SPOX: Wenn einem Guardiolas Fußball in den Sinn kommt, denken viele Fans an Mannschaften mit viel Ballbesitz, die sich auskontern lassen.
Lederer: Das ist in einigen großen Spielen passiert. Auf der anderen Seite muss man sehen, wie viele Titel er damit gewonnen hat. Auch Guardiola hat kein Rezept, das seine Mannschaften unschlagbar macht. Es gibt immer ein Gegenmittel. Dennoch denke ich, dass man mit dieser Idee die Spieler am meisten begeistern kann. Außerdem spricht Guardiolas Punktequote für sich.
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SPOX: Informieren Sie sich eigentlich auch auf Taktik-Portalen über den Stand der Dinge?
Lederer: Ja. So etwas gehört zum heutigen Fußball dazu. Beim deutschen Vorreiter Spielverlagerung.de finden sich viele, interessante Sichtweisen. Man muss nicht alles gut finden, aber dort sind zweifellos Leute aktiv, die über Fußball Bescheid wissen. Ich möchte hier beispielsweise den Autor Rene Maric (U19-Co-Trainer bei RB Salzburg, Anm.) nennen. Manche mögen ihn als Taktik-Nerd bezeichnen, aber Gespräche mit ihm sind horizonterweiternd. Freilich ist einiges davon rein theoretisch. Das liegt in der Natur der Sache. Als Trainer muss man einfach versuchen, aus den vielen Informationen, die man sammelt, das Wichtigste für die Spieler herauszufiltern.
SPOX: Muss ein Coach also wissen, wie er das Taktik-Kauderwelsch in die Fußballer-Sprache übersetzt?
Lederer: Am Ende des Tages muss man unterscheiden, wer sich miteinander unterhält. Auf einem Trainerkongress verwende ich ein anderes Vokabular als im Training mit meiner Mannschaft. Ich gebe Walter Schachner Recht, wenn er sagt, dass es völlig egal ist, ob man Doppelsechs oder defensive Mittelfeldspieler sagt. Die Spieler am Platz müssen dich verstehen. Dennoch denke ich, dass beide Generationen aufpassen müssen, sich gegenseitig zu respektieren. Junge Trainer können von den Erfahrungen, die Trainer wie Schachner gesammelt haben, profitieren. Andererseits können die erfahrenen Coaches von dieser Informationsflut lernen, die momentan auf den Fußball prasselt. Der gegenseitige Austausch ist wichtig.
SPOX: Sie haben Schachners Aussagen vorgegriffen. Können Sie seine Kritik an der neumodischen Fußball-Sprache verstehen?
Lederer: Ich habe schon Verständnis. Genau das gleiche Gespräch habe ich mit Alfred Tatar geführt, der mit Begriffen wie Vertikalspiel oder Gegenpressing auf Kriegsfuß steht. Natürlich würde sich der österreichische Markt eigene Begrifflichkeiten verdienen. Stattdessen werden wir mit Wörtern aus Deutschland überschwemmt. Ich sehe darin aber kein Problem, weil es am Ende des Tages um die Spieler geht. Sie müssen den Trainer verstehen. Schachner hat mit seinen Erfolgen in der Vergangenheit bewiesen, dass ihn seine Spieler verstanden haben. Auf der anderen Seite gibt es in Österreich auch viele Trainer, die mit dem Laptop auf der Betreuerbank sitzen und ebenfalls erfolgreich sind.
SPOX: Der Laptop ist ein gutes Stichwort. Schachner kritisierte nämlich zudem die großen Trainerteams, die heutzutage bei Spitzenklubs oder auch dem österreichischen Nationalteam üblich sind. Können Sie das nachvollziehen?
Lederer: Da bin ich anderer Meinung. Mit der Admira hatte ich zu Saisonbeginn das Vergnügen, Europa League zu spielen. Mein damaliges Trainerteam bestand aus einem Co-Trainer und einem Torwarttrainer. Zwischen den Partien am Donnerstag und der Meisterschaft am Sonntag lagen drei Tage. In diesem Zeitraum soll man per Video-Analyse die Nachbereitung des vorherigen und die Vorbereitung auf das nächste Spiel machen. Um einen Gegner zu analysieren, muss man mehrere Partien dieser Mannschaft sehen und einzelne Szenen zusammenschneiden. Dazu kommt die taktische Vorbereitung am Platz und das Auswerten bzw. Interpretieren aller statistischen Daten. In dieser Phase sind wir an unsere Grenzen gestoßen. Daher kann ich absolut verstehen, dass die Trainerstäbe bei Top-Teams immer größer werden.
SPOX: Für Sie macht diese Handhabung also Sinn?
Lederer: Natürlich! Ein Merkmal großer Trainer ist es, Verantwortung abzugeben und sich Leute ins Team zu holen, die sich in Teilbereichen mehr Wissen angeeignet haben. Manche Video-Analytiker beschäftigen sich schon jahrelang mit diesem Thema. Ich brauche für eine Video-Analyse manchmal drei Stunden, Stefan Oesen (Ex-Video-Analytiker bei Rapid, Anm.) hat das in 20 Minuten erledigt. Da wäre man ja ein Depp, wenn man sich solche Experten nicht ins Boot holt.
SPOX: Hat man 2004, als Schachner mit dem GAK österreichischer Meister wurde, überhaupt schon mit Video-Analysen gearbeitet?
Lederer: Ja, aber in einer ganz anderen Form. Es ist unfassbar, was sich in den Bereichen Videoanalyse und Monitoring getan hat. Auch die Fülle an Statistiken muss man erst einmal filtern. Der Kopf des Trainers kann ruhig voll mit Informationen sein. Die Frage ist, was man an die Mannschaft weitergibt. Ich sehe mich als Dienstleister für die Spieler. It's a player's game!
Steckbrief von Oliver Lederer