nervöser und unsicherer. Vaduz hat dadurch eine zweite Luft gekriegt und hat es über beide Spiele verdient heruntergespielt.

Bickel: "Ich dachte: 'Ihr habt die Warnzeichen nicht erkannt'"

Sie wissen, was es bedeutet, bei Rapid eine weniger erfolgreiche Phase zu haben. Fühlen Sie da mit?

Bickel: Ich stehe vier, fünf Vaduz-Spielern sehr nahe und habe mich für sie auch gefreut. Aber ich bin noch immer Rapidler und Mitglied und habe mitgelitten. Dass so viel dann im Verein passieren wird und es so heftig wird, war mir nicht klar. Ich habe versucht Zoki (Barisic, Anm.) viel Kraft zu wünschen, habe ihn aber leider nicht erreicht und die guten Wünsche bei Pressesprecher Peter Klinglmüller hinterlegt. Auf der anderen Seite habe ich mir gedacht: selber Schuld. Ihr habt die Warnzeichen nicht erkannt. Ich war hin- und hergerissen.

Ein ehemaliger Rapid-Akteur hat gesagt: Bei einem Sieg spürt man keine Freude, sondern nur Erleichterung.

Bickel: Ich kann diese Aussage nachvollziehen. Aber ich denke, Rapid hat die Aufgabe auch unterschätzt. Ein Spieler hat mir nach dem Hinspiel gesagt: Rapid kann nicht noch einmal so schlecht spielen und Vaduz so sehr über sich hinauswachsen. Fokussiert aber doch auf genau diesen Gedanken ging Rapid in das Spiel. Es hat nicht so gewirkt, als hätte man sich vorher ein Szenario ausgemalt, in dem man via Konter in Rückstand gerät. Als das passiert ist, wirkte Rapid wie gelähmt und wusste keine Antwort mehr.

Präsident Martin Bruckner und Geschäftsführer Christoph Peschek traten nach dem Spiel zurück, Steffen Hofmann will den Klub retten. Was halten Sie von der Idee?

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Bickel: Ich bin mittlerweile ein Außenstehender, auch wenn ich noch Kontakte nach Wien pflege. Steffen Hofmann war immer ein Glück für den Verein. Ich weiß aber nicht, was er sich antut, wenn er sich da jetzt zu weit hinauslehnt. Da habe ich ehrlicherweise gewisse Befürchtungen für ihn und Rapid. Die Rücktritte waren für mich sehr überraschend, das hätte ich nie so erwartet. Ich weiß aber auch, wie schwierig Rapid wirklich ist. Mir liegt der Verein sehr am Herzen, ich habe unglaublich gerne in Wien gelebt, liebe diese Stadt.

Aber?

Aber wenn man nicht mit dem Strom geschwommen ist und sich irgendeiner Gruppierung im Verein angeschlossen hat, stand man sehr alleine da. Ich habe mich oft sehr alleine gefühlt. Rapid wird immer als Familie dargestellt, was zum Teil auch stimmt, aber es gibt sehr viele Menschen in wichtigen Positionen, die ihren Garten als den wichtigsten ansehen. Das habe ich schon damals bemängelt. Du kannst nicht erwarten, ein Team auf dem Platz zu haben, wenn man rundherum keine zusammengeschweißte Truppe besitzt. Ich spürte nie, dass die Rapid-Familie eine wirkliche Einheit war. Neben großen Emotionen im Klub stehen auch noch viele Persönlichkeiten da, denen das eigene Ich am nächsten ist und die sich immer auf die im Moment stärkste Seite stellen. Dies hilft einem selber, man steht so auch nicht plötzlich alleine da. Aber für den Verein ist ein solches Verhalten pures Gift.

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