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NFL - Erkenntnisse zu Lamar Jacksons Rekordvertrag: Sind die Baltimore Ravens jetzt ein Super-Bowl-Kandidat?

Von Stefan Petri
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Quarterback Lamar Jackson hat sich mit den Baltimore Ravens auf eine Vertragsverlängerung geeinigt: Nach langem Hin und Her wird der 26-Jährige nun zum bestbezahlten Spieler der NFL aufsteigen. Wie zufrieden können beide Partien sein? Was bedeutet er für die Kräfteverhältnisse in der Liga - und warum dürfte der Rekord schon in Kürze wieder fallen? SPOX bewertet den Deal.

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Am späten Donnerstagabend, nur Stunden vor dem Beginn des NFL-Drafts, sickerte die Nachricht durch, dass Jackson vor einer Einigung mit den Ravens stehe. Dann ging plötzlich alles ganz schnell, beide Seiten bestätigten den neuen Deal über fünf Jahre. Damit bleibt der 26-Jährige bis mindestens 2027 in Baltimore.

Die genauen Zahlen sind noch nicht offiziell, Medienberichten zufolge handelt es sich aber um einen Vertrag in Höhe von 260 Millionen Dollar. Das macht Jackson mit einem Jahresgehalt von 52 Millionen Dollar zum bestbezahlten Spieler der NFL. 185 Millionen aus dem Vertrag sollen vollständig garantiert sein.

Lamar Jackson
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Lamar Jacksons und die Ravens: Einen Franchise-Quarterback lässt man nicht ziehen

Anfang März hatte Jackson von den Ravens noch einen Trade gefordert. Das Team entschied sich seinerseits, Jackson nur mit einem non-exklusiven Franchise Tag zu belegen, was ihm im Gegensatz zum exklusiven Tag erlaubte, mit anderen Teams zu verhandeln, auch wenn Baltimore selbst bei jedem Angebot hätte mitgehen können. Zwei Jahre lang war immer wieder verhandelt worden, jetzt schien das Tischtuch zwischen Quarterback und Franchise endgültig zerschnitten.

Ein paar Wochen später sind beide Parteien wieder bester Laune: Jackson hat seinen Rekord-Deal und seine Familie für die kommenden Generationen finanziell abgesichert, die Ravens wiederum Planungssicherheit auf der wichtigsten Position im Football und einen Quarterback, mit dem sich der Super Bowl attackieren lässt.

General Manager Eric DeCosta verriet am Donnerstagabend nach Bekanntgabe des Deals, dass man Lamar im Laufe der Verhandlungen fünf oder sechs Angebote gemacht habe. Am Dienstagabend kam schließlich die Nachricht, auf die er gewartet hatte. Gelautet habe sie in etwa: "Ich glaube, wir kriegen den Deal hin. Wir sind nicht mehr weit weg." Auch wenn die Ravens nicht bereit waren, über ihren Schatten zu springen und die kompletten 260 Millionen Dollar zu garantieren - mehr dazu später-, legten sie ihm am Ende einen Rekordvertrag vor.

"Der Markt ist eben so. Aber wir halten so viel von Lamar, dass es ein 'Markt plus'-Deal ist, wenn man das so will", sagte DeCosta. "Für uns ist er der beste Quarterback der Liga und das spiegelt sich im Vertrag wider." Die üblichen Lobhudeleien nach einem erfolgreichen Deal, sicher. Aber es zeigt eben auch, dass man in Baltimore trotz allem wohl nie wirklich bereit war, sich vom MVP der Saison 2019 zu trennen, auch wenn der Vertragspoker laut und hässlich wurde.

Warum also der non-exklusive Tag? Im Nachhinein wohl eher ein kalkuliertes Risiko der Ravens, die den Markt gut analysiert hatten und nicht damit rechneten, dass ein anderes Team über die eigene Schmerzgrenze gehen würde. Umgekehrt war potenziellen Interessenten das Risiko mit zwei Erstrundenpicks und dem geopferten Cap Space offenbar zu groß, zumal die Ravens ohnehin alles matchen würden, was nicht in Deshaun-Watson-Dimensionen vorstößt (5 Jahre/230 Mio. voll garantiert). Mit dem non-exklusiven Tag hätte Baltimore in der kommenden Saison also nur Gehalt eingespart.

