Tennis - Doppel-Held Andy Mies im Interview: "Ein Chapuisat-Trikot hat mich zum BVB-Fan gemacht"

Andreas Mies holte sich an der Seite von Kevin Krawietz in Paris den Doppel-Titel.
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Kevin und Sie ergänzen sich sowohl vom Spielerischen als auch von der Persönlichkeit her perfekt. Wie würden Sie die Partnerschaft beschreiben?

Mies: Wir haben die perfekte Mischung gefunden. Spielerisch und charakterlich ergänzen wir uns ideal, das ist definitiv der Schlüssel für unseren Erfolg. Im Spielerischen sind wir vor allem auch deshalb so schwer zu schlagen, weil wir den Gegnern keine große Angriffsfläche bieten. Wir sind beide gute Allrounder. Wir können beide gut aufschlagen, retournieren und am Netz agieren. Wir sind da beide sehr stabil. Kevin ist der ruhigere Typ, ich bin sicherlich deutlich emotionaler. Aber das hilft uns enorm. Wenn ich mal unruhig werde, kann mich Kevin runterbringen. Und wenn Kevin mal zu ruhig ist und Energie braucht, kann ich ihn hochziehen. Wir pushen uns gegenseitig. Wir sind inzwischen auch richtig gut eingespielt und haben ein blindes Verständnis entwickelt, jeder weiß genau, wie der andere tickt und wie er auf dem Platz reagiert. Wir haben eine unglaublich positive Energie auf dem Court.

Dennoch war es ja nicht abzusehen, dass es so weit gehen würde in Paris. Wieoft mussten Sie umbuchen?

Mies: Zum Start habe ich eine Airbnb-Bude für vier Mann von Sonntag bis Sonntag gebucht. 2018 hatten wir bei unserem ersten gemeinsamen Grand-Slam-Turnier in Wimbledon die dritte Runde erreicht. Ich hielt es für einigermaßen realistisch, aber durchaus auch optimistisch, dass wir wieder die dritte Runde erreichen. Deshalb habe ich für eine Woche gebucht. Als wir die dritte Runde gewonnen haben, wollte ich direkt nach dem Match verlängern, leider war die Bude aber nicht mehr verfügbar. Also habe ich eine andere genommen und bis Donnerstag klargemacht. Nach dem Halbfinale war es zum Glück kein Problem, das Apartment noch bis Sonntag zu verlängern. Das Problem war eher, dass wir am Ende da mit neun Mann geschlafen haben. (lacht) Es war auch gar nicht so einfach, alle neun Mann jeden Tag in den Shuttle zu kriegen, der uns zur Anlage und wieder nach Hause gebracht hat.

Die Krawietz/Mies-Gang brüllte das deutsche Duo zum Titel!
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Die Krawietz/Mies-Gang brüllte das deutsche Duo zum Titel!

Mies: "Für die erste Runde kriege ich 25 Euro"

Jetzt haben Sie als Team für den Erfolg 580.000 Euro bekommen und zum ersten Mal richtig Kohle eingestrichen. Sie haben erzählt, wie mies die Preisgelder auf der Future-Ebene und dann auf der Challenger Tour sind, dort gibt es für den Sieg 200 bzw. 1100 Euro. Wenn ich bei einem Future 200 Euro für den Sieg kriege, was mache ich bitte, wenn ich da in der ersten Runde verliere?

Mies: Das ist hart, sehr hart. Als ich mich 2016 nach meiner Knie-Operation auf das Doppel spezialisiert habe, wusste ich, dass ich mich jetzt Schritt für Schritt von ganz unten hocharbeiten muss. Wenn ich bei einem Future die erste Runde gewinne, kriege ich 49 Euro. Wenn ich sie verliere, kriege ich 25 Euro. Was das bedeutet, kann sich jeder vorstellen. Viele Future-Turniere werden in Hotel-Resorts ausgetragen und die wollen dann auch, dass du dort schläfst. Dort kostet eine Nacht aber mindestens 55 oder 60 Euro. Da kann ich das Turnier gewinnen und zahle trotzdem drauf. Und auf der Challenger-Ebene zahlst du auch noch drauf, wenn du nicht gerade das Finale erreichst. Allerdings bekommst du bei den Challengern auch mal das Hotel bezahlt, da wird es schon deutlich besser.

