Außerdem: Warum man den Ball niemals fallen lassen sollte, in welcher Hinsicht Lamar Jackson sogar Tom Brady in den Schatten stellt - und wo ein Quarterback-Tausch so überhaupt nicht aufging. Alles Wichtige zum Spieltag.
NFL, Week 9 - Erkenntnis: Die Detroit Lions erreichen den Super Bowl
Es gibt Coaches, für die würde man ohne zu zögern mit dem Kopf durch die Wand rennen. Dan Campbell ist so einer. Ein Berg von einem Mann, fast zwei Meter groß und gefühlt eineinhalb Meter breit, mit rauer Reibeisenstimme und dem Charisma eines Predigers . Ein "Football Guy", wie er im Buche steht, mit zehn Jahren Erfahrung NFL als Spieler und mittlerweile über 14 Jahren Erfahrung als Coach in diversen Rollen. Wenn ein Dan Campbell dir in der Kabine zuruft: "Wir sind dafür geschaffen. Wir können überall spielen, ob im Schnee, im Regen oder im Schlamm. So sind wir einfach. Wir sind für Siege geschaffen!", - dann glaubst du daran.
Die Detroit Lions glauben längst daran. Letzte Saison fehlte ein Schritt zum Super Bowl, dieses Jahr ist man gefühlt einen Schritt weiter - mindestens. Wie unerschütterlich der Glaube an die eigene Stärke ist, zeigte Wide Receiver Amon-Ra St. Brown, der beim Division-Rivalen im legendären Lambeau Field mit einem Hoodie auftauchte, auf dem die Worte "Greenbay sucks" aufgedruckt waren. Erklären kann man das eigentlich nur durch Genie oder Wahnsinn, auf jeden Fall aber durch die Überzeugung "Ihr habt keine Chance gegen uns." So war es dann auch: Kälte, Wind und Regen machten den Gästen nichts aus, nach drei Vierteln stand es 24:6 für die Lions. Amon-Ra St. Brown hatte zu diesem Zeitpunkt in seinem sechsten Spiel in Folge einen Touchdown gefangen - und die letzten 30 Pässe (!) in seine Richtung.
"Wir wissen, dass wir Killer sind, Mann", tönte Cornerback Amik Robertson. "Killer erledigen ihr Opfer. Das tun wir auch. Wir müssen sie einfach weiter auftürmen." Sieben waren es in den ersten acht Spielen, der beste Saisonstart der Lions seit 1956. Nur einmal verlor man knapp gegen die Tampa Bay Buccaneers (16:20 in Week 2).
Die Vikings (6-2) und Packers (6-3) sind in der NFC North noch in Schlagdistanz, aber in Detroit hat man größere Ziele. Vor den Gegnern in der eigenen Division muss man sich nicht fürchten, und auch darüber hinaus sieht der Spielplan freundlich aus: Keine Ravens, keine Chiefs, keine Commanders ... der schwerste Gegner könnten die Buffalo Bills sein, die in der Woche vor Weihnachten in die Motor City reisen. Die Lions sind aktuell eindeutig das beste Team der NFC und haben beste Chancen auf den Top-Seed. Dann würde man bis zum Super Bowl nur in eigener Halle spielen. Wobei: Regen, Schnee und Schlamm wären für Campbell auch kein Problem ...
NFL, Week 9 - Erkenntnis: Die Dallas Cowboys können einpacken
Dallas verpasst die Playoffs, danach kommt das Chaos. So lautete die Vorhersage des Kollegen Eckner unter der Woche. Wer das Spiel in Atlanta gesehen hat, muss zu dem Schluss kommen: Vielleicht geht es auch noch etwas schneller. Schließlich war nicht nur das 21:27 gegen die Falcons ernüchternd, sondern vor allem die Art und Weise. Vier Drives scheiterten bei Fourth Down, so viele wie seit über 30 Jahren nicht mehr, drei davon auf absolut stümperhafte Weise. Und was ist eigentlich hier passiert?
Die personelle Situation wird immer prekärer: Mit Superstar Micah Parsons und Cornerback DaRon Bland fehlen zwei defensive Stützen weiterhin, Receiver Brandin Cooks ist auch noch nicht zurück, und nun hat es auch noch Dak Prescott am Oberschenkel erwischt. Sollte der Quarterback ausfallen, kann man in Dallas gute Nacht sagen. Running Back Ezekiel Elliott scheint auch schon keinen Bock mehr zu haben, er flog gegen die Falcons komplett aus dem Kader.
