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NBA Legenden-Serie - Phil Jackson: Der Birkenstock-Philosoph

Michael Jordan (l.) und Phil Jackson gewannen bei den Chicago Bulls gemeinsam sechs Meisterschaften.
© getty

Mit elf Meisterschaften ist Phil Jackson der erfolgreichste Coach der Geschichte. Er machte aus Michael Jordan einen Teamplayer und nahm Herausforderungen an. Sein spirituelles Konzept mischte die Liga auf, sein taktisches System dominierte zwei Jahrzehnte. Doch sein Weg an die Spitze war steinig und von Krisen geprägt. Am 17. September feiert er seinen 76. Geburtstag.

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Dieser Artikel erschien in seiner ursprünglichen Fassung am 17. September 2015. Alle weiteren Geschichten zu den Legenden der NBA gibt es hier in unserem Archiv!

"Es ist mir egal, ob wir diese Saison 82 Spiele gewinnen - danach bist du verdammt nochmal weg." Zitat Jerry Krause, General Manager der Chicago Bulls im Sommer 1997. Direkt nach den zwei aufeinanderfolgenden Titeln, die Phil Jackson in die Windy City gebracht hatte. Und direkt vor der Vervollständigung des zweiten Threepeats als Bulls-Coach.

Es wurden nicht 82 Siege, sondern "nur" 62. Danach war die Beziehung zwischen Jackson und Chicago wie angekündigt tatsächlich Geschichte. Wenn der Zen Master auf diesen Wendepunkt in seinem Leben zurückblickt, so wird er - seiner esoterischen Ader geschuldet - vermutlich überwiegend Positives sehen: eine Schnittstelle zweier langer und äußerst erfolgreicher Jobs, die ihn zum erfolgreichsten Coach der Geschichte gemacht haben.

Phil Jackson: Nichts anderes als Sport

Der Weg dorthin war steinig und hart. Jackson war kein Überflieger-Coach und schon gar kein Überflieger-Spieler, dessen späterer Erfolg an den Seitenlinien der NBA vorbestimmt war. Aufgewachsen als Kind eines Priesters und einer Priesterin, die ihr Leben der Armut verschrieben hatten, blieb Philip Douglas Jackson in seinen jungen Jahren nichts anderes als Sport - denn Fernsehen, Rockmusik oder Kinobesuche waren nicht erlaubt.

Nicht auszudenken, Jackson hätte sich für Baseball oder Football entschieden, zwei Sportarten, in denen er in der High School ebenfalls überdurchschnittlich gut war. Doch glücklicherweise ging er an die University of North Dakota, um dort in der Division II den Spalding mit seinem ungelenken Linkshänder-Hakenwurf durch die Reuse zu befördern.

Vom Invaliden zum Hilfscoach

Dank seiner stählernen Screens und der intensiven Defense spielte sich Jackson trotz der unterklassigen Liga auf das Radar der NBA-Teams. Mit dem 17. Pick des Drafts 1967 zogen ihn die New York Knicks, deren Jersey er in den folgenden elf Jahren trug. Die Meistersaison 1970 - inklusive des Wunderauftritts von Willis Reed - verpasste Phil mit Wirbelsäulenproblemen.

"Ich landete auf der Verletztenliste und Coach Red Holzman hatte keinen Assistenten" erzählte Jackson später: "Also wurde ich der zweite Mann in der Kabine. Als wir eine Verbindung aufbauten und er sah, dass ich das Spiel aus einem ganz bestimmten Blickwinkel betrachtete, bat er mich im Locker Room vor den Spielen die Plays der gegnerischen Teams aufzuzeichnen." Den Ring 1973 konnten sich Walt Frazier und Co. auch dank der Mithilfe des Bankspielers Jackson anstecken.

Vor allem wegen seiner unkonventionellen Art war Jax in New York Publikumsliebling. Jeden Tag kam der Coat Hanger ("Mantelständer"), wie ihn seine Teamkollegen aufgrund seiner Statur nannten, mit dem Fahrrad zur Arena. Er engagierte sich, demonstrierte gegen die Kriegspolitik der USA und lebte zeitweise vegetarisch. Sein Bart war mitunter länger als der Stau vor dem Madison Square Garden, an seinen Experimenten war auch LSD beteiligt. Kurzum: Er war ein echter Hippie.

