NBA

Alle Zeichen stehen auf Trade

Von Jan-Hendrik Böhmer
Ob Pau Gasol auch nach der Trade-Deadline noch an der Seite von Kobe Bryant spielt?
© Getty

Bei den Los Angeles Lakers brodelt es vor der Trade-Deadline am nächsten Donnerstag. Und zwar gewaltig. Auch zwischen Team und Trainer. SPOX sprach auf dem aktuellen Road Trip mit Kobe Bryant, Pau Gasol und Coach Mike Brown. Der zog einen bemerkenswerten Vergleich zu den Dallas Mavericks.

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Die Lakers haben ein Problem. Sie können auswärts einfach nicht gewinnen. Sechs Siege, 14 Niederlagen - und die schlechteste Quote aller bei derzeitigem Stand für die Playoffs qualifizierten Teams. Doch das ist nicht alles.

Die Stimmung innerhalb des Teams ist mies, die Spieler formieren sich gegen Coach Mike Brown und Experten fordern einen Trade.

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SPOX war bei der Niederlage gegen die Pistons in Detroit vor Ort und hat sich mit Kobe Bryant, Pau Gasol und Coach Mike Brown über den Auswärtsfluch, die Stimmung im Team und Trade-Gerüchte unterhalten.

Stille im Locker Room

Es ist still im Locker Room der Los Angeles Lakers. Während draußen im Palace of Auburn Hills noch gefeiert wird, taucht drinnen Lakers-Point-Guard Derek Fisher seine geschwollenen Füße in einen fliederfarbenen Kübel Eiswasser.

Daneben tauschen Troy Murphy und Steve Blake zwischen einer Handvoll wartender Journalisten ihre Trikots gegen viel zu weite Freizeit-Hemden.

Keiner von ihnen verliert auch nur ein Wort.

Brown ist ratlos

Der erste, der das Schweigen bricht, ist Coach Mike Brown. Einen Tag nach seinem 42. Geburtstag muss er der Welt erklären, warum seine Lakers gerade eine Zwölf-Punkte-Führung verspielt und in der Overtime gegen die Detroit Pistons (85:88) verloren haben.

Und noch bevor ein Journalist die erste Frage stellt, sieht man ihm an, dass er keine Antworten hat. "Es passte einfach nicht zusammen heute", sagt er nach einer Weile.

Und: "Vielleicht haben einige von uns gedacht, dass das hier ein Kiderspiel wird. Vielleicht haben sie auf den Record der Pistons geschaut und haben den Road Trip mental bereits abgehakt", erklärt er. "Ich weiß es wirklich nicht."

Ein Einstellungsproblem

Und als die Lakers nicht einmal 24 Stunden später auch noch gegen die Washington Wizards verlieren (101:106), fällt ihm noch weniger ein. "Unsere Einstellung ist im Moment einfach nicht die, die sie sein sollte", sagt er. Mehr nicht.

Bei den Lakers ist man offiziell sprachlos. Auch Kobe Bryant verliert derzeit nur wenige Worte. Als er sich nach der Detroit-Niederlage den Journalisten stellt, kann man ihm trotz der tief ins Gesicht gezogenen Wollmütze den inneren Unmut - nein, den blanken Frust - deutlich ansehen.

Er schafft es gerade so, einen wenigstens halbwegs aussagekräftigen Satz zu den Problemen mit seiner Maske über die Lippen zu bringen, bevor er dazu übergeht, die Fragen der größtenteils aus Los Angeles mit angereisten Journalisten mit einsilbigen Antworten abzuschmettern.

Es brodelt hinter den Kulissen

Wie enttäuscht er sei? "Sehr." Was seine erste Reaktion gewesen sei? "Schock." Details zum Spiel? Ein Nicken, ein Kopfschütteln, ein "Nah". Nach ungefähr drei Minuten verständigen sich die Pressevertreter darauf, das Theater von sich aus zu beenden.

Ein Schauspiel, das sich nach der folgenden Niederlage gegen die Wizards wiederholen sollte. Vermutlich war das Schweigen eine Art Schutzreflex. Ein Sicherheitsmechanismus, der zusammen mit Bryants Erfahrung aus 15 Jahren NBA verhindert, dass er in der Öffentlichkeit explodiert.

Denn hinter den Kulissen brodelt es gewaltig. Einige Spieler, unter ihnen auch Bryant und Fisher, sprechen Coach Brown das nötige Fachwissen ab. Sie trauen dem ehemaligen Cavaliers-Coach nicht zu, die schwächelnde Offense wieder auf Vordermann zu bringen.

Schlechtester Punkteschnitt seit Einführung der Shotclock

Sie machen ihren Trainer und dessen Hang, alles zu kontrollieren, dafür verantwortlich, dass L.A. in der bisherigen Saison den schlechtesten Punkteschnitt (94) aller Lakers-Teams seit Einführung der 24-Sekunden-Shotclock zu verbuchen hat. Kurz: Seit 1954.

Sie beraumen Treffen ohne Brown an und diskutieren, wie man die Triangle Offense von Ex-Coach Phil Jackson wiederbeleben könnte. Denn mit ihr, so sind sich Bryant, Fisher und Co. sicher, kann man wieder zu alter Dominanz zurückfinden.

Gerüchten zufolge planen die Spieler sogar, sich gegen ihren Trainer zusammenzuschließen und auf eigene Faust Teile der alten Taktik im Spiel anzuwenden.

Gasol: "Keine 100 Prozent"

Offiziell streitet Bryant solche Vorhaben natürlich ab, dennoch ist der erneute Unmut im Team nicht von der Hand zu weisen. Und das, obwohl sich beide Seiten nach dem All-Star-Break etwas angenähert hatten.

