RUSAF bleibt für Rio gesperrt

SID
Russlands Leichtathleten dürfen wohl nicht an den Olympischen Spielen in Rio teilnehmen
© getty

Keine Gnade für Russlands Leichtathleten, aber ein Olympia-Schlupfloch für "saubere" Sportler: Der Weltverband IAAF hat am Freitag die Sperre gegen die russischen Leichtathleten wegen systematischen Dopings auf unbestimmte Zeit verlängert.

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Ein Ausschluss des russischen Verbandes RUSAF von den Olympischen Spielen scheint damit nur noch eine Formalie, doch die Möglichkeit eines Rio-Starts für russische Einzelaktive "ohne Verbindung zum System" der RUSAF oder erwiesene Doping-Gegner lässt der IAAF-Beschluss ausdrücklich offen.

Die schwierige Entscheidung von sporthistorischer Dimension muss nun das Internationale Olympische Komitee (IOC) um seinen deutschen Präsidenten Thomas Bach fällen. Für Samstag kündigte das IOC denn auch umgehend eine Telefonkonferenz seines Exekutivkomitees an.

"Es ist ein trauriger Tag für unseren Sport. Aber die RUSAF hat die Bedingungen zur Wiedereinsetzung seiner Mitgliedschaft in der IAAF nicht erfüllt und bliebt damit suspendiert", sagte der britische IAAF-Präsident Sebastian Coe, als er am frühen Freitagabend nach stundenlanger Sitzung unter riesigem Journalisten-Andrang den Beschluss des IAAF-Councils verkündete.

Das Gremium hatte auf Basis von vier Empfehlungen der IAAF-Task-Force einstimmig entschieden, dass es keinen Grund gebe, die am 13. November 2015 gegen den RUSAF ausgesprochene Suspendierung aufzuheben.

Ausnahmeregelungen möglich

Allerdings lässt die Entscheidung des Councils ausdrücklich Raum dafür, einer kleinen Anzahl russischer Athleten wieder "Grünes Licht" für internationale Starts zu geben - so die in Betracht kommenden Aktiven glaubwürdig nachweisen können, absolut frei von jedem Dopingverdacht oder nachdrücklich gegen Doping eingetreten zu sein. Sollten die Ausnahmeregelungen greifen, können russische Athleten jedoch nur unter neutraler Flagge und nicht unter Russlands Banner starten.

So könnte zum Beispiel Stabhochsprung-Weltrekordlerin Jelena Issinbajewa - mit Segen des IOC - in Rio um ihr drittes Olympia-Gold kämpfen. Aber auch Whistleblowerin Julija Stepanowa, die mit ihren Aussagen in der ARD die Affäre um die Russen ins Rollen gebracht hatte, könnte als Belohnung die Startberechtigung für Rio erhalten.

"Wir sind extrem enttäuscht von der Entscheidung, die zum erstmaligen Ausschluss von Leichtathleten eines ganzen Landes führt", kommentierte das russische Sportministerium die Entscheidung schon vor ihrer offiziellen Verkündung in Österreichs Hauptstadt. Hausherr Witali Mutko deutete zudem eine Verschwörung an und fügte hinzu: "Diese Entscheidung hätten wir voraussagen können. Wir werden reagieren."

Die zweimalige Stabhochsprung-Olympiasiegerin Issinbajewa witterte angesichts der Bestätigung der Sperre eine Verschwörung: "Ich sehe das als Diskriminierung unserer Nation, weil wir aus Russland sind."

Weniger als zwei Monate vor Beginn der Olympischen Spiele möchte sich die 34-Jährige mit dem Ausschluss nicht abfinden: "Das ist eine Menschenrechtsverletzung. Ich werde nicht schweigen, sondern kämpfen." Notfalls wolle sie eine Klage beim Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte einreichen: "Ich werde IAAF und WADA beweisen, dass sie die falsche Entscheidung getroffen haben.

DLV bewertet Entscheidung kritisch

Beim Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) bewertete Präsident Clemens Prokop das Ergebnis von Wien kritisch. "Ich begrüße die konsequente Entscheidung über den russischen Ausschluss. Gleichzeitig stehe ich dem Beschluss, vermeintlich sauberen Athleten eine Startberechtigung zu geben, mit größter Skepsis gegenüber. Wenn ein Anti-Doping-Programm in der Vergangenheit nachweislich nicht funktioniert hat, kann Chancengleichheit nicht gegeben sein", sagte Prokop dem SID. Dies sahen die 24 abstimmenden Council-Mitglieder der IAAF - der Russe Michail Butow sowie der Kenianer David Okeyo sind derzeit suspendiert und ein weiteres Mitglied war privat verhindert - jedoch ein wenig anders.

Ein Bericht der Task Force sollte am Freitag darlegen, ob die Russen die in einem umfassenden Maßnahmen-Katalog auferlegten Kriterien zur Wiederzulassung erfüllt hätten. Dies war nach Ansicht der Prüfer insgesamt nicht der Fall. Erst am Mittwoch hatte auch die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) neue, eklatante Anschuldigungen in Sachen Doping, Manipulation und Korruption gegen Russland vorgebracht.

Coe ohne Handlungsspielraum

Entsprechend wirkungslos blieben am Tag der Entscheidung die Rettungsversuche der russischen Staatsführung: Ein Appell von Kreml-Chef Wladimir Putin ("Es kann keine Kollektivverantwortung aller Athleten geben. Das ganze Team kann nicht verantwortlich gemacht werden für einen Einzelnen, der gegen die Regeln verstoßen hat") nutzte Stunden vor dem IAAF-Beschluss ebenso wenig wie zuvor heftige Beteuerungen seines umstrittenen Sportministers Witali Mutko ("Überdenken Sie die Sperre"), um die Russen noch vor der bevorstehenden EM in Amsterdam (6. bis 10. Juli) wieder auf die Wettkampf-Bühne zu bringen.

Die selbst schwer angezählte IAAF samt Boss Coe hatte faktisch keinen Handlungsspielraum mehr: Der Verband hätte ansonsten seine letzte Glaubwürdigkeit eingebüßt.

Das IOC kann nun eigentlich nicht anders, als dem IAAF-Verdikt zu folgen. IOC-Chef Bach, wenngleich ein Putin-Intimus und Gegner genereller Ausschlüsse, hatte hinlänglich seine Null-Toleranz-Politik betont. Vor der Bekanntgabe der Telefonkonferenz am Samstag war für Dienstag eine Sitzung der IOC-Exekutive zur Beratung über Kollektivsanktionen sowie mögliche Ausnahmeregelungen angesetzt.