PSG: Droht Paris Saint-Germain gegen den FC Bayern München die nächste Identitätskrise?

Von Patrik Eisenacher / Justin Kraft
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Paris Saint-Germain hat vor dem Achtelfinal-Hinspiel in der Champions League gegen den FC Bayern München Probleme auf vielen Ebenen. Vieles gleicht der Situation von vor einem Jahr. Hat PSG dazugelernt - oder gelingt es Julian Nagelsmann, nach dem Vorbild eines Pariser Ligue-1-Kontrahenten erfolgreich zu sein?

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Paris Saint-Germain und der FC Bayern München haben sich in der Champions League schon so manches packende Duell geliefert. In dieser Saison sind die Vorzeichen aber vollkommen unklar. Noch nach der WM 2022 galt PSG als großer Gewinner, kehrten doch Lionel Messi und Kylian Mbappé durchaus mit viel Selbstvertrauen zurück.

Seitdem läuft für die Franzosen aber fast nichts mehr. Im Januar und Februar kassierte Paris bereits vier Niederlagen (zuletzt zwei in Serie) und spielte einmal Unentschieden. Trainer Christophe Galtier steht stark in der Kritik. Doch was sind die Gründe für die Krise? Und wie kann der FC Bayern, der sich selbst nicht in bester Verfassung befindet, davon profitieren?

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PSG: Nicht nur Kylian Mbappé und Lionel Messi "unsicher"

Die Frage, die bei Paris derzeit alles überschattet: Können Mbappé und Messi spielen? Zuerst blicken wir auf den Weltmeister - gegen Olympique Marseille (1:2) spielte er am 8. Februar mit muskulären Problemen im Oberschenkel über die volle Distanz. In Monaco (1:3) fehlte der mehrfache Weltfußballer folglich. Ob Messi gegen den FC Bayern starten kann, bleibt bis zum Schluss offen - unwahrscheinlich scheint es aber nicht. Galtier verriet bereits im Vorfeld des Monaco-Spiels, dass seine Rückkehr ins Training am Montag geplant sei - und so kam es auch. "Ihr könnt das Wort 'unsicher' daneben setzen", ergänzte der Trainer jedoch.

Auch die Situation von Mbappé stellt ein großes Problem für Paris dar. Anfang Februar vermeldete der Klub, dass sich der Superstar eine Verletzung am Oberschenkel zuzog und bis zu drei Wochen ausfallen werde. Gegen Monaco stand Mbappé noch nicht zur Verfügung. FCB-Coach Julian Nagelsmann spekulierte zwischenzeitlich, dass sein Gegner pokern könne - und er hatte Recht! Am Montag nahm aber auch er am Abschlusstraining teil - Mbappé könnte eine Option von der Bank sein.

Wenig später folgte die Bestätigung: Sowohl Mbappé als auch Messi stehen im Kader. Klarheit herrscht auch bei Marco Verratti, der es ebenfalls ins Aufgebot geschafft hat.

Die PSG-Identifikationsfigur hatte in Monaco wegen Hüftbeschwerden nicht mitwirken können. Für Ex-Bayern-Spieler Renato Sanches wird es zudem vorerst kein Wiedersehen geben, der Portugiese fehlt mit einer Oberschenkelverletzung.

Schwer wog auch der Ausfall von Innenverteidiger Presnel Kimpembe (Achillessehne, seit Mitte November), einer von nur drei gelernten Spielern auf dieser Position im PSG-Kader. Immerhin konnte dieser aber sein Comeback in Monaco feiern. Gut möglich, dass er gegen Bayern spielt.

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PSG: Spielerisch keine Lösungen, Probleme unter Druck

Ohne Kimpembe hat Galtier viel experimentiert und unter anderem auf eine Dreierkette umgestellt. Das hat dazu geführt, dass Nuno Mendes und Achraf Hakimi auf den Außenbahnen noch bedeutender wurden. Mit ihrem Tempo und ihrer Durchsetzungsfähigkeit hatten sie großen Anteil daran, dass Paris nicht noch mehr Spiele verlor.

Auch ein 4-4-2 mit Mittelfeld-Raute und Vitinha als zentralem offensivem Mittelfeldspieler testete der Trainer. Allerdings funktionierte das schon beim 2:1-Sieg gegen Toulouse nicht und noch weniger beim Pokalaus im Stade Velodrome. PSG schaffte es in dieser Grundordnung nicht, den Ball zu halten und zeigte sich anfällig für Fehler. Strukturell passten die Abstände nicht, wodurch die theoretische Überzahl im Zentrum praktisch fast nie erkennbar war.

Keeper Gianluigi Donnarumma stellte fest: "Wir hatten Probleme, den Ball zu halten." Kapitän Marquinhos bestätigte: "Wir haben es nicht geschafft, ihre Reihen schneller zu durchbrechen und haben einige Fehler gemacht, die uns teuer zu stehen gekommen sind."