Kein Running Game, ein fehlerhafter QB, eine der schlechtesten Defensivreihen in der NFL. Mit 3-5 sind die Cowboys aktuell das viertschlechteste Team der NFC, die nächsten Gegner lauten Philadelphia (6-2), Houston (6-3) und Washington (7-2). Es wäre mittelfristig die wohl vernünftigste Lösung, vor der Trade Deadline am Dienstag noch ein paar Spieler abzugeben und den Kader in Vorbereitung auf Dak Prescotts 60-Millionen-Dollar-Vertrag etwas zu entschlacken. Stattdessen kündigte Besitzer Jerry Jones an, Jagd auf Verstärkungen zu machen: "Ich bin immer noch all-in. Aktuell sieht es ziemlich düster aus, aber ich habe es schon erlebt, wie sich das noch gedreht hat."
Die Hoffnung sei ihm unbenommen, zumindest bis zu Prescotts Diagnose. Vor diesen Cowboys fürchtet sich aber so oder so aktuell niemand mehr.
NFL, Week 9 - Play der Woche: Saquon Barkley
Wie oft sieht man in der NFL einen Spielzug, den es in der Form noch nie gegeben hat? Wie oft sind Fans, Coaches, Mit- und Gegenspieler gleichermaßen überwältigt? Auf diesen 14-Yard-Catch von Saquon Barkley trifft das alles zu. Erst ließ er an der Seitenlinie den ersten Gegenspieler mit einem Haken aussteigen, dann narrte er den zweiten wenig später mit einem Spin Move - und hüpfte, vom eigenen Momentum weiter gedreht, auch noch rückwärts über Cornerback Jarrion Jones. Einen Verteidiger als Hürde zu missbrauchen, das sieht man immer wieder. Aber rückwärts? RÜCKWÄRTS?
Was soll man dazu noch sagen? "Manchmal muss man einfach alles vergessen und Gott und die eigenen Instinkte ans Ruder lassen", versuchte sich Barkley selbst an einer Erklärung. Sein Head Coach Nick Sirianni meinte, er sei "der Einzige auf der Welt, der das kann." Damit könnte er Recht haben: Barkleys Aktion könnte einen ähnlichen Platz in der NFL-Geschichte einnehmen wie Odell Beckham Juniors einhändiger Catch vor zehn Jahren. Ein echtes "Man muss es einfach gesehen haben"-Play. Früher hätte man davon Minnesänger tirilieren und Wandteppiche weben lassen.
Platz zwei geht in dieser Kategorie an Drake Mayes Last-Second-Touchdown gegen die Tennessee Titans. Hätten die Pats das Spiel am Ende gewonnen, man hätte Mayes Heldentat als "Da war er endgültig in der NFL angekommen"-Moment verklären können. Mit seiner Overtime-Interception wird das nun etwas schwieriger, aber ein echtes Highlight war es dennoch. Maye war in der Pocket genau 11,82 Sekunden unterwegs, der zweitlängste Aufenthalt vor einem Touchdown-Pass seit 2016. Länger war nur die Hail Mary von Jayden Daniels genau sieben Tage zuvor.
NFL, Week 9 - Erkenntnis: Festhalten, den Ball!
Malachi Corley ist 22 Jahre alt, Wide Receiver von Beruf und steht den Diensten der New York Jets. Das Game Log des Rookies (65. Pick) weist aus seinen ersten vier Spielen gerade mal einen Catch für vier Yards auf. Man kann es also verstehen, dass die Aufregung groß war, als er gegen die Texans den Ball bekam und aus 19 Yards praktisch unbedrängt in die Endzone sprinten durfte. Unverzeihlich ist jedoch das Fallenlassen des Balls vor der Endzone. So geschehen im Thursday Night Game. Aus einem Touchdown wurde ein Touchback, und hätten die Jets das Spiel nicht doch noch mit 21:13 gewonnen, die Szene stünde sinnbildlich für eine von vorn bis hinten verkorkste Saison.
