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NBA - Skywalker gegen Iceman: Das größte Punkte-Spektakel aller Zeiten

Von Ruben Martin
Gervin war einer der besten Scorer in den 70er und 80er Jahren.
© getty

Am Morgen des 9. Aprils 1978 war die reguläre NBA-Saison schon fast vorbei, die meisten Teams waren mental bereits in der Offseason oder den Playoffs. Doch nicht so für David "Skywalker" Thompson und George "The Iceman" Gervin. Innerhalb weniger Stunden lieferten sich die beiden Hall-of-Famer im Fernduell um die Scoring-Krone zwei der spektakulärsten Einzelleistungen der NBA-Geschichte.

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Dieser Artikel erschien erstmals am 9. April 2020.

"Willst du dir heute den Titel holen?" David Thompson überlegte kurz, bevor er wenige Stunden vor dem letzten Regular-Season-Spiel der Denver Nuggets in der Saison 1977/78 auf die Frage von Head Coach Larry Brown antwortete.

"Ich habe Coach Brown gesagt, dass ich einfach spielen will. Und was auch immer passiert, wird das Schicksal entscheiden", erinnerte sich Thompson in seinem Buch Skywalker an besagten Morgen. Die Playoffs hatten die Nuggets bereits in der Tasche und besagter Titel, die Krone für den besten Scorer der Saison, war Thompson laut eigener Aussage gar nicht wichtig.

George Gervin führte vor dem letzten Spieltag die Liga mit 26,8 Punkten pro Partie an, gefolgt vom Nuggets-Guard mit 26,6 Zählern. Die beiden hatten nur wenige Gemeinsamkeiten, beide kamen 1976 aus der spektakulären, aber auch brutalen American Basketball Association (ABA) in die NBA und zählten sofort zu den absoluten Superstars der Liga.

Vor allem spielerisch hätten sie aber unterschiedlicher nicht sein können und so endeten da auch schon die Parallelen. Bis auf dieses eine Erlebnis, das sie für immer verbinden wird.

David Thompson: Der "Skywalker"

Thompson gilt als einer der besten Athleten, die jemals Basketball gespielt haben, und als der beste Springer seiner Zeit (Hier geht es zur Legendenstory von David "Skywalker" Thompson). Eine Zeit, in der auch Julius "Dr. J" Erving gespielt hat. Viele Zeitzeugen behaupten, dass der 1,93 Meter große Guard eine Münze von der oberen Kante des Backboards pflücken konnte.

Das ist nicht ganz unglaubwürdig, immerhin wurde Thompsons Sprunghöhe aus dem Stand von 44 Inches oder atemberaubenden 112 Zentimetern damals im Guinness Buch der Rekorde festgehalten. Außerdem soll Thompson den Alley-Oop-Dunk erfunden haben, obwohl Dunks während seiner College-Karriere bei North Carolina State verboten waren.

Thompson erhielt später das wohl größtmögliche Lob für einen Basketballspieler: Michael Jordan verriet während seiner Karriere dass er sich einige Moves von Thompson abgesehen habe. "Die Bedeutung von vertikalem Springen begann erst mit David Thompson" betonte MJ, der genau wie Thompson in North Carolina aufgewachsen ist und dort schon am College zum Superstar wurde.

Doch der Skywalker war keineswegs auf seine Athletik beschränkt, er war auch ein sehr guter Schütze. Auch vor der Einführung der Dreierlinie 1979 nahm Thompson regelmäßig Würfe aus großer Distanz und war in Kombination mit seiner physischen Überlegenheit kaum zu verteidigen.

George Gervin: "The Iceman"

Selbiges wurde auch über viele Jahre hinweg über Gervin gesagt, der jedoch völlig anders spielte. Er war zwar mit einer Körpergröße von 2,03 Metern sehr groß für einen Guard zu dieser Zeit, allerdings kein guter Athlet und sehr dünn gebaut. Auch sein Sprungwurf sah eher wacklig aus (Hier geht es zur Legendenstory von George Gervin).

