Strok'n'Goal

Von Sebastian Hahn
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© Twitter/IvicaStrok10

Die Frage, wer der beste Fußballspieler aller Zeiten war, beschäftigt die Fußballwelt bis heute. Pele? Maradona? Zidane? Ronaldo? Messi? Im Jahr 2042 werden viele mit dem Namen "Ivica Strok" darauf antworten, denn der Kroate sammelte in seiner Karriere über 50 Titel und machte Celtic Glasgow zu einem der ganz großen Namen in Europa - in der virtuellen Welt.

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Das National Football Museum in Manchester hütet die größten Schätze der englischen Fußballgeschichte. Neben einem Replikat der englischen WM-Trophäe von 1966 schmücken auch Trikots von Legenden wie Bobby Charlton, George Best oder David Beckham die Räume des Komplexes im Norden Englands. Auch internationale Größen wie Pele, Diego Maradona oder Lionel Messi haben dort ihren Platz. Seit neuestem hängt auch ein Trikot mit der Nummer zehn von Celtic Glasgow in den heiligen Hallen der FA. Sein Besitzer? Ivica Strok, Celtic-Legende und einer der besten Fußballer aller Zeiten. Dabei hat der Kroate in Wirklichkeit nie ein Profispiel absolviert.

Denn Strok ist erstmal nicht mehr als ein zufälliger Spieler, der bei der britischen Manager-Simulation Football Manager generiert wurde, um einen realen, zurückgetretenen Spieler zu ersetzen. Für Jonathan Sharples ist der Kroate aber viel mehr als eine zufällige Ansammlung von Pixeln. Schließlich füllte der Engländer den virtuellen Körper des Kroaten mit Leben - und erzeugte so einen Kult, der auch ihm half, über die schwerste Phase seines Lebens hinwegzukommen.

Samaras nicht gut genug für Europa

Aber der Reihe nach: Sharples startet Anfang 2014 beim Football Manager eine Karriere und kommt zunächst beim schottischen Klub Hearts of Middlothian unter, bevor er nach zwei Meistertiteln in drei Jahren vom Traditionsklub Celtic FC abgeworben wird und nach Glasgow zieht. Prompt dominiert Celtic wieder die schottische Premier League, holt drei Meistertitel in Folge.

Wirklich zufrieden ist Sharples mit seinem virtuellen Team aber nicht, schließlich ist er im Angriff abhängig von Georgios Samaras, der nach seinen Angaben gegenüber der Online-Plattform "Vice" nach "höchstens einmal in drei Spielen trifft. Das reicht vielleicht für den Titel in Schottland, aber in Europa reißt du damit nichts."

Treffen sich ein Iraner und ein Kroate...

Ein neues Sturmtalent muss also her, Sharples beordert den ehemaligen iranischen Nationalspieler Nashat Akram nach Osteuropa, um dort sein nächstes Sturmjuwel auszugraben. Schnell bekommt Akram Wind von einem Wunderknaben, der in der zweiten kroatischen Liga bei NK Zagreb spielen soll. Ivica Strok, zu diesem Zeitpunkt bereits kroatischer Junioren-Nationalspieler, steht aber nicht nur auf dem Radar der Schotten. "Ich glaube, es waren so viele Scouts im Stadion, dass sie die Zuschauerzahl verdoppelt haben", berichtet Akram in der Biographie von Strok. Manchester City, Bayern München, der FC Barcelona und, und, und - Strok darf sich seinen Wunschverein quasi aussuchen, entscheidet sich am Ende tatsächlich für The Bhoys.

Manager Sharples erklärt auf der Pressekonferenz zum Transfer des im Jahr 2020 19-jährigen Strok die Gründe: "Wir konnten ihm als einziger Verein einen Platz in der ersten Mannschaft garantieren. Das hat den Ausschlag gegeben." Für fünf Millionen Pfund wechselt der junge Kroate ins kalte Schottland - und schlägt sofort ein. In seinen ersten vier Saisons im Celtic Park erzielt er 157 Tore und überflügelt damit den eigentlichen Stammstürmer Marcel Kovar. Der Tscheche, der 2024 zum AS Monaco wechselt, kommt in acht Jahren in grün-weiß nämlich gerade mal auf 132 Hütten.

Empfehlung von CR7

Durch den Abgang seines Konkurrenten wird Strok zum unangefochtenen Stammspieler im Angriff der Glasgower. "Er ist ein besonderer Spieler, das habe ich bereits in der ersten Trainingseinheit mit ihm gesehen. Ich habe Manager Sharples geraten, ein Team um ihn aufzubauen", erklärt kein geringerer als Cristiano Ronaldo, der seine Karriere bei Celtic ausklingen lässt. Genau das macht Sharples dann auch in der Saison 2024/25 - und erreicht mit seinem Team erstmals das Champions-League-Endspiel.

