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Mit der Macht des kalten Biers

Von Linus Braunschweig
Die Offense soll die Atlanta Falcons bis in den Super Bowl tragen
© getty

Die Atlanta Falcons treffen am Sonntag (21.05 Uhr live auf DAZN) auf Aaron Rodgers und die Green Bay Packers. Quarterback Matt Ryan könnte gegen die Secondary der Packers einen großen Tag haben, die Offense der Falcons bewegt sich auf einem historischen Level. Wo liegen die Schlüssel für die Offensive? Und wie problematisch ist die Defense?

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Week 4 der Regular Season 2016. Die Atlanta Falcons haben einen Divisionsrivalen zu Gast: Die Carolina Panthers um Cam Newton versuchen einen schwachen Saisonstart auszubügeln. Matt Ryan und Co. stehen bei 2-1. Ein wichtiges Spiel.

Es sind noch rund vier Minuten auf der Uhr, der Snap erfolgt. Ryan deutet einen Run über Freeman an und die Verteidigung schluckt den Köder. Jones läuft eine vollkommen normale Slant-Route zur rechten Außenlinie, fängt den Ball zwischen zwei Panthers-Verteidigern, hat ein wenig Platz - und ist weg. Touchdown Falcons. Beim Schlusspfiff hatte er 300-Receiving-Yards, garniert mit einem Touchdown, auf dem Konto. Er ist der sechste Spieler der NFL-Geschichte, der die 300er-Marke knacken konnte. "Matty Ice" kommt auf 503 Yards und vier Touchdowns.

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Der 48:33-Triumph war irgendwo sinnbildlich für die Mannschaft aus Georgia, der fehlerhafte Erfolg zeigt genau die Stärken und Schwächen des Teams - schon in den vergangenen Jahren stand Atlanta für eine starke Offense, mit einer Defense, die zu wünschen übrig ließ.

Nach ernsthaften Super-Bowl-Chancen sah es in der Vergangenheit dabei nicht aus - bis jetzt. Aber was ist dieses Jahr anders? Wie konnten sich die Falcons ohne große Kaderveränderung von acht auf elf Siege steigern und ins NFC-Championship-Game kommen?

MVP der anderen Art?

Viele Faktoren spielen dabei eine Rolle. Die Verpflichtung von All-Pro-Center Alex Mack wird dabei allerdings gerne übersehen. "Der Typ ist ein Genie. Er ist super schlau und ein massiver Center. Man sieht ihn und denkt 'Wow, der Mann ist wirklich eine Präsenz'. Nicht nur wegen seiner Körpergröße, sondern auch wegen seiner Art", erzählt Patrick DiMarco, Fullback der Falcons.

Obwohl die Offensive Line mit 37 Sacks Rang 22 der Regular Season belegt und sogar fünf Sacks mehr als im Vorjahr zuließ, ist sie einer der Schlüssel zur historisch starken Offensive der Falcons. Die Pass-Protection ist nicht zwar nicht überragend, aber solide, das Blocken für das Laufspiel dafür umso besser.

Die Falcons nutzen ein sogenanntes Zone-Blocking-Scheme, worin der Center eine hervorgehobene Rolle spielt: Der Center muss bekanntlich nicht nur blocken, sondern vorher auch den Ball snappen, wodurch er weniger Zeit hat, seine Zone zu übernehmen sowie um den entsprechenden Mann "herumzukommen" und die Lücke zu schaffen.

Dadurch ist er im Zone-Blocking der anfälligste Punkt der O-Line. Wenn der Center in diesem Scheme seinen Job nicht richtig macht, scheitern 90 Prozent der Lauf-Versuche. Inside-Runs sind in diesem Fall kaum möglich, der Center muss dabei oft erst im Double-Team einen D-Liner blocken, um sich dann um einen Linebacker zu kümmern. Mack erlebt in dieser Rolle einen zweiten Frühling. Er ist essentiell für den Erfolg der Offensive - und somit ein MVP der anderen Art.

