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NBA-Legendenserie - Vince Carter: Unvollendet, streitbar, Vorbild

Vince Carter gewann 2000 den Dunk Contest.
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Carter: Viele Verletzungen und ein erzwungener Trade

Trotzdem statteten die Raptors ihren Star in der Sommerpause mit einem Sechsjahresvertrag über 94 Millionen Dollar aus, zu dieser Zeit ein absoluter No-Brainer. Carter war populär wie eh und je in der Stadt, hatte sogar einen eigenen Club, den vor allem die gastierenden NBA-Stars gerne frequentierten.

In den Folgejahren machte sich jedoch ein gewisser Verschleiß bemerkbar, über drei Saisons verpasste Carter über 70 Spiele, auch in den Playoffs 2002 konnte er nicht auflaufen. Jenes Spiel 7 in Philadelphia sollte tatsächlich Carters letztes Playoff-Spiel für die Kanadier gewesen sein, auch weil Carter nun unzufrieden war und seinen Abgang aus Toronto forcierte.

Das zeigte sich mit deutlicher Lustlosigkeit, der einstige 25-Punkte-Scorer legte nur noch 16 Zähler im Schnitt auf und spielte aufreizend locker. Schon im Sommer 2004 rankten sich zahlreiche Gerüchte um einen Trade, im Dezember erfüllten die Raptors ihrem Star dann seinen Wunsch, auch wenn sie im Prinzip nichts aus New Jersey zurückbekamen.

Seither war der einstige Liebling ein rotes Tuch in Toronto, erst mit fast 15 Jahren Abstand bekam Carter statt eines gellenden Pfeifkonzerts wieder Standing Ovations.

Die Fans der Toronto Raptors waren lange nicht gut auf Vince Carter zu sprechen.
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Die Fans der Toronto Raptors waren lange nicht gut auf Vince Carter zu sprechen.

Vince Carter: Keine einzige Teilnahme an den Conference Finals

Doch auch mit einem zukünftigen Hall of Famer wie Jason Kidd wollte sich der Erfolg nicht einstellen, die Nets kamen nie über die zweite Runde der Playoffs hinaus. Auch das ist die Geschichte von Carters Karriere, nie erreichte er mit einem seiner Teams die Conference Finals.

2007 wurde Carter letztmals All-Star, in der Folge ging es mit seiner Karriere stetig bergab. Zu oft fehlte die Konstanz in den eigenen Leistungen, auf 40 Punkte konnte eine völlig farblose Partie folgen. Weder in Orlando noch in Phoenix trug der alternde Star zum Erfolg bei, stattdessen läutete seine Unterschrift in Dallas, dem damaligen Champion, seine Wandlung zum vorbildlichen Veteranen ein.

Mit inzwischen 34 Jahren zählte er zu den älteren Spielern, viele neue Stars erlebten den Toronto-Hype um Vinsantity in ihrer Kindheit und sahen in Carter eine Art Vorbild. Er selbst darf auch als mahnendes Beispiel angesehen werden, schließlich ließ er gefühlt viel auf dem Tisch liegen.

Immer mal wieder blitzte das Talent auf, nicht zuletzt in den Playoffs 2014, als Carter in Spiel 3 für die Mavs einen Gamewinner traf und Dallas den späteren Champion aus San Antonio in Runde eins an den Rande einer Niederlage brachte (3-4).

Eine zweite Karriere als Lehrmeister

In Dallas, Memphis, Sacramento und zuletzt eben Atlanta war Carter einerseits ein wertvoller Veteran, andererseits aber auch ein Mentor, der junge Spieler auf die große NBA-Welt vorbereiten sollte. "Er ist humorvoll und hat mit allen Spielern eine Verbindung, weil sie mit ihm aufgewachsen sind", erklärte Mavs-Besitzer Mark Cuban die Mentor-Rolle von Carter.

Einer von Carters Zöglingen in Dallas war Jae Crowder, kein besonders talentierter Spieler, der sich aber über die Jahre durch seine Professionalität zu einem hervorragenden Rollenspieler in Utah, Memphis und nun Miami entwickelt hat. "Er hat mir beigebracht, was es heißt, professionell zu sein", berichtete Crowder. "Wir werden nicht immer unseren Willen bekommen, er weiß das wie kein anderer."

Hierfür bekam Carter viel Respekt, eben weil er nicht wie andere verzweifelt auf Ringjagd ging, sondern lieber sein Wissen an die jüngere Generation weitergab. So verlängerte VC seine Laufbahn wie niemand vor ihm.

Reicht es für die Hall of Fame?

Doch was war es, was Carter antrieb, mit über 40 Jahren noch immer bei schlechten Teams den harten Alltag in der Regular Season zu bewältigen? "Wenn man sagt: 'Wie alt ist der nochmal? Oh, er sieht so aus, als könne er immer noch spielen.' Das ist ein Gefühl wie ein Meistertitel", erläuterte Carter nach seinem vermeintlich letzten Spiel gegen die Knicks,

"Weil du jede einzelne Nacht gegen einen anderen jungen Typen spielst und die dann sagen: 'Mann, erklär mir, wie du das machst. Es sieht so aus, als könntest du noch ein paar Jahre spielen.' Das ist wie der Gewinn einer Meisterschaft in meinem Kopf."

Doch reicht das für die Hall of Fame? Vermutlich schon, nicht zuletzt wegen seiner Jahre in Toronto. Carters Portfolio beinhaltet 25.728 Punkte (Platz 19), acht All-Star-Teilnahmen (dreimal erhielt er die meisten Fan-Stimmen), ein All-Second-Team und ein All-Third-Team sowie den Triumph beim Dunk Contest. Das ist wenig, bedenkt man, wie unaufhaltsam Carter in den ersten vier, fünf Jahren seiner Karriere war.

Kommt nun die dritte Karriere?

Man wird das Gefühl nicht los, dass Half-Man, Half-Amazing die besten Jahre seiner Laufbahn verschwendet hat und nie der dominante Spieler wurde, zu dem er aufgrund seiner athletischen Fähigkeiten im Stande gewesen wäre.

Was hingegen niemand messen kann, ist die Pionierarbeit, die er in Toronto geleistet und damit das Spiel positiv beeinflusst hat. Er wird das weiterhin tun. Schon im Sommer 2019 kommentierte Carter für TNT Spiele der Summer League, dazu betreibt er für The Ringer zusammen mit Ex-Teamkollege Kent Bazemore einen erfolgreichen Podcast, bei denen zahlreiche Spitzensportler zu Wort kommen.

Carter scheint seinen Frieden gefunden zu haben, auch ohne Ring und sonstigen Team-Erfolgen. Seine Liebe für den Basketball sowie seine Führungsqualitäten stellte er erst unter Beweis, als es eigentlich schon zu spät war. Aber wie heißt es so schön: Lieber spät als nie!

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