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NFL: So sehr schwächt Earl Thomas' Abgang die Ravens-Defense – und so kann er ersetzt werden

Von Jan Dafeld
Earl Thomas wurde von den Baltimore Ravens entlassen.
© imago images/JeffHalstedt
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NFL: Thomas in Baltimore mit herausragenden Statistiken

Tatsächlich war Thomas in diesem Scheme allerdings mehr als als nur ein potenzieller Blitzer unter vielen. Seine Rolle als Deep Safety aus Seattle-Zeiten mag stark modifiziert worden sein, vollständig abgeschafft wurde sie allerdings nie. Die häufigste Coverage der Ravens war 2020 Cover-1, die zweithäufigste Cover-3. Beides sind Play-Varianten mit einem tiefen Safety in der Mitte des Feldes - in den meisten Fällen war dies Thomas.

Der mehrfache All-Pro und Pro-Bowler war in Baltimore Teil einer deutlich flexibleren und auch komplizierteren Defense als er es aus seiner Seahawks-Zeit gewohnt war: Seattle spielte damals fast ausschließlich verschiedene Variationen von Cover-3. Eine Umstellung, die Thomas durchaus einige Probleme bereitete, wie er zu Beginn der vergangenen Saison auch unumwunden zugab. Doch trotz der Umstellung war Thomas in Baltimore deutlich mehr als ein Mitläufer.

Kein Safety ließ weniger Targets oder Completions zu als der 31-Jährige, niemand erlaubte eine niedrigere Completion Percentage Over Expection als Thomas' -24,9 Prozent. Auch seine zugelassene Success Rate von 23,1 Prozent war ligaweit der Bestwert. Pro Football Focus notierte bei ihm die zwölftbeste Coverage Grade aller Defensive Backs. Auch das ist ein elitärer Wert.

Thomas' Einfluss auf die gesamte Defense mag in Baltimore tatsächlich kleiner als früher in Seattle gewesen sein, wo er durch seine Kombination aus Instinkten und Geschwindigkeit praktisch beide Seams im Cover 3 ausschaltete. Seine Fähigkeiten in Coverage sind allerdings ganz offensichtlich nach wie vor herausragend - ebenso wie wie der Respekt der gegnerischen Quarterbacks vor ihm.

NFL: Kein Eins-zu-eins-Ersatz für Thomas bei den Ravens

Wie wird Baltimore diesen Verlust 2020 also auffangen können? DeShon Elliott steht wohl als direkter Nachfolger in den Startlöchern. Der Sechstrundenpick aus dem Jahr 2018 zeigte in der Vorsaison gute Ansätze, verpasste aufgrund eines Armbruchs sowie einer schweren Knieverletzung in zwei Jahren bislang allerdings auch 26 von 32 möglichen Spielen.

Geno Stone, Siebtrundenpick 2020, könnte durch Thomas' Entlassung ebenfalls früher Snaps bekommen. Auch Jimmy Smith, der durch die Rückkehr von Tavon Young wohl eher eine Rotationsrolle einnehmen wird, dürfte vor allem in Dime-Packages häufiger auf dem Feld stehen. Doch weder Elliott noch Stone oder Smith werden Thomas Eins-zu-eins ersetzen können. Einen gewissen Qualitätsverlust werden die Ravens auf der Safety-Position hinnehmen müssen.

Das bedeutet allerdings nicht, dass Baltimores Defense 2020 zwingend schlechter sein muss als im Vorjahr. Laut der Ajudsted-Games-Lost-Metrik von Football Outsiders hatten 2019 einzig die Jets defensiv mehr Verletzungspech als die Ravens zu beklagen. Die Rückkehr von Spielern wie Young oder auch Pernell McPhee wird Baltimore gut tun.

Vor allem aber könnte die Franchise über die vergangenen Monate eine ihrer Schwächen in eine Stärke verwandelt haben. Dank der Neuzugänge Derek Wolfe und insbesondere Calais Campbell dürfte die Defensive Line 2020 deutlich stärker besetzt sein als noch im Vorjahr. Die Ravens sollten in der kommenden Saison somit häufiger imstande sein, auch mit einem Vier-Mann-Rush erfolgreich zu sein und wären damit weniger auf die eigenen Blitzes angewiesen - was wiederum die eigene Secondary entlasten würde.

NFL: Thomas' Verlust ist eine große Schwächung

Martindale wird auch 2020 ein aggressiver defensiver Play-Caller bleiben und die Identität seines Teams nicht von heute auf morgen auf den Kopf stellen. Das Cornerback-Quartett aus Humphrey, Peters, Young und Smith ist vielleicht das beste der NFL, die Secondary ist auch nach Thomas' Abgang noch eine der Stärken der Ravens-Defense.

Head Coach John Harbaugh und die gesamte Ravens-Organisation sind bekannt dafür, Disziplin und Teamgeist einen hohen Wert zuzuschreiben. Sollten diese Werte bei einem Verbleib von Thomas ernsthaft in Mitleidenschaft gezogen worden sein, wäre dessen Entlassung nachvollziehbar. Auch wenn die Entscheidung, Thomas zu entlassen, Harbaugh ebenso schwer gefallen sein dürfte wie General Manager Eric DeCosta und Teambesitzer Steve Bisciotti, so erscheint der Safety in Baltimore nicht unersetzlich - wenn auch eher im Verbund als durch einen einzelnen Spieler.

Dass Thomas' Entlassung eine Schwächung für das Team darstellt, ist allerdings unbestreitbar und der erste große Makel in einer ansonsten nahezu optimal verlaufenden Offseason.

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