Beastmode mit einem Hauch Le'Veon Bell

Mack ist der Dreh- und Angelpunkt der Offensive Line beziehungsweise des Running Games. Nicht zufällig belegt Atlanta mit 4,6 Yards Platz vier in Yards pro Lauf, Rang fünf in Rushing-Yards pro Spiel (120 Yards) und erzielte 20 Touchdowns über den Lauf (Rang drei). Man darf aber nicht vergessen, dass jedes Team für ein erfolgreiches Laufspiel ebenso fähige Halfbacks benötigt. Mit Devonta Freeman und Tevin Coleman sind in Atlanta gleich zwei davon zuhause.

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"Sie ergänzen sich extrem gut. Sie sind wie Brüder, und darum geht es bei uns", erzählte Teamkamerad Mohamed Sanu gegenüber Sports Illustrated. "Die beiden bilden eines der besten Running-Back-Tandems der Liga". Freeman konnte mit 1.078 Yards seine zweite Spielzeit mit über 1.000-Yards am Boden erzielen, Coleman erlief 520 Yards.

Was das Duo besonders macht, ist allerdings nicht nur die Lauf-Fähigkeit, sondern die überraschend gute Receiving-Arbeit: Zusammengerechnet erzielten die beiden Running Backs 883 Yards und fingen fünf Touchdowns. Besonders Freeman, dessen Stil an eine Mischung aus dem vielseitigen Le'Veon Bell und der Power von Marshawn Lynch erinnert, überzeugte in der passfreudigen Offense von Kyle Shanahan.

Ehre, wem Ehre gebührt

Der Star bei den Falcons ist allerdings das Passspiel um Ryan, Jones und Co. Die Statistiken sprechen für sich: "Matty Ice" warf diese Saison 4.944 Yards mit 38 Touchdowns und nur sieben Interceptions! Seine Pässe brachte er mit einer absurden Quote von 69,9 Prozent an den Mann und stellte nebenbei den Rekord für das beste Passer-Rating mit mindestens 400 Versuchen auf (117.1). Ein klarer MVP-Kandidat.

Sein Lieblingsziel war dabei natürlich Jones. "Er ist die Art Spieler, die ich gerne Mutanten nenne. Der Kerl ist in keinerlei Weise normal. Wenn er wollte, könnte er die Decke des Georgia Dome berühren", beschreibt Gerald McCoy, Defensive Tackle der Tampa Bay Buccaners, den 27-Jährigen.

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Der "Mutant" aus Alabama fing 83 Pässe für 1.409 Yards und sechs Touchdowns, mit seiner Größe, Geschwindigkeit und Beschleunigung ist er der Traum eines jeden Quarterbacks. Ein halbes Dutzend Catches in der Endzone mag nicht nach viel klingen für einen Receiver seiner Klasse, jedoch liegt das am Play-Design von Shanahan. Ryan verteilt den Ball unglaublich gut, so waren auch Mohamed Sanu (653 YDS), Taylor Gabriel (579) und eben das RB-Tandem beliebte Ziele.

Ryan hat damit in dieser Saison gar einen NFL-Rekord aufgestellt: Er bediente 13 verschiedene Receiver für Touchdowns, mehr als je ein Quarterback zuvor! Ein weiteres Merkmal, das diese Offense so gefährlich macht.

Die Wachstumsschmerzen des Busfahrers

Ryan tut also seinen Job. Er ist der Busfahrer der Falcons-Offensive. Er bringt den Ball dorthin, wo er hin soll. Der Mann der den Bus gebaut hat, ihn wartet und die Route angibt, ist Offensive Coordinator Kyle Shanahan. Shanahan nutzt sein Personal perfekt und inzwischen klickt auch Ryan in der Offensive des 37-Jährigen.

Letztes Jahr sah es noch ganz anders aus. Der Quarterback war unter Mike Mularkey und Dirk Koetter, seine vorherigen Offensive Coordinator, ein anderes Schema gewohnt. 2015 fand sich der 31-Jährige in einem System wieder, das weniger auf seine bisherigen Stärken abgezielt war. Ihm wurden plötzlich viel öfter Play-Action-Spielzüge und mehr Würfe außerhalb der Pocket abverlangt, womit sich Ryan schwer tat.

Diese Gewöhnungsphase resultierte in einem schwierigen Jahr für ihn, für Shanahan - für das Team. Ryan spielte eine schwache Saison und warf nur 21 Touchdowns, bei 16 Interceptions. Die Falcons schlossen mit einer Bilanz von 8-8 ab. Doch die enttäuschenden Leistungen sollten sich lediglich als Wachstumsschmerzen herausstellen.

