Besser als Kylian Mbappé, Karim Benzema oder Eduardo Camavinga: Ist Warren Zaïre-Emery von PSG Frankreichs größtes Talent?

Von Naim Beneddra / Patrik Eisenacher
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Warren Zaïre-Emery trumpft mit seinen 17 Jahren für die Pariser in der Champions League auf. Wir vergleichen ihn mit seinen französischen Vorgängern.

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Warren Zaïre-Emery könnte in den kommenden Jahrzehnten den französischen Fußball prägen. Mit gerade einmal 17 Jahren spielt er für Paris Saint-Germain eine herausragende Saison in Ligue 1 und Champions League. Belohnt wurde das am Donnerstag mit der erstmaligen Berufung in Frankreichs A-Nationalmannschaft. In der kommenden Woche könnte er zum jüngsten Nationalspieler der Grande Nation seit dem 2. Weltkrieg werden.

Zaïre-Emery ist auf dem Spielfeld allgegenwärtig, spielte bisher für PSG jede Sekunde in der Königsklasse und gab dabei drei Vorlagen. Eine beispiellose Leistung für einen Spieler seines Alters auf der größten aller Bühnen. Und die Zahlen sagen noch nicht alles über den famosen Eindruck aus, den er hinterlässt. Mit einer Mischung aus Übersicht, Technik und großer Ausdauer lässt er seine Gegenüber bereits regelmäßig alt aussehen.

Es gibt also keine Diskussion darüber, dass Zaïre-Emery derzeit tatsächlich die Attraktion Nummer eins bei PSG ist.

Wie aber schlägt sich der angehende A-Nationalspieler im Vergleich zu den größten französischen Talenten der letzten Jahre - Karim Benzema, Kylian Mbappé, David Trezeguet, Raphaël Varane und Eduardo Camavinga?

Warren Zaïre-Emery, PSG
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Warren Zaïre-Emery (Paris Saint-Germain, Saison 2023/24)

Seitdem "WZE" in der vergangenen Saison von Trainer Christophe Galtier im Spiel gegen Maccabi Haifa seinen ersten Einsatz bekam, hat er nur sehr selten nicht überzeugt. Selbst bei der Pleite im Hinspiel gegen Newcastle United (0:2) gehörte er zu den am wenigsten schlechten Parisern und gab eine Vorlage.

Ist er damit besser als alle bisherigen großen französischen Talente, die ihr Können schon früh in der Champions League unter Beweis stellen durften? Sein Trainer Luis Enrique gehört nicht zu denjenigen, die Einzelspieler in der Öffentlichkeit zu sehr loben, aber beim 17-Jährigen macht der Spanier schonmal eine Ausnahme. "Warren ist ein Diamant", sagte er zuletzt auf einer Pressekonferenz. "Er ist noch sehr jung und hat noch einiges zu verbessern. Er spielt für seine Mitspieler. Er weiß, wohin er auf dem Platz gehen muss, und das ist das Kennzeichen großer Spieler. Es ist leicht, einen Spieler wie ihn mit seinen angeborenen Eigenschaften zu trainieren. Seine größte Eigenschaft ist, dass er demütig ist. (...) Das liegt an seiner Erziehung, denke ich, an seinen Eltern."

Thierry Henry, der ihn kurzerhand in der französischen U21 zum Kapitän machte, meinte nach Zaïre-Emerys Gala inklusive Traumassist gegen Milan vor wenigen Wochen: "Er ist unglaublich. (...) Ich habe noch nie einen jungen Spieler gesehen, der so reif ist. Normalerweise hat man Youngster, die als Stürmer spielen und dort den Unterschied machen. Aber wenn Du im Mittelfeld in einer Mannschaft wie der von PSG spielst, dann musst du dich eigentlich anpassen." Stattdessen habe Zaïre-Emery "den Laden geschmissen. Es ist selten, solch einen jungen Spieler in solch einer Position zu sehen."

Henrys Schlussfolgerung: "Dieser Junge hat keine Grenzen."

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David Trezeguet (AS Monaco, Saison 1997/98)

Zu den französischen Spielern, die schon in jungen Jahren in der Champions League auf sich aufmerksam gemacht haben, gehört definitiv David Trezeguet. Er war erst 20 Jahre alt, als er zum ersten Mal in der Champions League auflaufen durfte, in der Saison 1997/1998 mit der AS Monaco. Trotz der Konkurrenz durch Sonny Anderson, Victor Ikpeba und Thierry Henry setzte er sich in jenem Jahr durch: Trezeguet kam neunmal zum Einsatz und steuerte vier Tore und zwei Assists bei.

Unter seinen Treffern sind besonders sein Doppelpack gegen Lierse SK und sein Treffer im Old Trafford gegen Manchester United hervorzuheben, der den Einzug ins Halbfinale bedeutete. Diese Leistungen waren enorm und überzeugten Nationaltrainer Aimé Jacquet davon, ihn in seinen Kader für die Weltmeisterschaft 1998 aufzunehmen, wo sich Frankreich schließlich erstmals den Titel holte.

In seiner restlichen Karriere war Trezeguet auf Vereinsebene nur einmal besser als 1997/98 (zehn Torbeteiligungen in der Saison 2001/2002).

