"Das IOC hat aus meiner Sicht eine klare, vorausberechnete Strategie. Das IOC kann nicht ernsthaft behaupten, dass es beim Internationalen Sportgerichtshof CAS eine Bestätigung der Sperren erwartet hat. Wenn Anti-Doping-Experten das nicht erwartet haben, wie dann das IOC bitte?", sagte Sörgel im Interview mit dem SID.
"Aus Sicht des IOC haben das IOC und Thomas Bach richtig gehandelt, aus Sicht des Sports haben sie unanständig gehandelt. Sie haben den Sportfan für dumm verkauft und ihn damit auch beleidigt", ergänzte Sörgel.
IOC-Sprecher Christian Klaue erwiderte, dass "Herr Sörgel zu viele Kriminalromane gelesen" habe. "Man braucht schon sehr viel Phantasie, um zu behaupten, all das wäre genauso vorauszusehen gewesen", sagte Klaue.
43 Athleten lebenslang gesperrt
Im Vorfeld der Olympischen Spiele hatte das IOC wegen des Dopingskandals insgesamt 43 russische Athleten lebenslang für Olympia gesperrt. Der CAS hatte in der vergangenen Woche die Sperren von 28 Sportlern aufgehoben. In elf weiteren Fällen wurden Doping-Verstöße festgestellt und die Einsprüche nur teilweise bestätigt.
Das Urteil hatte Kritik auch vom IOC-Präsidenten Bach hervorgerufen, der Tauberbischofsheimer hatte zudem Reformen beim CAS angemahnt.
"Weiteres Kapitel der Verblendung"
"Es ist ein weiteres Kapitel der Verblendung der Öffentlichkeit durch den organisierten Sport. Der CAS hat in den letzten Jahren eine Reihe von Entscheidungen getroffen, die mich auch erstaunt haben. Aber für welches Gericht gilt das nicht?", sagte Sörgel: "Wenn Herr Bach mit Reformen meint, dass der CAS quasi ein Teil des IOC werden sollte und die Spielchen ohne Widerstand mitmacht, dann wäre das eine weitere katastrophale Niederlage für den Sport."
Klaue meinte: "Herr Sörgel sagt ja selbst, dass das CAS eine Reihe unvorhersehbare Urteile in den vergangenen Jahren getroffen hat. Dies gilt auch hier. Es wäre mal gut zu hören, wie Herr Sörgel eine Korrektur der Ergebnislisten von Sotschi umgesetzt hätte. Unanständig wäre es, wenn man dies nicht versucht hätte."
Sörgel stellt dem deutschen IOC-Präsidenten zudem generell kein gutes Zeugnis aus: "Wenn man eines Tages auf seine Amtszeit zurückblickt und er so weitermacht wie bisher, wird er sich in die Reihe der Präsidenten einreihen, die der olympischen Bewegung schwer geschadet haben."