Die ganze Aufregung um Jackson war im Nachhinein also ein bisschen übertrieben. Bleibt die Frage, warum die Verhandlungen erst so unangenehm werden mussten. "Es war ein langer Prozess, aber mit der Familie ist es nie einfach", erklärte DeCosta. "Es ist wie ein Streit mit den Eltern oder den Geschwistern, weil auch Emotionen im Spiel sind." Und: "Es war Business und nichts Persönliches." So ist eben das Geschäft. Franchise Tag hin, Trade-Forderung her: Am Ende dürften die 260 Millionen Dollar das zerbrochene Geschirr doch recht schnell kitten.

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Lamar Jacksons Rekordvertrag: Sind Berater überflüssig?

Als sich die Verhandlungen immer weiter stockten und sogar ein möglicher Abschied Jacksons aus Baltimore im Raum stand, lang das für einige Beobachter auch im fehlenden Berater Jacksons begründet. Schließlich vertrat der sich selbst, mit Unterstützung seiner Mutter. Es fehlte vermeintlich jemand mit viel Erfahrung, der weiß, wie man Deals abschließt, der auch mal zwischen zerstrittenen Parteien vermitteln kann.

Dann ging es aber doch überraschend schnell. Eine Rolle dürfte auch der Vertrag von Jalen Hurts gespielt haben. Der 24-Jährige hatte nicht einmal eine Woche zuvor bei den Philadelphia Eagles für fünf Jahre und 255 Millionen Dollar verlängert, natürlich ein Rekord. Aber auch er hatte "nur" Garantien über 185 Millionen Dollar erhalten. Diesen Kontrakt übertrumpft Jackson jetzt um genau eine Million Dollar pro Jahr.

Natürlich kann man spekulieren, ob ein gewiefter, mit allen Wassern gewaschener Agent nicht doch noch die eine oder andere Million herausgeholt und die PR-Wogen geglättet hätte. Angesichts der nackten Zahlen muss man aber konstatieren, dass Jackson so viel nicht falsch gemacht haben kann: Mit der Maximalforderung in die Gespräche gestartet - und am Ende so ziemlich das Maximum herausgeholt. Außerdem spart er das Beraterhonorar von normalerweise drei Prozent ein. Das wären von der garantierten Summe immerhin 5,55 Millionen Dollar.

Sind Berater am Ende einfach überbewertet? Ganz so einfach ist es sicherlich nicht: Wenn man als Franchise-Quarterback im besten Alter in die Verhandlungen geht und als Referenz einen MVP-Award auf den Tisch legen kann, stehen die Chancen recht gut, dass man am Ende nicht am Hungertuch nagen muss. Auf anderen Positionen sieht es mit Sicherheit etwas anders aus. Um es mit Sportrac-Gründer Michael Ginitti zu sagen: "Es ist nicht für jeden das Richtige, aber in diesem Fall scheint alles gut funktioniert zu haben."

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Lamar Jackson: Ist er seinen neuen Rekordvertrag wert?

Auf der einen Seite steht ein Franchise-Quarterback in seiner Prime, der gerade erst seinen Rookie-Deal hinter sich hat, schon einmal MVP wurde und im Gesamtpaket aus Passing und Running so kaum anderswo zu finden ist. Bei stetig steigendem Salary Cap - 2013 waren es knapp 124 Millionen Dollar, 2023 schon über 224 Millionen! - und dem immer stärkeren Fokus auf das Passing Game und damit auf den Quarterback ist ein neuer Rekordvertrag da durchaus verständlich.

Auf der anderen Seite ist Skepsis bei Lamar Jackson durchaus erlaubt: Was das Passing Game angeht, gehört er nicht zur absoluten NFL-Spitze. Eine Saison über 3.200 Yards steht bei ihm noch aus, 6,9 Yards pro Passversuch waren 2022 der schlechteste Wert seiner Karriere - und unter dem NFL-Durchschnitt. Da geht es gar nicht um den noch ausbleibenden Erfolg in den Playoffs, der von vielen Faktoren abhängen kann.