Weil am Ende alles gut ging, konnte Aaron Rodgers im Nachhinein ein paar Witze reißen - "Ich habe gesagt, wir müssen 28 Punkte machen. Heute zähle ich 28" -, aber die Frage bleibt: Wie kann das in regelmäßigen Abständen immer wieder passieren? Der berühmteste NFL-Fall ist DeSean Jackson, aber auch auf dem College sieht man dergleichen viel zu oft. "Man versucht den Ball in den eigenen Armen zu zerquetschen, bis man definitiv in der Endzone ist", schimpfte Head Coach Jeff Ulbrich. "Außerdem wäre es sein erster Touchdown in der NFL gewesen, also hätte er den Ball sowieso behalten sollen."
Für mich ähnlich unentschuldbar wie im Fußball nicht auf den freien Mann querzulegen oder beim Basketball einen freien Tempogegenstoß zu verbaseln. Kann man das den Spielern nicht im Training unter Androhung drakonischer Strafen abgewöhnen? Offensichtlich nicht.
Zumindest ein Spieler hatte am Sonntag offenbar die Corley-Szene noch im Kopf: Als Safety Kamren Kinchens von den Los Angeles Rams - ebenfalls ein Rookie! - den Pick Six über 103 Yards zurückgetragen hatte, ließ er den Ball ebenfalls fallen, kaum dass er die Endzone der Seahawks erreicht hatte. Eine halbe Sekunde später schnappte er sich das Ei dann noch einmal, um auf Nummer sicher zu gehen ...
NFL, Week 9: Weitere Gewinner
Lamar Jackson (Baltimore Ravens)
Es gibt so einige Aspiranten auf den MVP-Award bislang. Josh Allen führt die Bills von Sieg zu Sieg, Jared Goff bringt seit Wochen über 80 Prozent seiner Pässe an den Mann - und Patrick Mahomes ist mit den Chiefs bekanntlich noch ungeschlagen. Aber ein Lamar Jackson in dieser Form wird nur sehr schwer zu entthronen sein. Gerade mal vier Yards holte er beim 41:10 über die Broncos im Laufspiel, aber dafür war er als Passer sprichwörtlich perfekt: 16/19 für 280 Yards und drei Touchdowns und das höchstmögliche Passer Rating von 158,3. Diesen Wert erreichte er zum vierten Mal in seiner Karriere, das ist NFL-Rekord. Selbst NFL-Legenden wie Tom Brady, Peyton Manning oder Kurt Warner gelang dieses Kunststück nur dreimal.
Tyler Bass (Buffalo Bills)
Der Bills-Kicker musste sich angesichts schwankender Leistungen zuletzt Sorgen um seinen Job machen, mit Lucas Havrisik testete Buffalo zeitweise einen neuen Kicker im Practice Squad. 2/5 bei Kicks zwischen 40 und 49 Yards, mehrere vergebene PATs - das ist in der heutigen NFL eigentlich nicht tragbar. "In diesem Business kommt es auf das Ergebnis an. Er weiß, dass er diese Kicks verwandeln muss", hatte ihm General Manager Brandon Beane die Pistole auf die Brust gesetzt. Bass lieferte: Aus 61 Yards traf er gegen die Dolphins nicht nur zum Sieg, sondern auch zum Franchise-Rekord. Anschließend wurde es emotional.
Nick Sirianni (Philadelphia Eagles)
Der Head Coach aus Philly ist allein deshalb ein Gewinner, weil ihn sein Linebacker Nakobe Dean mit einer Interception kurz vor Schluss vor einem üblen Kollaps bewahrte. Sonst hätte es viele unangenehme Fragen gegeben. Fast hätten die Eagles einen 22:0-Vorsprung noch verspielt, auch weil Sirianni durch zu aggressives Coaching Punkte liegen ließ: Zweimal spielte er ein Fourth Down aus, statt auf machbare Field Goals zu gehen. Zweimal sagte er eine Two-Point-Conversion an, die beide Mal scheiterte. Klar, man kann Coaches nicht einerseits als zu konservativ kritisieren und andererseits aufs Korn nehmen, wenn der aggressive Analytics-Ansatz mal fehlschlägt. Bei Sirianni stimmt das Verhältnis aber nicht - und das nicht nur am Sonntag, sondern schon eine ganze Weile. Die aufkommende Panik im Lincoln Financial Field machte deutlich: Großes Zutrauen in ihren Head Coach haben die Eagles-Fans gerade nicht.