Erfolgsformel: Shanahan, Ryan und kaltes Bier

Das erste Jahr in Atlanta war für den Offensive Coordinator schwierig, sein Scheme und seine Ideen wurden nicht so aufgefasst, wie er es gehofft hatte. Angeblich gab es sogar persönliche Zerwürfnisse zwischen ihm und Ryan. Bis Shanahan, Head Coach Dan Quinn und der Quarterback-Coach ihren Star im Sommer in South Carolina besuchten.

"Wir haben ein paar Bier getrunken und eine Lösung gesucht. Die Probleme vom letzten Jahr waren von den Medien überzogen, aber wir haben uns hingesetzt und einige Dinge geklärt. Jetzt stehen wir wirklich, wirklich gut da", erklärte Ryan.

Und Shanahan stimmte zu. "Das alles klingt dramatischer als es war, aber wir sind über das letzte Jahr definitiv zusammengewachsen. Matt und ich sind uns sehr ähnlich. Wir sind beide Perfektionisten. Deswegen ist es eine perfekte Kombination. Aber es hat seine Zeit gebraucht", verriet Shanahan auf NFL.com.

In seinem zweiten Jahr schlug seine Offense dann voll ein. Atlanta schloss die Saison in allen Offensivstatistiken auf Top-Plätzen ab: Platz eins in Punkte pro Spiel mit 33,8, Platz zwei in Yards pro Spiel mit 415,8 Yards, Rang drei in Passing-Yards pro Spiel mit 295,3 Yards und Rang fünf in Rushing-Yards pro Spiel mit 120,5 Yards. Selten gab es einen so ausgewogenen Angriff in der NFL. Nur sieben Teams hatten jemals in der Geschichte der Liga eine bessere Offensive über 16 Partien!

Sorgenkind Defense

Das große Manko ist und bleibt dagegen die Defense. Etwas überraschend, wenn man bedenkt, dass Head Coach Quinn bis zu seinem Wechsel zu den Falcons, der Defensive Coordinator in Seattle war.

Atlanta erlaubte 406 Yards (25.) und 25,4 Punkte pro Spiel (27.). Besonders die Secondary war mit 266,7 erlaubten Pass-Yards pro Spiel extrem anfällig. Dass der beste Cornerback Desmond Trufant schon seit Wochen ausfällt hilft selbstredend wenig. Dafür sind 12 Interceptions und 99 verteidigte Pässe sogar gute Werte.

Aaron Rodgers und die Packers-Offense: Der Meister der Gefahr

Einer der wenigen Hoffnungsschimmer der Verteidigung ist der Pass-Rush um Vic Beasley, der eine beeindruckende Saison spielt. Mit 15,5 Sacks führte der Outside Linebacker die NFL in Sacks an und kam insgesamt auf 39 Tackles mit sechs Forced Fumbles. Insgesamt kam das Team auf 34 Sacks - ein durchschnittlicher Wert.

Anders als bei Houston, wo Jadeveon Clowney Hilfe von Whitney Mercilus erhält, hat Atlanta keinen guten sekundären Pass-Rusher. D-Liner Adrian Clayborn war mit 4,5 Sacks die Nummer zwei, doch der wird den Rest der Playoffs mit einem gerissenen Bizeps-Muskel verpassen. Es wird spannend, wie sich der Pass-Rush von Atlanta gegen Aaron Rodgers schlagen wird.

The Future is bright

Sollte es dieses Jahr nicht mit dem Super Bowl klappen, haben Falcons-Fans allerdings keinen Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Ryan ist "erst" 31 und der restliche Mannschaftskern ist noch deutlich jünger. Priorität muss es sein, diesen Kern über die nächsten Jahre zu erhalten und die Secondary in Draft und Free Agency zu stärken.

Einzige Sorge könnte der mögliche Abgang von Kyle Shanahan Richtung San Francisco sein. Die 49ers sollen ihm die Stelle des Head Coaches angeboten haben, so eine Möglichkeit bot sich dem 37-Jährigen bisher noch nicht. Aber davor liegt der volle Fokus auf Aaron Rodgers und seinen Green Bay Packers.

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