Aber an seinem MVP-Saison 2019 konnte er danach nicht mehr wirklich anknüpfen. Dazu kommen die Verletzungen, die ihn 2021 fünf und 2022 sechs Spiele - darunter eines in den Playoffs - kosteten. Zwar waren diese Knöchel- und Knieblessuren nicht seinem Stil als Running Quarterback geschuldet, er verletzte sich jeweils auf der Flucht vor dem Pass Rush. Aber gleichzeitig hat er seit 2018 eben auch schon 877 Hits einstecken müssen: mehr als jeder andere Quarterback.

Deshalb muss die Frage erlaubt sein, wie gut Jackson altern wird. Einem klassischen Elite-Passing-Quarterback mit 26 würde man in der heutigen NFL-Landschaft locker noch zehn weitere Jahre auf Topniveau zutrauen. Das ist bei Lamar natürlich auch nicht ausgeschlossen, aber als warnendes Beispiel sollte man Cam Newton zumindest nicht außer acht lassen. Der hatte einen ähnlich taxierenden Spielstil, erreichte 2015 im Alter von 26 als MVP den Super Bowl - und hatte schon fünf Jahre später nach mehreren Verletzungen Probleme, überhaupt ein Team zu finden.

Die gute Nachricht für Baltimore: Ein Leistungsabfall wird hoffentlich frühestens beim nächsten Vertrag für Jackson Thema sein, nicht schon bei diesem.

Lamar Jackson: Statistiken seiner Karriere

Regular SeasonSpielePassing Yards / TDsCompletion PerccentageRushing Yards /TDsInterceptions / Fumbles
201816 (7 als Starter)1201 / 658,2695 / 53 / 12
2019153127 / 3666,11206 / 76 / 9
2020152757 / 2664,41005 / 79 / 10
2021122882 / 1664,4767 / 213 / 6
2022122242 / 1762,3764 / 37 / 5
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Lamar Jackson: NFL-Teams ziehen bei Verträgen weiter harte Linie

Selbst wenn es bei den Verantwortlichen in Baltimore Bedenken angesichts der Verletzungsanfälligkeit Jacksons und an dessen schwächeren Statistiken in der vergangenen Saison Zweifel gegeben haben sollte: Den Gesetzen des Marktes konnten auch sie sich nicht entziehen. Und die lauten: Unterschreibt ein Top-Quarterback einen neuen Deal, muss es sich um einen neuen Rekordvertrag handeln - oder es muss zumindest daran kratzen. Die sechs Verträge mit dem höchsten jährlichen Gehalt UND der größten garantierten Summe stammen allesamt von 2022 oder 2023.

Mit anderen Worten: Statistisch gesehen ist aktuell alle paar Monate mit einem historischen QB-Vertrag zu rechnen - woran sich auch so schnell nichts ändern wird (siehe unten).

Eine Tatsache kann Baltimore aber als Erfolg verbuchen, und mit den Ravens auch die übrigen 31 Franchises: Der vollständig garantierte Vertrag von Deshaun Watson bleibt weiterhin eine Ausnahme.

Medienberichten zufolge wollte Jackson unbedingt auch einen derartigen, zu 100 Prozent garantierten Vertrag. Aber den bekam er nicht, wie zuvor genauso wenig Jalen Hurts. Das heißt nicht, dass es in Zukunft keine weiteren, voll garantierten Verträge geben wird. Die gab es auch zuvor schon, als etwa Kirk Cousins 2019 zum Unrestricted Free Agent wurde, oder bei alternden QB-Veteranen.

Aber zugelassen, dass der Watson-Vertrag als Ausgangspunkt für zukünftige QB-Verträge herhalten muss, haben die NFL-Teams bisher nicht. Es bleibt abzuwarten, ob sich daran so schnell etwas ändert.

Vielleicht schon mit Joe Burrow (Cincinnati Bengals) und Justin Herbert (Los Angeles Chargers). Beide gehören zu QB-Elite, beide könnten noch in der laufenden Offseason neue Verträge unterschreiben. Burrow stand schon einmal im Super Bowl, bei ihm wäre kein neuer Rekord-Deal eine echte Überraschung. Auch der supertalentierte Herbert sollte zumindest daran kratzen. Die Preis-Spirale dreht sich also weiter.