Doch Gervin überzeugte mit perfektionierten Bewegungen, schlauer Wurfauswahl und purer Effizienz, wie seine Karriere-Feldwurfquote von 50,4 Prozent verdeutlicht. Der Iceman ist als Experte des Finger Rolls bekannt und dafür, dass er diesen auch mal von der Freiwurflinie oder von hinter dem Brett traf.

Sein Spitzname sorgte jedoch damals schon für Verwirrung. Gervin habe den Namen "The Iceman" von seinen damaligen Mannschaftskollegen Julius Erving und Fatty Taylor erhalten, "Weil ich niemals geschwitzt habe", verriet Erving später. "Ich habe 70 Kilo gewogen ohne Wasser in mir. Leute dachten ich wäre 'Ice' weil ich cool war. Nope. Es war, weil ich dünn war."

Gervin war als dominanter Scorer so gefürchtet, dass die Indiana Pacers einmal Gratis-Hähnchen für alle Fans versprachen, falls das Team Gervin unter 30 Punkten halten konnte. Dafür hatten sie extra Dudley Bradley, den "Secretary of Defense" auf ihn angesetzt, doch Gervin erzielte 55 Zähler und die Fans gingen leer aus.

"Du kannst ihn nicht verteidigen. Du kannst einfach nur hoffen, dass sein Arm nach 40 Würfen langsam schlapp macht", beschwerte sich der langjährige NBA-Coach Dick Motta damals. "Ich glaube, der Typ kann immer punkten, wenn er Lust dazu hat. Man fragt sich schon, ob ihm das nicht langweilig wird."

David Thompson und George Gervin im Vergleich

SpieleFG%FT%ReboundsAssistsBlocksStealsPunkte
David Thompson50950,4 %77,9 %4,33,40,91,124,1
George Gervin79151,1 %84,4 %4,62,80,81,226,2

"Wie Superman auf Steroiden"

Langweile verspürte sicherlich keiner der gerade einmal 3.482 Fans in der Cobo Arena an besagtem Apriltag, als die Detroit Pistons die Denver Nuggets empfingen. Beide Mannschaften hatten bereits die Playoffs erreicht, ein großes Spektakel hatte vermutlich keiner erwartet. Doch genau dieses Spektakel ließ nicht lange auf sich warten.

Denn Thompson, der eine der besten Spielzeiten seiner Karriere absolvierte und dafür ins All-NBA First Team gewählt wurde, hatte in den 81 gespielten Partien nur 14 Punkte weniger erzielt als Gervin, ebenfalls Mitglied des All-NBA First Teams. Und sein Start in das letzte Spiel der Saison sagte keineswegs, dass ihm der Titel des besten Scorers unwichtig war.

Thompson erzielte 32 Punkte im ersten Viertel und brach damit Wilt Chamberlains Rekord von 31 Punkten in einem Spielabschnitt. 20 seiner ersten 21 Würfe fanden das Ziel, zur Halbzeit stand der Skywalker bei 53 Punkten. "Ich fühlte mich wie Superman auf Steroiden" erinnerte sich der Skywalker später in seinem gleichnamigen Buch, doch das Gefühl sollte sich in der zweiten Halbzeit ändern.

Thompson hatte schon vor der Pause die zunehmende Angst der Gegner gesehen, deren Gesichtsausdrücke ihm sagten: "Wir können diesen Typen nicht 100 Punkte erzielen lassen." Die Pistons waren folglich entschlossen, Thompson in der zweiten Halbzeit zu stoppen, mit zwei, drei oder sogar vier Verteidigern. "Ich fühlte mich wie eine Ratte im Käfig", beschrieb er die Situation später.

Das Team aus der Motor City konnte Thompson so von der 100-Punkte-Marke fernhalten und die Partie sogar noch mit 139:137 gewinnen, der Star der Nuggets hatte zum Ende des Spiels jedoch ganze 73 Punkte gesammelt. Von seinen 38 Würfen aus dem Feld schweißte er 32 durch die Reuse, dazu versenkte er 17 von 20 Freiwürfen.

Nach Thompsons Punkteexplosion brauchte Gervin seinerseits 59 Punkte, um sich wieder an die Spitze der Scorer-Liste zu platzieren.

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