50, 38, 34, 41, 35, 42, 40 und nun 51 Punkte. Das waren die Punkteausbeuten von Joel Embiid in den vergangenen acht Spielen, in vier dieser Partien brauchte der Kameruner dafür gerade einmal drei Viertel. Zwölfmal in Folge legte Embiid nun mindestens 30 Zähler und 10 Rebounds auf, das gab es zuletzt 1971/72 durch einen gewissen Kareem Abdul-Jabbar. Nichts und niemand kann Embiid im Moment stoppen, diesen Beweis lieferte er nun vor allem gegen die Minnesota Timberwolves, die beste Defense der NBA, verankert von Rudy Gobert, dem Favorit auf den Titel Defensive Player of the Year.
Es war das Statement von Embiid, das er setzen wollte. Zuvor wurde viel darüber gesprochen, dass der MVP vor allem gegen schlechte Mannschaften seine Punkte sammeln würde. Klar, zuletzt ging es gegen Washington (2x), Detroit (2x), Atlanta und Charlotte - im Prinzip den Bodensatz der Conference, umso wichtiger war es für Embiid zu zeigen, dass er auch gegen ein kompetentes NBA-Team dominant wie kaum ein anderer Spieler sein kann.
Joel Embiid gibt Stats Padding zu
"Wir gewinnen und das ist alles, was zählt", spielte Embiid seinen historischen Abend herunter. "Stats sind toll, aber sie sind bei Niederlagen nutzlos. Wenn wir aber gewinnen, dann bedeuten sie etwas." Gegen die Wolves blieb sogar etwas Zeit für Stats Padding. Knapp zwei Minuten vor Schluss vergab Embiid bei +12 einen Freiwurf und blieb als einziger Starter auf dem Feld, um letztlich doch noch die 50 vollzumachen.
"Ich habe den Freiwurf mit Absicht vergeben. Ich glaube, dass die Bühne zu groß war", meinte Embiid ironisch mit einem kleinen Seitenhieb an seine Kritiker. "Ich habe mich dann entschlossen, noch einen Wurf zu nehmen, um 50 zu schaffen."
Ob 49 oder 51 spielte keine Rolle, Embiid war mal wieder der beste Mann auf dem Feld und hing Gobert in 19 Minuten in den ersten drei Vierteln vier Fouls an. Der Unterschied in diesem Spiel, gewannen die Wolves diese Minuten doch mit +14. "Die Foulprobleme von Gobert haben uns geschadet", meinte auch Wolves-Coach Chris Finch, der gleichzeitig den fehlenden offensiven Rhythmus seiner Mannschaft bemängelte.
Joel Embiid: Seine Stats in der Saison 2023/24
Spiele | MIN | PTS | FG% | 3P% | REB | AST | BLK |
24 | 34,1 | 35,1 | 54,1 | 33,3 | 11,8 | 5,9 | 1,9 |
Joel Embiid: Nur von Wilt Chamberlain getoppt
Und auf der anderen Seite? Da machte Embiid, was er wollte. Mal stellte er sich Gobert auf Höhe der Freiwurflinie zurecht, um diesen einen Jumper ins Gesicht zu drücken, mal marschierte der 29-Jährige durch die komplette Wolves-Defense um per krachendem Dunk abzuschließen. Dazu kamen immer wieder gezogene Fouls, hier kann niemand Kontakt so gut verkaufen wie Embiid. So zog der Sixers-Star übrigens das dritte Foul von Gobert ...
Auch deswegen ist der Center kaum noch zu verteidigen, alle drei Wolves-Bigs hatten nach zwölf Minuten je zwei Fouls. Pro 36 Minuten legt Embiid 37,1 Zähler im Schnitt auf, das wird lediglich von Wilt Chamberlains 50-Punkte-Saison im Jahr 1961/62 getoppt (37,4). Damals war die NBA aber noch komplett anders. Wilt war mit seiner Größe und Athletik gewissermaßen ein Freak, der reihenweise langsame, weiße Center (zur Erinnerung: bis 1963 hatte kein Team mehr als vier schwarze Spieler im Kader) schlecht aussehen ließ. So etwas gibt es heutzutage einfach nicht mehr.