NFL, Week 9: Weitere Verlierer
Las Vegas Raiders
Fünf Niederlagen in Folge, die Raiders kommen einfach nicht in Tritt. Egal ob Gardner Minshew oder einer seiner Backups, die Offenses geht im Laufe der Spiele regelmäßig ein. 280 Yards Raumgewinn pro Spiel, nur drei Teams sind noch schlechter. Nach dem 24:41 gegen Cincinnati war das Maß voll: Nicht nur der Offensive Coordinator musste gehen, sondern auch der Quarterbacks- und Offensive-Line-Coach. Nach der Bye Week geht es gegen Miami. Sind zwei Wochen ausreichend, um etwas grundlegend Neues einzustudieren?
Cleveland Browns
So gut es letzte Woche beim Sieg über die Ravens lief, so schlecht waren die Browns diesmal. Kein Running Game, drei Interceptions von Jameis Winston, ein geblocktes Field Goal, defensive Aussetzer wie bei Cornerback Denzel Ward gegen Quentin Johnson und dessen 66-Yard-Score. Mit Winston als Quarterback ist das im besten Fall erreichbare Niveau zwar höher - aber die schlechten Tage sind so schlecht wie eh und je.
New Orleans Saints
Aus 2-0 mach 2-7. Der gute Saisonstart der Saints ist nur noch eine schöne Erinnerung. Das Team ist von Verletzungen gebeutelt, die Stimmung ist im Keller. Gegen die Panthers zu verlieren, ist dann sowas wie ein neuer Tiefpunkt. Wide Receiver Chris Olave zog sich eine schwere Gehirnerschütterung zu, sein Bruder Josh ätzte auf X über das Team. Ob es das Risiko wert sei? "In New Orleans nicht, das kann ich dir sagen."
PS: Die Saints hatten über 150 Yards mehr Raumgewinn, 150 Rushing Yards und weniger Turnover als der Gegner. In den letzten 20 Jahren waren Teams mit diesen Stats unbesiegt (275-0). Bis jetzt.
Joe Flacco (Indianapolis Colts)
Kaum zum Starting Quarterback der Colts aufgestiegen, legte Flacco mit seiner Offense bei den Vikings im Sunday Night Game ein richtiges Ei. Kein einziger Offensiv-Touchdown, das hätte Anthony Richardson auch geschafft. Statt den Youngster weiter zu entwickeln, hat man ihn aber erst einmal abgesägt. Das könnte sich noch rächen ...
NFL, Week 9: Statistiken der Woche
- Daniel Jones von den New York Giants gelang sein erster Passing Touchdown im MetLife Stadium seit Week 17 in der Saison 2022 - oder anders gesagt: seit 672 Tagen. Zur Halbzeit stand er übrigens bei dem einen TD, aber genau null Passing Yards (vier Completions).
- Bei Joe Burrow läuft es etwas besser: Der Bengals-QB warf gegen die Raiders fünf Passing Touchdowns. Das gelang ihm schon zum zweiten Mal in dieser Saison, damit steht er unter den Quarterbacks allein da.
- Jordan Love von den Green Bay Packers hat in seinen letzten sieben Starts immer mindestens eine Interception geworfen.
- Derrick Henry führt die Liga in folgenden Kategorien an: Rushing Attempts (161), Rushing Yards (1.021), Touchdowns (11) und Yards pro Rush (6,3). Dieses Kunststück gelang zuletzt - Achtung - Jim Brown 1963.
NFL: Week 9 im Überblick
Heim | Auswärts | Ergebnis |
New York Jets | Houston Texans | 21:13 |
Atlanta Falcons | Dallas Cowboys | 27:21 |
Baltimore Ravens | Denver Broncos | 41:10 |
Buffalo Bills | Miami Dolphins | 30:27 |
Carolina Panthers | New Orleans Saints | 23:22 |
Cincinnati Bengals | Las Vegas Raiders | 38:17 |
Cleveland Browns | Los Angeles Chargers | 10:27 |
New York Giants | Washington Commanders | 22:27 |
Tennessee Titans | New England Patriots | 17:17 |
Arizona Cardinals | Chicago Bears | 29:9 |
Philadelphia Eagles | Jacksonville Jaguars | 28:23 |
Green Bay Packers | Detroit Lions | 14:24 |
Seattle Seahawks | Los Angeles Rams | 20:26 |
Minnesota Vikings | Indianapolis Colts | 21:13 |
Kansas City Chiefs | Tampa Bay Buccaneers | -:- |