Brown hatte nach Gesprächen mit den Spielern das Trainingspensum zurückgeschraubt, in der Offense weniger rotiert und den Routiniers auf dem Court mehr Entscheidungsfreiheit eingeräumt. Diese belohnten das, indem sie sich wieder an seine Vorgaben hielten. Jedenfalls bis jetzt.

Mittlerweile räumt Pau Gasol öffentlich ein, dass man "im Moment vielleicht einfach nicht 100 Prozent" geben würde. Und Ersatz-Forward Matt Barnes spricht gar davon, dass das Team in Washington nicht einmal mehr versucht habe, zu kämpfen.

Tiefer Graben zwischen Trainer und Team

Und auch Browns Aussagen nach dem Wizards-Spiel lassen auf einen tiefen Graben zwischen Trainer und Team schließen. "Die Sache ist ganz einfach", sagt er.

"In der ersten Halbzeit hat das Team so gespielt, wie es spielen soll. In der zweiten Halbzeit nicht." Es ist eine nur halbherzig versteckte Kritik an Bryant und Andrew Bynum, die sich scheinbar erneut Browns Anweisungen widersetzten.

Die öffentliche Kritik ist für viele Insider Browns letzter Versuch, sich gegen Bryant durchzusetzen. Bereits in Cleveland hatte Brown gegen LeBron James den Kürzeren gezogen und musste dem Superstar volle Handlungsfreiheit einräumen.

Spielt L.A. zuhause über den Verhältnissen?

Gleiches droht nun scheinbar auch in Los Angeles. Gerüchten zufolge soll Brown Bryant trotz der öffentlichen Kritik bereits erhebliche Freiheiten zugesichert haben.

Das kommt allerdings nicht überall gut an. Pau Gasol kritisierte in einem Interview mit einem spanischen Radiosender etwa "das übergroße Selbstbewusstsein und den Egoismus einiger Spieler im Team".

Fragen werden laut, ob die Lakers tatsächlich auswärts so schlecht sind - oder doch eher zuhause im Staples Center über ihren eigentlichen Verhältnissen spielen.

Lakers im Westen nur noch Fünfter

"Vielleicht ist es ja tatsächlich so, dass wir uns in der eigenen Halle besser aufs Spiel konzentrieren", räumt Coach Brown ein. In Team-nahen Kreisen heißt es, dass sich Bryant und Brown vor den eigenen Fans nicht blamieren wollen und deshalb alle Machtkämpfe wenigstens kurzzeitig ad acta legen.

Wie viel Wahrheit in diesen Gerüchten steckt, ist fraglich. Fakt ist: Die Lakers liegen in der Western Conference nur noch auf Platz fünf und müssen derzeit eher Dallas im Nacken fürchten, als dass sie nach vorne in Richtung Oklahoma City oder San Antonio orientieren könnten.

"Wir sind uns unserer Lage durchaus bewusst", sagt Gasol. Wie sehr sich der 31-Jährige der Situation bewusst ist, wird deutlich, wenn er ungefragt im Anschluss an die eigentliche Frage mehrere Minuten lang über die letzten Spiele der direkten Tabellennachbarn referiert.

Insider: Road Trip entscheidet

Ebenfalls nicht wegdiskutieren lässt sich die Tatsache, dass die Lakers hinter Bryant, Bynum und Gasol dünn besetzt sind. Und, dass Bryant bereits vor einiger Zeit Druck auf die Teamführung ausgeübt hat, um einen Trade in die Wege zu leiten, der ihm einen breiteren Support-Cast nach Los Angeles bringt.

Scheinbar mit Erfolg. Denn ein Lakers-Insider verriet SPOX jetzt, dass das Abschneiden des Teams während des aktuellen Road Trips (in Detroit, Washington und Minnesota) entscheidend für das weitere Vorgehen ist.

Nur bei drei Siegen - so offenbar die Ansage vor der Abreise aus Los Angeles - hätte man die Gemüter beruhigen und die Trade-Deadline entspannt auf sich zukommen lassen können. Nach den zwei bitteren Pleiten stehen jetzt aber alle Zeichen auf Trade.

Gasol muss gehen

Gehen muss demnach Gasol. Und das nicht nur wegen seiner jüngsten Kritik an Bryants Egoismus. Nur wenn man den Spanier zeitnah abgibt, bekommt man im Gegenzug noch die Spieler, die die Lakers nicht erst mittelfristig zu einem besseren Team machen.

Gasol wird schließlich nicht jünger und sein Marktwert mit jedem auch nur mittelmäßigen Lakers-Spiel geringer, so die implizierte Rechnung.

Coach Brown will von einem Trade offiziell allerdings noch nichts wissen. Er beteuert weiterhin, dass man auch mit dem aktuellen Kader den Titel gewinnen kann.

Brown und sein Mavs-Vergleich

"Wenn alles passt", so Brown, "dann ist auch so der Titel drin. Dann kann man auch mit einem Team die Meisterschaft gewinnen, das auf dem Papier nicht das beste ist." Das habe man doch im letzten Jahr bei den Mavericks gesehen.

Was er bei seinem Dallas-Vergleich allerdings unter den Tisch fallen ließ, ist der Fakt, dass bei den Lakers derzeit oft weniger passt.

Weitere Nachfragen werden dezent abgeblockt - und so ist es ganz plötzlich wieder still im Locker Room der Lakers. Die letzten Spieler packen ihre Sachen und schlurfen die wenigen Meter bis zum wartenden Bus. Niemand redet. Selbst im Palace ist es mittlerweile still.

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