"Wir haben den Kampf im Mittelfeld verloren, der auf hohem Niveau unerlässlich ist", erklärte auch Galtier, der seit Wochen nach einer passenden Grundstruktur sucht: "Die Spieler müssen sich mental steigern und deutlich mehr Zweikämpfe im Mittelfeld gewinnen."

PSG: Scharfe Kritik an Neymar und Lionel Messi

Genau hier muss auch Nagelsmann ansetzen, will er PSG taktisch ausspielen. Die Münchner sind bekannt für ihr druckvolles Pressing. Mit der ansteigenden Form von Thomas Müller könnte das ein Schlüssel zum Erfolg werden. Auch wenn die Bayern nicht in bester Verfassung sind, sind sie in der Lage, diese Unsicherheiten zu nutzen.

Bleibt für Paris nur die Flucht nach vorn? Auch hier überwiegen die Probleme. Neymar und selbst Messi wurden zuletzt scharf von der französischen Presse kritisiert. Ihnen wurde mancherorts sogar vorgeworfen, nicht alles für Paris zu geben. Ein Eindruck, der vor allem aus der fehlenden Dynamik im Spiel nach vorne entsteht. Viele Querpässe, wenig Ertrag - das ist aktuell die bittere PSG-Realität.

Ohne Mbappé würde der Offensive zudem das Tempo fehlen. Messi und Neymar tun sich ohne dessen Urgewalt schwer damit, Tiefe auf dem Spielfeld zu kreieren. Die hohe Statik auf dem Platz ist aus Sicht von PSG besorgniserregend. Zwar wird die Partie gegen den FC Bayern schon von der Spielanlage her eine gänzlich andere sein, doch für einen Sieg wird es eine klare Leistungssteigerung auf allen Ebenen brauchen.

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PSG: Unruhe und die Säge am Trainerstuhl - wie 2022?

Das alles führt trotz des Verletzungspechs dazu, dass bereits am Trainerstuhl gesägt wird. Die Situation ist damit sogar ähnlich zu der beim FC Bayern: Galtier wird nämlich unter anderem vorgeworfen, dass er nicht die nötige Erfahrung für einen so bedeutenden Job habe. Zuvor trainierte er unter anderem Saint-Étienne, OSC Lille und OGC Nizza, wurde 2021 sogar Meister. In Paris coacht er allerdings erstmals Superstars.

Es soll laut französischen Medienberichten bereits erste Unruhe innerhalb der Kabine geben. Es ist also absehbar, dass dieses Achtelfinale in der Champions League auch für den Trainer eine riesige Bedeutung hat.

Mendes schlug nach dem 1:2 in Marseille auf das Plexiglas am Seitenrand ein, Donnarumma äußerte anschließend seine Wut, und auch Marquinhos wurde deutlich: "Es ist an der Zeit, den Mund zu halten."

Ähnlich tief blicken ließ PSG zuletzt im Frühling des Vorjahres - nach dem unerwarteten Champions-League-Aus bei Real Madrid. Mbappé forderte damals "ein Minimum an Selbstachtung" und Marquinhos sagte: "Wenn wir weiterhin so auftreten, ist klar, dass der Titel in Gefahr ist."

Auch damals drängte in der Ligue 1 Marseille vom zweiten Platz auf den Titel und im Pokal kam das Aus im Achtelfinale. Neu ist dieses Szenario in Paris also nicht - haben sie daraus gelernt? Eine Teilantwort wird das erste Duell mit den Bayern geben.

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PSG: Die große Identitätsfrage

2011 erwarb die katarische Investorengruppe Qatar Sports Investments die Mehrheit der Anteile an PSG. Seitdem wurden große Ziele formuliert. Eines davon: Den Henkelpott in die französische Hauptstadt holen. Bisher ist das nicht gelungen - auch und vor allem wegen einer Finalniederlage gegen den FC Bayern im Jahr 2020. In all den Jahren scheiterte der Klub daran, eine Identität mit Wiedererkennungswert zu installieren.

Wofür will Paris Saint-Germain fußballerisch stehen? Nach vielen Jahren des ausgegebenen Geldes und verschiedener Stars, die das Trikot der Pariser überstreiften, entstand doch immer wieder der Eindruck, dass diesem Ensemble die Struktur fehlt. Es gab ein Ziel, aber keinen Weg. Eine Ausnahme bildet die Zeit, in der Thomas Tuchel an der Seitenlinie stand. Der Deutsche schaffte es, aus den vielen Individuen eine Mannschaft zu formen und scheiterte nur knapp am ersehnten Titel in der Königsklasse.

Seit Tuchel weg ist, kam unter anderem Messi und es wurde weiterhin viel Geld investiert. Aber dem Henkelpott sind sie nicht näher gekommen - eher im Gegenteil. Das Spiel gegen den FC Bayern ist auch deshalb ein Schicksalsspiel, weil der aktuelle Trend darauf hindeutet, dass Paris seine Identitätsfrage nach wie vor nicht geklärt hat.

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