Bereits im Vorjahr hatte Strok mit der Europa League seinen ersten großen internationalen Titel eingeheimst und zugleich den ersten von insgesamt 17 goldenen Schuhen für den besten Torschützen in Schottland eingesammelt. Im Endspiel der Königsklasse bringt er "sein" Celtic dann mit einem satten Schuss aus 16 Metern in Führung. Es ist sein 61. Treffer in der laufenden Saison. Keeper Raymond Dekker, der übrigens bescheidene 2,10 Meter misst, hält kurz darauf einen Elfmeter von Eden Hazard, bevor Jose Ribeiro die Partie für die Bhoys entscheidet.

Don't mess with Ivica!

Während der Großteil der Mannschaft zum Jubel mit dem Portugiesen abdreht, bleibt Strok versteinert im Strafraum stehen - denn Ribeiro hatte einfach selbst abgeschlossen, obwohl er auf Strok hätte querlegen können. Sofort wird der Kroate, dessen Jugend-Idol Mario Mandzukic war, bei Manager Sharples vorstellig und fordert den Transfer von Ribeiro. Offiziell wird Strok von Celtic dafür mit einer Strafe belegt, im Sommer trennt sich der Klub trotzdem vom Portugiesen, der zu Newcastle United wechselt. "Ivica ist ein zentraler Baustein unserer Klubs, die Mannschaft muss zu ihm passen", erklärt Sharples in Stroks Biografie.

Über die Jahre fallen immer mehr Spieler dem herrischen Strok zum Opfer, der keine Stars neben sich bei Celtic haben will. So vergrault er etwa 2039 Alan Garcia (übrigens ein schottischer Nationalspieler mit mexikanischen Wurzeln), der ihn als "arrogantesten Sack, mit dem ich je zusammengespielt habe", bezeichnet.

Strok'n'Goal

Strok kümmert das alles wenig, bis zu seinem Karriereende 2042 sammelt er insgesamt 23 Meisterschaften in der schottischen Premier League (alle in Folge), 18 Pokalsiege, vier Champions-League- und Klub-WM-Titel und einen Triumph in der Europa League. Am Ende stehen 836 Tore in 903 Spielen für Celtic zu Buche, die Fans beschreiben seinen Spielstil mit dem Wortspiel "Strok'n'Goal". Mit Kroatien holte er zudem 2032 den EM-Titel in Belgien, natürlich nach einem Strok-Doppelpack im Finale gegen England. In der Folge ziert er als erster Fußballer neben Lionel Messi das Cover des Time Magazines, Ivica ist zwischenzeitlich in Schottland einer der beliebtesten Babynamen - für Sharples ist er aber noch weit mehr.

Denn der Engländer kreiert um seinen virtuellen Star herum einen richtigen Kult. Er richtet einen Twitter-Account ein, berichtet über die Leistungen von Strok und informiert die Fans auch über sein Bestreben, FIFA-Präsident zu werden. "Ich bin wie Geppetto und er wie Pinocchio. Ich halte seine Fäden in der Hand", erklärt Sharples. Nach seinem Karriereende arbeitet Strok aktuell an einem Film über sich selbst und nimmt bei der englischen Show "Dancing with the Stars" teil. "Ivica Strok hat zwischendurch durch mich gelebt. Wir waren und sind tief miteinander verwurzelt", beschreibt Sharples.

Die Blase platzt

Dann holt Sharples die Realität aber brutal ein. Sein Bruder, der ihn vor Jahren für den Football Manager begeisterte, begeht kurz vor Weihnachten 2014 Selbstmord. "Weihnachten wurde plötzlich zur Nebensache. Ich hatte neben meiner Familie nur noch den Football Manager, um mich abzulenken. Das hat mir in der Zeit viel geholfen", erklärt Sharples. Er intensiviert in der Folge seine Arbeit am Twitter-Account von Strok, der mittlerweile über 3.500 Follower hat. Bedingt durch das Karriereende Stroks hat Sharples dann eine Idee. Er bietet auf eBay 100 Tickets für ein fiktives Abschiedsspiel für den Kroaten an, inklusive eigenem Stadionheft. Binnen weniger Stunden gehen die Karten für je fünf Pfund das Stück über die virtuelle Ladentheke, Sharples spendet das Geld an eine Initiative zur Selbstmord-Prävention.

Die Aktion bringt ihm auch die Aufmerksamkeit des englischen Fußballverbands FA ein, die ein Celtic-Trikot mit der Nummer zehn sowie ein paar der Stadionhefte für Stroks Abschiedsspiel fortan im National Football Museum ausstellt. Im Rahmen der "Pitch-to-Pixel"-Ausstellung hat sich Sharples mithilfe von Strok also seinen Platz in der Geschichte des britischen Fußballs gesichert. Und die Karriere des Kroaten ist noch lange nicht vorbei: Denn neben seiner FIFA-Präsidentschaftskandidatur macht er mittlerweile Werbung für Nike und die US-amerikanische Staubsauger-Marke "Hoover". Zumindest in der virtuellen Welt muss er sich als nicht vor den großen Stars dieser Generation verstecken - auch wenn Staubsauger-Werbung jetzt vielleicht nicht so unfassbar sexy ist.

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