Das bedeutet aber auch eine Menge Druck am Anfang, oder?

Mies: Absolut, mir war von Anfang an klar, dass ich ziemlichen Druck habe, so schnell es geht nach oben zu kommen - mit dem Ziel, sich auf der ATP Tour zu etablieren. Das haben wir Anfang des Jahres zum Glück geschafft und jetzt ist eh alles anders. Jetzt hat mal die Kasse geklingelt. (lacht) Die Kohle ist auch ein schöner Bonus und sorgt dafür, dass wir nicht mehr so jonglieren müssen und in Ruhe planen können. Aber in erster Linie geht es für uns darum, dass wir unser Leben als Tennisprofi genießen, Spaß haben, bei den größten Turnieren der Welt um Titel mitspielen und möglichst noch ein paar gewinnen wollen.

Mies: "Nach meiner Knie-OP war ich am Boden"

Gab es nicht mal den Moment, an dem Sie dachten, dass das so alles keinen Sinn ergibt, weil es sich eben nicht rechnet?

Mies: Grundsätzlich war ich von mir und meiner Qualität als Tennisspieler immer überzeugt und bin immer geduldig geblieben. Dennoch war es hin und wieder auch eng. Wenn du irgendwo in Rumänien mit der Bimmelbahn zum Future fährst, auf die Mütze bekommst und wieder Minus gemacht und keine Punkte gesammelt hast, ist das hartes Brot. Und für den Kopf brutal anstrengend. Mir haben auch einige Leute gesagt, dass ich mir doch lieber etwas anderes suchen solle, aber ich habe mich nie von meinem Weg abbringen lassen. Darauf bin ich stolz. Mein ganzer Weg hat mich so auch sehr geprägt und mental stärker gemacht.

Gab es einen Knackpunkt?

Mies: Nach meiner Knie-OP war ich am Boden. Mein ganzes Leben lang habe ich davon geträumt, Tennisprofi zu werden und eines Tages bei den French Open oder in Wimbledon am Start zu sein. Im Einzel wohlgemerkt. Und dann hieß es 2015: Knorpelschaden, Meniskusschaden. Es war nicht mal sicher, ob ich überhaupt wieder Profitennis würde spielen können. Ob ich überhaupt wieder schmerzfrei sein würde. Dabei wollte ich nach vier Jahren am College in den USA und meinem Abschluss endlich auf die Tour und durchstarten. Stattdessen habe ich anderthalb Jahre mit bereits lädiertem Knie weitergespielt und mein Knie total kaputt gemacht. Zehn lange Monate war ich in der Reha. Das war eine extrem harte Zeit. Mein Traum war so unendlich weit weg. Aber irgendwie wurde in dieser Phase auch mein Kampfgeist auf ganz besondere Art und Weise geweckt. Ich habe wirklich unglaublich hart dafür gearbeitet, um wieder auf dem Platz stehen zu können. Ich habe mich körperlich enorm verbessert, weil ich so sehr zurück auf den Court wollte.

War es einfach, das Einzel dann so komplett abzuhaken?

Mies: Ich habe das relativ rational gesehen. Wenn das Einzel zu hart für meinen Körper ist, warum dann nicht aufs Doppel spezialisieren? Komme ich eher in die Top 30 im Doppel oder eher in die Top 100 im Einzel? So habe ich gerechnet und mich dann für die Doppelkarriere entschieden. Jetzt ist mit dem Grand-Slam-Titel wirklich ein Traum in Erfüllung gegangen. Es hat sich ausgezahlt, dass ich nie aufgegeben habe.

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