Wie Phil Jackson zum Coach wurde

Noch bevor Jackson 1978 auf die andere Seite des Hudson Rivers zu den New Jersey Nets getradet wurde, reichte ihm der Basketball nicht mehr. Während der Sommermonate arbeitete er in Fortsetzung seines Studiums der Psychologie, Religion und Philosophie an seiner Doktorarbeit.

Während er seine Spielerkarriere in New Jersey ausklingen ließ, übernahm Jackson im Team von Kevin Loughery parallel Aufgaben als Assistant Coach, nachdem er noch zu Beginn seiner Knicks-Zeit stets betont hatte, Coaching sei nichts für ihn. Nun hatte es ihn gepackt, doch seine spezielle Art hielt die Franchise-Verantwortlichen des ganzen Landes davon ab, ihn zu engagieren. Also suchte sich Jackson seinen eigenen Weg.

Seine erste Station als Head Coach waren die Albany Patroons der zweitklassigen Continental Basketball Association. Um den Teamgedanken in den Vordergrund zu stellen, setzte Jackson durch, dass allen Spielern das gleiche Gehalt bezahlt wurde. Nach fünf Jahren und einer Meisterschaft zog er in Ermangelung eines Angebots aus der NBA weiter nach Puerto Rico.

Er dachte bald ans Aufhören, doch 1987 wagte Bulls-GM Krause das Experiment mit dem unkonventionellen Jackson und stellte ihn als Assistant Coach von Doug Collins ein. Krause bereute seine Wahl nicht und zwei Jahre später folgte die Beförderung zum Head Coach. Jackson hatte es geschafft, obwohl er zunächst ein wenig Überzeugungsarbeit leisten musste, um seinen wichtigsten Spieler zu erreichen.

Phil Jackson: In jeglicher Hinsicht anders

Michael Jordan und Co. staunten nicht schlecht, als der neue Coach seine Spieler zum ersten Mal bat, sich zu Beginn der Preseason an einer Linie aufzustellen und sie folgende Worte zu hören bekamen: "Gott hat mich beauftragt, euch junge Männer zu coachen und ich nehme diese Aufgabe an, die mir gegeben wurde. Wenn ihr bereit seid, das Spiel, das ich lehre, anzunehmen und mir zu folgen, dann tretet als Zeichen eures Commitments über diese Linie."

Es sollte nicht die einzige Neuerung sein, die Jackson mit in die Organisation brachte. Inspiriert vom Zen-Buddhismus und der fernöstlichen Kultur machte er Meditationen zu einem festen Bestandteil des Trainingsplans und der Pregame-Rituale. "Oft starteten wir mit einem Moment der Stille", berichtete Jackson: "Lasst uns ein paar Mal tief durchatmen, zur Ruhe kommen, sodass wir uns selbst ein wenig zuhören und an nichts denken können."

Wenn er etwas mit seinen Spielern im Konferenzraum, den er in "Stammeszimmer" umbenannte, zu besprechen hatte, schlug er rhythmisch eine dumpfe indianische Trommel. Er gab jedem einzelnen Spieler Bücher zu lesen - von Taktik-Hilfen bis hin zu asiatischen Lebensweisheiten. Manchmal ließ Jackson seine Spieler sogar bei völliger Dunkelheit trainieren, um ihre Instinkte zu schulen.

Teamplayer Michael Jordan

Seine Spiritualität und der ganzheitliche Ansatz erlaubten es Jackson - nachdem die Spieler sich darauf eingelassen hatten - seinen ganz speziellen Teamgedanken zu implementieren. Auch bei Jordan. Dieser hatte zu diesem Zeitpunkt individuell bereits alles gewonnen, galt jedoch nicht als Teamplayer und nannte noch keinen Titel sein Eigen. Jackson brachte ihm bei, in der schwierigen Rolle als bester Spieler eines Teams aufzublühen und dabei gleichzeitig sein Team besser zu machen.

Jordan war der Fixstern - doch Jacksons Bulls waren mehr als Michael. Seine Gamewinner, die Punkte-Galas, das Flu Game - all das waren Jordans Leistungen. Aber hinter dem Erfolg stand nicht der Satz: "Michael, hier hast du den Ball, mach was draus." Es brauchte Jacksons Struktur und System sowie elf andere Spieler, die beides auf dem Spielfeld umsetzten.

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