Manchester City: Jack Grealish ist endlich angekommen - wird er jetzt der zweite David Beckham?

Von Justin Kraft
Pep Guardiola, Jack Grealish
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Jack Grealish war in den vergangenen Wochen einer der besten Spieler bei Manchester City. Ist der Angreifer, der die Skyblues einst 117,5 Millionen Euro kostete, endlich beim Team von Pep Guardiola angekommen?

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Der Vergleich mit englischen Legenden wie David Beckham wurde schnell gezogen, als Jack Grealish im Sommer 2021 für 117,5 Millionen Euro Ablöse zu Manchester City wechselte. Bei Aston Villa hatte sich der damals 25-Jährige in die Herzen vieler englischer Fußball-Fans gespielt - und auf die Zettel einiger Topklubs. Am Ende entschied er sich für die üppig besetzte Offensive der Skyblues und Pep Guardiola.

Das Gelächter derjenigen, die von Anfang an einen Absturz prophezeiten, war groß, als Grealish in seiner Debütsaison nur eine Randfigur blieb. In den wichtigen Spielen saß er auf der Bank und auch darüber hinaus stand er nur selten in der Startelf.

Im Verlauf dieser Saison hat sich seine Situation aber signifikant verändert. Plötzlich ist Grealish einer der wichtigsten Spieler in Guardiolas Team. Mit Toren gegen Manchester United, Arsenal, Liverpool sowie Assists gegen Chelsea und Liverpool zeigte er in der Premier League zudem, dass er auch in den großen Spielen eine wichtige Rolle spielen kann. Gerade beim 4:1-Sieg gegen die Reds vor einigen Wochen überragte er. Doch woher kommt der Umschwung und was macht den 27-Jährigen derzeit so stark?

Jack Grealish
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Jack Grealish: Der Output stimmt endlich

"Ich denke, er hat sich in dieser Saison wirklich gut geschlagen", sagte Guardiola jüngst über seinen Schützling: "Das ist der Jack Grealish, den die Fans von Aston Villa sehr gut kennen. Er glaubt voll und ganz an sich und die Art und Weise, wie er sich am Anfang verhalten hat, als er nicht gespielt hat, war perfekt."

Grealish überzeugt in dieser Saison mit großem Output. Auch wenn 14 Torbeteiligungen in 38 Einsätzen nicht das sind, was man auf den ersten Blick von einem derart teuren Transfer erwarten würde, so ist sein Einfluss auf Citys Spiel deutlich gewachsen. Laut Opta ist der Engländer der Spieler in der Premier League, der nach Teamkollege Kevin De Bruyne (0,46) die meisten expected Assists pro 90 Minuten hat (0,28). Zwei herausgespielte Chancen im Schnitt sind zudem kaderintern ebenfalls Bestwert nach De Bruyne - ligaweit steht er auf dem siebten Platz.

Bei Aston Villa war Grealish ein Zocker. Jemand, der mit großem Herz Fußball spielte und dem als Star des Teams auch mal Fehler verziehen wurden. Bei City war genau dieses Zocken lange sein Problem. Zu oft verlor er den Ball, weil er zu viel wollte und dabei das Risiko erhöhte. In der aktuellen Saisonphase entsteht aber der Eindruck, dass Grealish erstmals richtig angekommen ist. Er wirkt integriert und behält häufiger die Nerven.

Das hilft ihm dabei, seine zweifellos riesigen technischen Qualitäten gewinnbringend einzusetzen. Grealish hat häufiger den Kopf oben, spielt überlegter, verliert dabei aber nicht seinen Zug zum Tor. Gegen Liverpool setzte er die gegnerische Defensive mehrfach unter Druck, ohne aber gegen die Wand zu rennen. Trent Alexander-Arnold war chancenlos gegen ihn. "Es gibt Momente, in denen der Trainer nicht will, dass ich die ganze Zeit dribble und den Ball behalte und kleine Kurzpässe spiele", sagte er hinterher und beschrieb damit treffend den Lernprozess, den er unter Guardiola durchlief. Im Moment ist Grealish einer der Gründe dafür, warum City so gut in Form ist.

Jack Grealish
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Jack Grealish: Höhere Arbeitsrate

Aber auch gegen den Ball hat er sich verbessert. Zu Beginn wurde ihm vorgeworfen, dass er zu halbherzig in die Zweikämpfe gehe oder diese sogar ganz meide. Auch deshalb dürfte Guardiola andere Spieler bevorzugt haben. Für den Katalanen ist die Arbeit gegen den Ball enorm wichtig. Im Gegenpressing braucht er Spieler, die das Spielgerät schnell zurückerobern können.

Er führt rund 20 Prozent mehr Zweikämpfe und lässt sich seltener ausdribbeln. Das honoriert auch Guardiola. In diesem Jahr stand der Nationalspieler fast immer in der Startelf.