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Karim Benzema (Olympique Lyon, Saison 2005/06)

Mit seinen 90 Toren ist Karim Benzema zweifellos der beste französische Spieler der Geschichte der Champions League. Und dass ihn dieser Wettbewerb mehr als jeder andere inspiriert, konnte man schon erahnen, als er sein Debüt gab.

Am 6. Dezember 2005, als Trainer Paul Le Guen seine Lyoner Mannschaft rotieren ließ, erzielte der Stürmer den Führungstreffer gegen Rosenborg. 33 Minuten - so lange brauchte er, um in diesem Wettbewerb Spiele zu entscheiden. 13 Tage später feierte er seinen 18. Geburtstag.

Danach erhielt er nicht mehr so viele Einsätze, kam in der gesamten CL-Saison nur drei weitere Male zum Zug.

Dennoch hatte er mit 20 Jahren bereits sieben Tore im Europapokal erzielt. In diesem Bereich war nur Kylian Mbappé unter seinen Landsleuten besser.

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Raphaël Varane (Real Madrid, Saison 2011/12)

Zinédine Zidane, damals noch Nachwuchstrainer bei Real Madrid, empfahl den Klubchefs der Blancos seinerzeit, seinen jungen Landsmann zu verpflichten. Schon in seiner ersten Saison in Madrid bewies der Innenverteidiger, dass er das Zeug zu einem der ganz Großen hat.

Obwohl er erst eine Profisaison beim RC Lens in den Beinen hatte und damals gerade einmal 18 Jahre alt war, beeindruckte Varane durch seine Reife und Robustheit. Und die musste man haben, um sich in diesem Alter seinen Platz bei Real verdienen zu können.

Zwar absolvierte er nach seiner Ankunft nicht direkt jedes Spiel in der Königsklasse, zu vier Einsätzen und einem Tor reichte es auf Anhieb aber.

Im darauffolgenden Jahr war er dann aber nicht mehr zu stoppen und war mit elf Einsätzen Stammspieler. Und 2014 gehörte er zu den Schlüsselspielern von La Décima, dem lang ersehnten zehnten CL-Titel Reals. Nur wenige Franzosen können sich rühmen, sich so schnell und effektiv bei einem der großen Vereine Spaniens durchgesetzt zu haben.

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Kylian Mbappé (AS Monaco, Saison 2016/17)

Sechs Tore in seiner ersten Champions-League-Saison, alle in der K.o.-Phase des Wettbewerbs, und das mit nur 18 Jahren. Wer bietet mehr? Niemand. Der gebürtige Pariser landete wie ein Meteorit auf der schönsten aller Bühnen und seine Leistung im damaligen Frühling 2017 war ein Vorbote einer außergewöhnlichen Karriere.

Der spätere Weltmeister wurde von Monacos damaligem Trainer Leonardo Jardim ins kalte Wasser geworfen und war sofort ein Überflieger. Pep Guardiola und Manchester City erinnern sich noch an seine erstaunliche Leistung im Etihad Stadium im Achtelfinale, die er mit einem herrlichen Tor krönte. Die "Mbappémania" begann. Sie hält bis heute an. Noch vor seinem 20. Geburtstag hatte er bereits zehn Treffer in der Königsklasse erzielt. Das war ein Rekord, den später nur Erling Haaland knackte.

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Eduardo Camavinga (Real Madrid, Saison 2021/22)

Eduardo Camavinga ist erst 21 Jahre alt (er feiert seinen Geburtstag am 10. November) und hat bereits über 100 Spiele für Real absolviert, was viel über sein Talent aussagt. Wie Varane hat er sich schnell seine Sporen bei einem der größten Vereine der Welt verdient.

Im Jahr 2021 kam der gebürtige Angolaner mit gerade einmal 18 Jahren aus Rennes und absolvierte zehn Partien in der glorreichen Champions-League-Saison Reals. Zwar durfte er nur einmal von Beginn an spielen - aber er war gut genug, um Carlo Ancelotti davon zu überzeugen, ihn in fast jedem Spiel einzuwechseln. Und wenn man bedenkt, dass seine Einsätze mit den zahlreichen "Comebacks" von Real in dieser Zeit zusammenfielen, ist es offensichtlich, dass er eine Schlüsselrolle beim Gewinn des Titels spielte. Seine Bedeutung ist in der vergangenen Saison weiter gewachsen. In der K.-o.-Runde stand er in jedem der sechs Spiele in der Startelf und kam insgesamt elfmal zum Einsatz.

Ihm fehlt nur noch ein Tor in diesem Wettbewerb, um sich wirklich auszuzeichnen. Bevor er in die spanische Hauptstadt zog, spielte er schon für Rennes in der Champions League.

Warren Zaire-Emery, PSG, FC Bayern München
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Das Urteil

Kann man angesichts dieser Rückblicke sagen, dass Warren Zaïre-Emery der französische Junior ist, der in der Champions League in jungen Jahren am meisten überzeugt hat?

Die Antwort lautet vorsichtig: ja. Nur Kylian Mbappé ist in der Lage, seinem heutigen Mannschaftskameraden das Wasser zu reichen. Der Vergleich der beiden wird aber naturgemäß dadurch erschwert, dass sie auf unterschiedlichen Positionen spielen.

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