Formel-E-Chef Alejandro Agag im Interview: "Leute wie Leonardo DiCaprio helfen uns"

Alejandro Agag erklärt Leonardo DiCaprio die Formel E
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SPOX: Am 2. Dezember geht die Formel E in ihre vierte Saison. Wie zufrieden sind Sie mit der bisherigen Entwicklung?

Alejandro Agag: Ich könnte ehrlich gesagt nicht zufriedener sein, weil wir viel besser dastehen, als wir uns das jemals hätten vorstellen können. Wir hatten drei Jahre großartigen Wettkampf mit drei verschiedenen Champions und ein tolles Finale in der abgelaufenen Saison. Mit dem Engagement von Mercedes und Porsche durften wir im Sommer großartige Neuigkeiten verkünden. Obwohl es jetzt schon so gut wie noch nie in unserer jungen Geschichte läuft, wird es immer noch besser und besser.

SPOX: Vom traditionellen Motorsportfan gibt es aber nach wie vor viel Kritik an der Formel E: Sie sei zu leise, zu langsam und überhaupt zu weit weg vom "echten" Motorsport. Wie können Sie diese Leute überzeugen?

Agag: Ich war einmal im Mercedes-Benz Museum in Stuttgart. Dort steht ein Pferd, auf dessen Sockel ein Zitat von Wilhelm II. zu lesen ist: "Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung." Wir sind jetzt in derselben Situation. Einige Menschen glauben, dass der Elektroantrieb nur eine Phase ist, doch es wird das Gleiche wie mit dem Automobil geschehen. Verbrennungsmotoren müssen früher oder später verschwinden, E-Technik wird die Zukunft sein. Es mag sein, dass einige diese Vorstellung nicht mögen, aber es wird so passieren.

SPOX: Das heißt, der Formel E kommt dann eine ganz andere Bedeutung als heute zu?

Agag: Richtig. In zehn bis 15 Jahren werden wir die wichtigste Motorsportserie überhaupt sein, weil wir die Automobilindustrie der Zukunft repräsentieren. Ich weiß, dass das hochgesteckte Ziele sind, aber wir glauben daran.

SPOX: Immer mehr große Hersteller schließen sich der Formel E an. Das ist zunächst einmal sehr positiv für die Serie. Birgt so eine starke Konkurrenzsituation, wie wir sie in ein paar Jahren haben werden, aber nicht auch zwangsläufig Risiken? Die Formel 1 hat gezeigt, wie sehr Machtkämpfe der Teams Probleme bereiten können.

Agag: Natürlich gibt es da ein gewisses Risiko. Aber als wir in unseren Anfängen steckten, haben wir uns klare Regeln überlegt, damit so etwas nicht passiert. Die Hersteller dürfen bei der Planung und Herstellung von einigen Bauteilen nicht mitreden. Natürlich hören wir uns die Meinung von jedem an, aber am Ende treffen nur die FIA und die Formula E Holding die Entscheidung. Egal, ob das der größte Hersteller der Welt oder ein kleines Team ist - beide haben denselben Einfluss: nämlich gar keinen. Anderenfalls würde es ein großes Durcheinander geben.

SPOX: Auf Herstellerseite hat die Formel E einige Big Player an Bord geholt. Fehlen nun noch die großen Fahrer-Stars wie ein Hamilton, Vettel oder Fernando Alonso?

Agag: Schon Bernie Ecclestone hat gesagt: Die großen Fahrer sind nicht wegen ihrer Selbst berühmt. Sie sind berühmt, weil sie Formel-1-Champions sind und die Formel 1 berühmt ist. Sobald ein Fahrer die Formel 1 verlässt, ist er nicht mehr berühmt. Und das stimmt. Wenn wir also die Formel E groß rausbringen, werden die Fahrer automatisch zu Stars.

SPOX: Glauben Sie, dass die Formel E eine ernsthafte Konkurrenz für die Formel 1 werden kann?

Agag: In meinen Augen sind die Formel E und die Formel 1 sehr gut miteinander vereinbar. Es gibt genug Platz für beide. Die Formel E hat ihr eigenes Publikum und einen ganz anderen Markt als die Formel 1. Die Formel E ist elektrisch, fährt ihre Rennen in Städten und spricht jüngere Fans an. Wir konkurrieren nicht mit der Formel 1.

SPOX: Die vermeintliche Königsklasse des Motorsports steht für VIPs, Glamour und Luxus. Sie haben Paris Hilton in einem Formel-E-Safety-Car um den Kurs in Mexiko City gefahren, Hollywood-Star Leonardo DiCaprio ist Teilhaber des Venturi Formula E Teams. Wie wichtig ist Ihnen diese Art von Marketing?

Agag: Wir setzen unseren Fokus nicht auf Glamour und Luxus, sondern auf Innovation. Wir wollen die junge Generation mit der Technologie der Zukunft gewinnen - Elektroautos, Roboter, Virtual Reality und Drohnen. Aber: Celebritys wie Leonardo DiCaprio sind eng mit einem starken Umweltbewusstsein verbunden und helfen uns natürlich, auf die Formel E aufmerksam zu machen. Wir sind noch nicht so bekannt, also sind solche Leute sehr wichtig für uns.

SPOX: Sie kennen Sich mit Politik und mit Elektrotechnologie aus. Was halten Sie von den Plänen, Verbrennungsmotoren ab 2030 gänzlich zu verbieten?

Agag: Das ist meiner Meinung nach unbedingt notwendig. Politiker haben aufgrund ihrer Position mehr Informationen als der Rest der Leute und wissen besser über die Schwere von Problemen wie Klimawandel und Global Warming Bescheid. Entsprechend sind die Regierungen gefordert, dem entgegenzutreten und diese Gefahren zu stoppen.

SPOX: Zum Beispiel mit Verordnungen, die CO²-Emissionen zu senken?

Agag: Ja. Das ist sehr dringend, weil der Klimawandel das größte Problem überhaupt auf unserem Planeten ist. Wir spüren schon jetzt die Veränderungen und werden das noch viel stärker und schneller spüren, als wir das aktuell denken. Daran besteht für mich gar kein Zweifel. Wir müssen die CO²-Emissionen bis 2020 massiv eindämmen, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Bis dahin sind es aber nur noch zwei bis drei Jahre und wir sind nicht einmal in der Nähe der Vorgaben. Was wir jetzt brauchen, ist ein Anstoß und jede Aktion ist dabei notwendig.

SPOX: Die Formel E steht für Umweltbewusstsein. Um aber vom Rennen in Hongkong zum Rennen in Rom oder Mexiko City zu kommen, müssen Sie mit dem Equipment um den ganzen Planeten fliegen. Steht das nicht im Widerspruch?

Agag: Wenn man den positiven Effekt sieht, den wir mit der Aufmerksamkeit auf E-Fahrzeuge schaffen können, und diesen mit unserem CO²-Ausstoß vergleicht, dann ist das irrelevant. Wir müssen pragmatisch denken. Man kann ja auch kein Omelett machen, ohne vorher die Eier zu zerbrechen. Wenn man nichts macht und die Dinge so lässt, wie sie sind, hat man ein Problem. Wir müssen diesen einen Schritt zurückgehen, um dann 20 nach vorne zu machen.

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