"Man sieht seine Arbeitsrate, wie er zurückläuft, ein knackiges Tackling, einfach großartig", lobte BBC-Experte Alan Shearer nach dem Liverpool-Spiel: "Man sieht einen Spieler, der mit seinem Spiel zufrieden ist, der zufrieden ist mit dem, was von ihm in der Mannschaft verlangt wird."

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Jack Grealish: Erwartungshaltung vs. Realität

Vermutlich hat Shearer damit den wunden Punkt getroffen. Denn auch wenn Grealish derzeit einer der wichtigsten City-Spieler ist, so ist er als Individuum nicht auf dem Level, das ein De Bruyne oder ein Erling Haaland hat. Die hohe Ablösesumme hat einst suggeriert, dass er der nächste Superstar wird. Einer, der die Offensive der Skyblues tragen kann.

"Als ich hierher kam, da bin ich ehrlich, war es viel schwieriger, als ich dachte", erzählte Grealish bei Sky im Januar über seine bisherige Zeit bei City: "Ich dachte, ich würde zu einem Spitzenteam wechseln, bei dem ich viele Tore und Assists sammeln würde. Doch offensichtlich ist das nicht so. Viele Teams stehen gegen uns sehr tief und das war bei Aston Villa nicht so."

Ihm sei nicht klar gewesen, wie schwer es sei, "sich an ein anderes Team und einen anderen Trainer anzupassen".

Der hohen Ablösesumme allein war und ist es geschuldet, dass das Umfeld die Erwartung hatte, die Umstellung würde innerhalb weniger Wochen funktionieren. Ungefähr so, wie es bei Haaland der Fall war. Doch Grealish ist ein anderer Typ und es wird viel zu oft vergessen, dass Spieler wie der Norweger die Ausnahme und nicht die Regel sind.

Selbst Topstars wie Sadio Mané haben Schwierigkeiten damit, sich nach einem Wechsel umzustellen. Der Sprung, den Grealish machen musste, war riesig. Grealish hat sich in seiner Zeit bei Manchester City aber zu einem besseren Spieler entwickelt. "Das gehört dazu, wenn man die Spielweise des Trainers lernen will", sagte er: "Das braucht Zeit. Ich habe das Gefühl, dass ich das jetzt geschafft habe."

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Jack Grealish: Ein Marketing-Coup für Manchester City

Seine Leistungen sprechen für sich. Und sie dürften dem Klub nicht nur sportlich gefallen. Grealish lässt sich hervorragend vermarkten. Sein jüngster Ausrüstervertrag mit Puma, die ihn zu einem Aushängeschild machen wollen, unterstreicht das. Auch mit Gucci ging der Offensivspieler im vergangenen Jahr eine Zusammenarbeit ein - als erster Fußballer überhaupt wurde er Markenbotschafter des italienischen Modeunternehmens.

Grealish ist beliebt bei diversen Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen und hilft dabei, den Klub international zu repräsentieren und Kritik an den Besitzern sowie dem Konstrukt insgesamt zumindest für den Moment in den Hintergrund rücken zu lassen.

In der Hinsicht erinnert Grealish wohl am meisten an Beckham. Die englische Legende war auch und gerade aus Marketingperspektive für seine Klubs interessant, während sein Status als Fußballer zumindest umstritten war. "Ein Typ, der wie Gazza (Paul Gascoigne) spielt und so prächtig wie Beckham ist, ist sehr anziehend für führende Marken", sagte Ged Colleypriest, der Underdog Sports Marketing gegründet hat, bei The Athletic. Das ist eine unabhängige Agentur, die Marken, Klubs und Sportorganisationen dabei hilft, Netzwerke und Partnerschaften im Sport zu knüpfen.

Grealish sei authentisch und das mache ihn weit über ein Fußballpublikum hinaus so bekannt und beliebt. Er erreiche vor allem ein junges Publikum so gut wie kaum ein anderer. Ob er nun zu den besten Spielern der Welt zählt, oder einfach nur ein guter Fußballer in einem Weltklasseteam ist, ist da fast schon zweitrangig.

Wie einst bei Beckham ist es vorrangig der Glamourfaktor, der bei der Bewertung von Grealish eine große Rolle spielt. Für den Ballon d'Or oder ähnliche Auszeichnungen wird es fußballerisch wohl nicht reichen. Aber Grealish ist dennoch auf dem Weg, ein sehr wichtiger Spieler im Teamgefüge von Manchester City zu sein. Die große Frage ist, ob die jetzige Phase eine Momentaufnahme ist, oder ob es ihm gelingt, dieses Niveau zu halten.

Bewertet man den Transfer nach nun bald zwei Spielzeiten ausschließlich sportlich, ist das bisher Gezeigte wohl zu wenig. Doch wird das Komplettpaket mit einbezogen, dürfte sich bei den Citizens wohl kaum jemand darüber ärgern. Erst recht nicht, wenn er wie zuletzt auch noch wichtige Spiele entscheidet.

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