"McGregor wird aussehen wie ein Schuljunge"

Conor McGregor und Floyd Mayweather Jr. wollen ein Feuerwerk abbrennen
© getty

Box-Legende Floyd Mayweather Jr. aus den USA trifft in der Nacht zum 27. August (ab 3 Uhr live auf DAZN) auf den irischen MMA-Kämpfer Conor McGregor. Es ist das Duell zweier Welten, das den Sport spaltet. Vor dem Showdown erklärt Nick Trachte, Gründer des Münchner Boxwerks, im Gespräch mit SPOX, warum der Fight für Floyd ein zweischneidiges Schwert ist, die Stimmung in Dublin, wie McGregors ehemaliger Trainer die Chancenverteilung sieht und weshalb ein Lucky Punch nicht die Rettung sein wird.

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SPOX: Herr Trachte, wenn Floyd Mayweather Jr. erwartungsgemäß gegen Conor McGregor gewinnen und somit den Rekord des in 49 Kämpfen ungeschlagenen Rocky Marciano überflügeln sollte, steigt er der dann endgültig zum besten Boxer aller Zeiten auf?

Nick Trachte: Nein, dies wird er auch dann in meinen Augen nicht sein. Natürlich ist Mayweather einer der besten Boxer, die es gab und ohne Frage der wohl größte Geschäftsmann, den der Boxsport jemals gesehen hat. Wie er sich verkauft, ist genial. Durch sein Auftreten hat er sich ein Image geschaffen, das ihn zum bestbezahlten Sportler des Planeten gemacht hat. Und das, obwohl er nicht in der vermeintlichen Königsklasse angetreten ist: dem Schwergewicht. Der Kampfrekord allein ist nicht entscheidend, sondern vor allem die Gegner, welche man vor den Fäusten hatte. Dabei ist man natürlich auf die Epoche und die möglichen Gewichtsklassen, in denen man überhaupt antreten kann, angewiesen. Generell finde ich eine solche Einordnung deshalb eher schwierig. Es kommt immer auf die Maßstäbe an, die angelegt werden.

SPOX: Ein Maßstab muss bei seinem 50. Kampf als Profi zwangsläufig der Gegner sein. Ist McGregor für diesen geschichtsträchtigen Anlass ein geeigneter Kontrahent?

Trachte: Eigentlich kann er es nicht sein. Es ist ein Duell zwischen einem der besten Boxer aller Zeiten und einen MMA-Fighter, der seinen ersten Kampf als Box-Profi bestreiten wird. Deshalb fehlt etwas die Wertigkeit. Natürlich lässt sich darüber diskutieren, aber die meisten werden mir wohl zustimmen, wenn ich sage, dass der Fight dem Moment nicht gerecht werden kann. Dafür hätte sich Floyd mit einem Boxer messen müssen, der zu den besten aktiven Faustkämpfern gehört. Und das ist nicht der Fall.

SPOX: Hätte die Nevada State Athletic Commission den Kampf zwischen zwei so unterschiedlichen Kämpfern eigentlich überhaupt sanktionieren dürfen?

Trachte: Nicht, wenn sie die üblichen Maßstäbe angelegt hätte. Eigentlich dürfte der Fight nicht in den offiziellen Statistiken aufgeführt werden, sondern müsste als reines Showevent zählen, bei dem sich zwei Ausnahmeathleten messen. Niemand steigt derart hoch ein, da schiebt die NSAC normalerweise einen Riegel vor - und das völlig zu Recht. Es geht zum einen darum, einen sinnvollen Wettbewerb herzustellen und zum anderen sollen die Sportler geschützt werden. Nach einer Anerkennung durch die NSAC hat der Kampf nochmals einen anderen Stellenwert, es lässt sich noch mehr Geld generieren.

SPOX: Eine Katastrophe wie beim Duell zwischen Muhammad Ali und dem japanischen Wrestler Antonio Inoki dürfte den Fans diesmal aber immerhin erspart bleiben.

Trachte: Das stimmt. Ein dermaßen enttäuschender Kampf, wie es der Ausflug Alis damals war, kann der Fight zwischen Mayweather und McGregor auf keinen Fall werden. Dafür werden die Regeln sorgen. Es ist ein Boxkampf und keine undefinierbare Veranstaltung, die lediglich in einem Boxring stattfindet. Auf dem Rücken liegen und treten wie ein Kleinkind wird McGregor also nicht. (lacht) Meine Erwartungen an die boxerische Qualität des Duells halten sich aber aufgrund des unterschiedlichen Niveaus in Grenzen.

SPOX: Dennoch erzeugt der Kampf zwischen einem Boxer und einem MMA-Fighter mehr Aufmerksamkeit als so manches Duell zwischen zwei technisch hochklassigen Boxern.