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Lamar Jackson: Mehr Waffen als bisher für die Ravens-Offense

Jackson dürfte am Donnerstagabend nicht nur aufgrund seines Zahltags grinsend vor dem Fernseher gesessen haben: Auch die erste Draft-Runde der Ravens hatte es ihm angetan. Dort wählte das Team nämlich Wide Receiver Zay Flowers (Boston College). Ein unheimlich dynamischer Passfänger, gerade bei Post-Routes und tiefen Pässen stark, aber auch vielseitig. "Baltimore war wahrscheinlich mein Lieblingsbesuch vor dem Draft", zeigte sich Flowers aufgeregt: "Es hat alles perfekt geklappt."

Er reiht sich ein in eine Reihe von Playmakern, die die Ravens ihrem alten und neuen QB zur Verfügung stellen, neben Neuzugang Odell Beckham Jr., Nelson Agholor, dem wieder fitten Rashod Bateman und Tight End Mark Andrews. Und der Draft ist ja noch nicht vorbei.

Auf dem Papier sind die Skill Positions damit so gut besetzt wie vielleicht noch nie in der Ära Lamar. Ein Neuaufbau gerade im Receiving Korps war aber auch bitter nötig: Gerade mal 11 Pässe brachten die Ravens letztes Jahr an den Mann, die mindestens 20 Yards in der Luft waren. Nur drei Teams waren schlechter. In drei der letzten vier Spielzeiten waren die Ravens-Wideouts Schlusslicht in Sachen Yards, kein anderes Team wartet schon so lange auf einen Pro-Bowler auf dieser Position.

Teilweise sind diese Stats auch dem Spielstil der Ravens geschuldet. Aber das wird sich jetzt ändern ...

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Lamar Jackson: Sind die Baltimore Ravens jetzt ein Super-Bowl-Contender?

Baltimore hat nämlich nicht nur in Receiver investiert, sondern auch an der eigenen Strategie geschraubt: In den letzten Jahren setzte Offensive Coordinator Greg Roman auf ein physisches Running Game mit einer möglichst dominanten O-Line und Jackson als Running-QB dahinter. Ähnlich hatte er es auch schon zuvor bei den San Francisco 49ers mit Colin Kaepernick gehalten.

Nun wurde Roman aber als OC durch Todd Monken von Georgia abgelöst, mit dem Ziel, eine moderne Passing-Offense aufzubauen. Die soll Jacksons Stärken zwar integrieren, aber dennoch mit der Zeit gehen. Als Vorbild könnten hier die Philadelphia Eagles dienen.

Mit Jackson an Bord bleibt Baltimore auf jeden Fall ein Playoff-Kandidat. Mit einer explosiveren Offense und der traditionell guten Defensive ist womöglich auch mehr drin - aber um die brutale Dichte der AFC zu illustrieren, muss man sich nur die Reihe der übrigen Starting-QBs anschauen. Als da wären:

  • Patrick Mahomes (Chiefs)
  • Joe Burrow (Bengals)
  • Josh Allen (Bills)
  • Aaron Rodgers (Jets)
  • Justin Herbert (Chargers)
  • Trevor Lawrence (Jaguars)

Dazu kämen noch die Texans und Watson, Tua Tagovailoa bei den Dolphins, Russell Wilson und die Broncos ... Garantien gibt es also keine, nicht mal für den Playoff-Spot.

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Immerhin erlaubt es der neue Vertrag für Jackson, weiter am eigenen Kader zu schrauben. Bis zu zehn Millionen Dollar an Cap Space könnte der neue Vertrag freiräumen, und das, obwohl er das Gehalt des QBs so drastisch erhöht. Möglich machen das die schon etwas obskuren Salary-Cap-Regeln: Da werden enorme Summen der Verträge fröhlich unterschiedlich in Grundgehalt, Signing Bonus und dergleichen eingeteilt und verschoben - und tauchen dann als Cap Hit in der aktuellen Saison kaum noch auf.

Die QB-Verträge werden also immer gewaltiger, die Cap Hits der Passwerfer aber gefühlt immer kleiner. Aaron Rodgers soll seinen 58,3 Millionen Dollar schweren Option Bonus für 2023 bei den Jets laut ESPN mal eben in eine Base Salary für 2024 umgewandelt haben. Und so beträgt sein Cap Hit für 2023 nur noch minimale 1,165 Millionen Dollar.

Nicht falsch verstehen: Irgendwann kommt das dicke Ende mit der Rechnung noch. Aber gefühlt eben immer erst im nächsten Jahr ...

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