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NFL - Marcel Reif im Interview über seine Football-Leidenschaft: "Da bin ich süchtig geworden"

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Wenn man sich anschaut, wie viele Karten für das NFL-Spiel in München in diesem Jahr hätten verkauft werden können, hat das fast schon Super-Bowl-Dimensionen für Deutschland. Haben Sie ein Ticket bekommen?

Reif: Bis jetzt nicht, aber ich gebe zu, dass ich alle Sauereien versuche, die mir nur einfallen, um noch eines zu ergattern. Wenn ich das schaffen sollte, wäre ich der King in meiner kleinen Community.

Wie erklären Sie sich aus Ihrer Erfahrung den unglaublichen Hype, der in Deutschland entstanden ist?

Reif: Mit dem Hype ist es ja immer so eine Sache. Bei der Frauen-EM haben wir es jetzt auch wieder erlebt. Der Männer-Fußball hatte Pause, es war eine Bereitschaft da, sich auf etwas anderes einzulassen, es war von nationalem Interesse - und schon entsteht eine Art Wellenreiter-Hype. Da wurde sich jetzt ausgetobt, manches aber wird auch schnell wieder in sich zusammenfallen. Bei der NFL ist es nachhaltiger, weil man einen Nerv trifft. Das geht mit dem amerikanischen Lifestyle los. Das hat auch mit dem Wettbewerb in der Liga zu tun. Wenn die Patriots nochmal Champion geworden wären, hätte sich die NFL etwas einfallen lassen, um das jetzt endlich zu verhindern, weil es komplett dem System widerspricht. Meine Söhne begeistern sich nicht für Hoffenheim gegen Augsburg, das machen die nicht mehr mit, und deren Kinder irgendwann schon zweimal nicht. Sie können noch so gute Ideen haben, wenn sie nicht eine bestimmte Klientel bedienen, können sie es vergessen. Und diese Klientel bin nicht ich, das sind auch nicht Sie, das sind die Jungen. Die NFL ist ein fantastisches Produkt. Wenn es mir zu viel wird mit dem Drumherum vorher, weiß ich ja, wann Kickoff ist und schalte dann erst ein, aber die NFL ist natürlich auch das große Vorbild für den Fußball.

Inwiefern?

Reif: Es gibt die NFL und dann gibt es auch noch die Cologne Crocodiles dieser Welt. Und das ist gar nicht abwertend gemeint. Das hat ja was Familiäres, was seine Daseinsberechtigung nicht verliert. Aber es ergibt keinen Sinn, wenn sich die Crocodiles mit den Buccaneers der NFL auf einem Parkett bewegen sollten und genauso wenig Sinn ergibt es, wenn Mainz 05 sich mit den Bayern messen muss. Jede Sportart muss heute spektakulär sein. Wenn 1860 gegen Unterhaching spielt, ist das lokal auch heute noch ein Spektakel, aber wenn die Löwen gegen Dortmund sich abschießen lassen müssen, braucht das niemand - außer einmal im Jahr im Pokal. Und für die Bayern ist es auch nicht lustig, wenn sie sich durch die Steppe quälen müssen. Wenn du in der Bundesliga Vierter bist und dich nicht ganz dumm anstellst, spült dir das 70 Millionen in die Kasse, die der Fünfte nicht hat. Mit diesen 70 Millionen festigst du den vierten Platz, ein Jahr später sind es 140 Millionen, die der Fünfte nicht hat. Und so geht es immer weiter. Über Jahrzehnte. Weil Geld natürlich doch Tore schießt und selbst wenn du mal Fehler machst, kannst du diese ganz einfach wieder ausbügeln finanziell.

Im Endeffekt heißt das, dass die Super League kommen und Bayern raus aus der Bundesliga muss.

Reif: Ich sage nicht, dass das gut ist. Ich will nur nicht mehr darüber streiten. Die Super League wird kommen, weil sie alternativlos ist. Wir Älteren finden Auf- und Abstieg vielleicht noch spannend, aber erklären sie mal den Jüngeren den Reiz einer Relegation. Das wird nichts. Es wird die Super League kommen, es wird auf der ganzen Welt verschiedene Conferences geben, in Südamerika, in Nordamerika, in Afrika und Asien, im südlichen, mittleren und nördlichen Europa. Und dann werden sie irgendwo zwischen Kuwait und Australien ein Finalturnier mit Playoffs spielen, wie wir es in der Pandemie in Lissabon gesehen haben. Das fand im Übrigen jeder klasse. Und die anderen werden am Wochenende weiterhin in der Bundesliga spielen und werden wieder die Chance haben, Meister zu werden.

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Marcel Reif: "Der Fußball wird das Draft-System übernehmen"

Aber ist so eine Meisterschaft dann noch viel wert?

Reif: Sie ist viel mehr wert, als wenn du nie Meister wirst. Noch sind wir in Deutschland nicht so weit, wenn ich zum Beispiel an Herrn Watzke in Dortmund denke, der bei diesem Thema einen ganz besonderen Spagat hinkriegen möchte: 50+1 hochhalten, aber international ganz oben mitspielen. Wenn ich höre, dass die Super League gescheitert und von den Fans kassiert worden sei, dann muss ich sagen: Das stimmt so nicht. Sie ist gescheitert, weil sie jämmerlich vorbereitet war. Und DIE Fans gibt es auch nicht. Es gibt die Ultras, es gibt aber auch die anderen. Mir ist die Diskussion bei uns zu ideologisch überladen. Wir waren schon mal kurz beim Thema Fankultur.

Die es in den USA sehr wohl auch gibt.

Reif: Genau. Gehen Sie mal zu einem Spiel der Chiefs und sagen mir, dort gäbe es keine Fankultur. Ich bin sogar davon überzeugt, dass der Fußball das Draft-System übernehmen wird. Man wird perspektivisch in einer Super League nicht zulassen, dass Mbappe, Neymar und Messi in einer Mannschaft spielen. Man wird das System in den Fußball rüberholen. Es gibt diesen schönen Spruch: Wenn irgendwo Geld liegt, kommt einer und hebt es auf. Das ist auch die Definition von Profisport. Wenn die Kataris für Mbappe ein 300-Millionen-Paket schnüren, dann werden sie ihnen das erklären. Sie werden erklären, dass es immer noch tausend Mal günstiger ist, was sie an Kohle in PSG reinstecken, als eine Kampagne kosten würde, um den Bekanntheitsgrad von Katar zu steigern. Oder nehmen wir die NFL: Die Besitzer der Chiefs haben Mahomes keinen 450-Millionen-Deal gegeben, weil ihnen gerade danach war. Das Geld ist da. Nochmal: Ich sage nicht, dass das alles gut ist, aber ich bin nicht mehr jung genug, um es zu bekämpfen und ich bin zu alt, um in der Diskussion Körner zu verschwenden.

Haben Sie eigentlich eine Lieblingsmannschaft in der NFL?

Reif: Die 49ers. Das ging sogar so weit, dass sich eines Tages die Geschichte zutrug, dass ich meine erste Frau aus beruflichen Gründen nicht auf eine Reise nach San Francisco begleiten konnte, sie aber sozusagen für mich zu einem Spiel der 49ers gegen Kansas City ging. Da gab es eine ordentliche Gehirnwäsche, dass sie das unbedingt machen musste. Aber auch sie war im Nachhinein sehr angetan. Und sie musste mir natürlich allerhand Devotionalien mitbringen.