Trachte: Floyd hat es ja selbst treffend betitelt, es ist der "Money-Fight". Darum geht es in diesem Fall. Die Show und das Geld stehen klar im Vordergrund. Natürlich haben solche Hybrid-Kämpfe zudem eine eigene Anziehungskraft, die mit der eines regulären Boxkampfes schwer zu vergleichen ist. Es ist das Außergewöhnliche, das die Leute dazu bringt, sich den Fight anzusehen. Und natürlich auch die Chance auf eine der größten Sensationen, die die Sportwelt jemals gesehen hat.

SPOX: Sie waren gerade erst in Dublin. Dort dürfte wohl jeder auf das Wunder hoffen.

Trachte: Ich war letzte Woche im Gym von McGregors ehemaligen Box-Trainer Philip Sutcliffe Snr., den ich schon seit 2012 kenne. Wir haben damals zusammen in London Katie Taylor, Vasyl Lomachenko und Anthony Joshua olympisches Gold holen sehen. Jetzt habe ich Philip fünf Jahre später endlich einmal in Dublin besuchen können. Er gibt McGregor übrigens eine "Puncher's Chance", sieht aber ebenfalls Mayweather als klaren Favoriten. Ich selbst gebe Conor eine "Puncher's Chance" von einem Prozent. Mehr nicht.

SPOX: Am Kampf selbst kommt in Irland aber wohl nahezu niemand vorbei.

Trachte: Nein. (lacht) Der Kampf ist wirklich allgegenwärtig. Egal, ob ein 70-Jähriger mit seiner Frau auf einen Tee mit Schuss im Pub sitzt oder man Jugendlichen, die sich ihre Guinness reinziehen, zuhört: jeder spricht über den Fight. Alle haben einfach etwas zu dem Thema zu sagen. Gerade ein Großteil der Leute, die nicht aus dem Boxsport kommen, glauben durchaus daran, dass McGregor das Wunder vollbringen kann. Die etwas Fachkundigeren vor Ort schätzen die Sache jedoch deutlich realistischer ein. Doch selbst diese haben ein Fünkchen Hoffnung, dass es ihr Mann aus Crumlin schafft. Die Stimmung ist überragend, die Leute sind im Fieber.

SPOX: Ist McGregor inzwischen das große Vorbild?

Trachte: Nicht unbedingt. Viele Menschen, mit denen ich gesprochen habe, würden ihn nicht unbedingt als Vorbild bezeichnen. Sie honorieren aber die Leistungen, die er vollbracht hat. Er kommt aus einer Arbeiterfamilie und hat sich hochgekämpft. Dieser Weg wird ihm in Irland hoch angerechnet. Bei jüngeren Fans kann das allerdings etwas anders sein. Da dürften schon einige aufschauen, zu dem Mann aus ihrer Gegend, der in Las Vegas Geschichte schreiben kann. Begeistert sind sie auf jeden Fall und wenn sie dadurch mehr Sport treiben und ihre Energie in geregelte Bahnen lenken, ist auch nichts falsch daran. Keiner von uns kennt den privaten McGregor, nur die Figur, die Tickets verkauft.

SPOX: Und diese kann auf dem Weg in die Geschichtsbücher alles riskieren. Die Fallhöhe hält sich in Grenzen. Kann der Kampf für McGregor negative Nachwirkungen haben?

Trachte: Richtig ist, dass er nichts zu verlieren hat. Der Fight ist für ihn eine reine Win-Win-Situation. Verliert er, hat er eine Niederlage gegen einen der besten Boxer aller Zeiten kassiert - in seinem ersten Boxkampf als Profi. Es gibt wahrlich schlimmere Szenarien, vor allem, wenn man sich das Geld anschaut, das er kassiert. Ungeschlagen ist er sowieso nicht mehr. Zieht er seinen Stiefel durch und stellt seine Performance unter das Motto "Fightin' Irish", dann wird er trotz einer Niederlage im Herz seiner Fans bleiben. Es tut seiner Karriere keinen Abbruch. McGregor wird seinen Weg weiter gehen. Schafft er tatsächlich das Unmögliche, wird er gefeiert und darf sich auf den nächsten Zahltag freuen.

SPOX: Wie muss denn der Gameplan des Iren aussehen, um die Sportwelt zu schocken?

Trachte: Es gibt da ein passendes Motto, das lautet: "Fight a Boxer - Box a Fighter". Floyd ist der Boxer, McGregor der Fighter. Der Ire muss den Kampf suchen, unorthodox agieren, an der Grenze des Erlaubten kämpfen und versuchen, Mayweather so aus dem Konzept zu bringen. Marcos Maidana hat das gegen Floyd gerade im ersten Fight extrem betrieben. Dreckig, unsauber, am Limit: So kann McGregor vielleicht ein bisschen was bewegen. Er darf nur auf keinen Fall auf die Idee kommen, mit Mayweather boxen zu wollen. Dann gibt es nur eine Folge: McGregor wird aussehen wie ein Schuljunge.

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