NBA - Die meisten Punkte pro 36 Minuten in einer Saison
Rang | Spieler (Team) | PTS pro 36 | Saison |
1 | Wilt Chamberlain (Warriors) | 37,4 | 1961/62 |
2 | Joel Embiid (Sixers) | 37,1 | 2023/24 |
3 | James Harden (Rockets) | 35,4 | 2018/19 |
4 | Giannis Antetokounmpo (Bucks) | 34,9 | 2019/20 |
5 | Giannis Antetokounmpo (Bucks) | 34,8 | 2022/23 |
6 | Joel Embiid (Sixers) | 34,4 | 2022/23 |
7 | Wilt Chamberlain (Warriors) | 33,9 | 1962/63 |
8 | James Harden (Rockets) | 33,9 | 2019/20 |
9 | Stephen Curry (Warriors) | 33,7 | 2020/21 |
10 | Michael Jordan (Bulls) | 33,4 | 1986/87 |
Joel Embiid: Mehr Freiheiten ohne Harden
Nach dem Trade von James Harden und der Installierung von Nick Nurse hat Embiid mehr Freiheiten bekommen. Womöglich war es ein genialer Move von Präsident Daryl Morey, Nurse an Embiids Seite zu stellen, jener Coach, der Embiid immer wieder mit geschickten Defensiv-Taktiken aus dem Rhythmus brachte. Nurse kennt Embiids Schwächen, aber eben auch seine größten Stärken. Dazu ist das Team endlich so zusammengestellt, dass die Produktion des Kameruners maximiert werden kann.
Alle Starter können werfen, alle können mit dem Ball etwas anfangen. Die Offense läuft mit mehr Flow, weniger am Reißbrett entworfen wie noch mit Harden. Stattdessen bekommt Embiid den Ball häufiger auf Höhe der Freiwurflinie, wo er mehr Platz hat und weniger anfällig für Ballverluste ist, da er mehr Optionen als aus dem Post hat und es schwieriger ist, Double Teams zu bringen. Denn: Links oder rechts wird immer jemand frei sein, diese Pässe sind deutlich einfacher zu spielen.
Embiid ist in dieser Hinsicht nicht Jokic, aber er versteht die einfachen Reads und ist auch gewillt, diese Pässe zu spielen. So auch in den vergangenen Wochen - trotz seiner Explosionen. "Ich spiele im Flow der Offense und erzwinge nichts", versicherte Embiid nach dem Wolves-Spiel. "Ich nehme, was die Defense mir gibt."
Joel Embiid: Seine Shooting-Splits in der Saison 2023/24
Zone | Versuche | Erfolgsquote (in %) |
Restricted Area | 7,1 | 68,2 |
Paint (ohne Restricted) | 5,5 | 51,1 |
Mid-Range | 5,9 | 51,4 |
Dreier | 3,3 | 33,3 |
Freiwürfe | 11,7 | 89,3 |
Joel Embiid: Klappt es diesmal in den Playoffs?
Und von Minnesota bis Washington finden diese keine Antworten für den 29-Jährigen, der in dieser Form womöglich der beste Spieler der NBA ist. Über Jahre hatte Jokic immer das Argument der Advanced Stats auf seiner Seite, nun führt Embiid einige dieser "Nerd-Statistiken" an, was seinem neuerlichen MVP-Case sicherlich nicht schaden kann.
Und nicht nur das. Die Sixers haben das mit Abstand beste Net-Rating der Liga (auch hier: Der Spielplan half mit) und mischen zusammen mit den Favoriten Boston und Milwaukee voll mit im Kampf um die beste Bilanz im Osten. In den direkten Duellen steht Philly zwar im Moment bei 1-3, alle vier Partien waren aber knapp und sollten Hoffnung geben, dass Philadelphia im Frühjahr erstmals seit 2001 wieder über die zweite Runde herauskommt.
Dafür muss Embiid aber vor allem beweisen, dass er auch in den Playoffs ähnlich dominant auftreten kann. Das bleibt der Makel, der an Embiid heftet, egal wie viele 30/10-Spiele er in der Regular Season auflegt. Dennoch machen die vergangenen Auftritte Hoffnung, eben weil Embiids Offense diverser geworden ist. Und mal ehrlich: Nach all dem Drama um James Harden - wer hätte gedacht, dass in Philly nun so eine Aufbruchstimmung herrschen würde? Embiid (und auch Tyrese Maxey) machen es möglich.