Erkenntnisse zur BVB-Pleite bei Atlético Madrid: Diesen Fehler muss sich Edin Terzic ankreiden lassen

Von Justin Kraft
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Borussia Dortmund hat in der Champions League noch alle Möglichkeiten, das Halbfinale zu erreichen. Die 1:2-Niederlage bei Atlético Madrid war verdient, macht dem BVB aber auch Hoffnung fürs Rückspiel. Drei Erkenntnisse.

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Ein kurzer Augenblick der Ratlosigkeit im Viertelfinal-Hinspiel. Gar ein seltener Moment der Unachtsamkeit bei Gregor Kobel. Der Schweizer hatte den Ball in seinem Strafraum am Fuß und wusste nicht, wohin damit.

Teamkollege Ian Maatsen bot sich nur zögerlich an, konnte seinen Gegenspieler nicht abschütteln. Marcel Sabitzer trat trabend den gegenläufigen Weg nach vorn an. Und so passierte, was nicht passieren darf: Kobel spielte den trabenden Maatsen an, der wollte auf Sabitzer klatschen lassen. Nur war der Österreicher eben nicht mehr auf seiner Position.

Stattdessen hatte nun Rodrigo de Paul freie Bahn. Fünf Sekunden, die dem BVB eine frühe kalte Dusche bescherten. 1:0 für Atlético Madrid. Ohrenbetäubender Lärm im Wanda Metropolitano. Genau das, was Edin Terzic und seine auf diesem Level unerfahrene Mannschaft vermeiden wollten.

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BVB: Aufbauspiel nicht auf Champions-League-Niveau

"Wir haben explizit darauf hingewiesen, was hier los sein wird und auf was sie ihr Spiel ausgelegt haben: auf Fehler zu lauern", erklärte der BVB-Trainer später bei DAZN: "Wir haben ihnen zu viele Fehler gegeben." Man habe es sich "ganz anders vorgestellt, ins Spiel zu kommen". Von der kalten Dusche erholte sich Borussia Dortmund lange Zeit nicht mehr.

Im Gegenteil: Das Aufbauspiel war hochgradig fehleranfällig. Und das über die gesamten 90 Minuten hinweg. Wenngleich Dortmund später ein besseres Gesicht zeigen sollte, so können die Schwarz-Gelben von Glück reden, dass Atlético all die simplen Fehler im ersten und zweiten Drittel nicht noch härter bestraft hat.

Chancen waren genug da. Nicht jede von ihnen wurde zu einem Abschluss gebracht, der am Ende in den Highlights landete. Doch die Rojiblancos hatten zahlreiche Ballgewinne, die sie nicht optimal ausspielten.

Die taktische Grundidee des BVB ist zu Beginn des Kalenderjahres gut aufgegangen: Ian Maatsen zieht als spielstarker Aufbauspieler mit in die Zentrale und übernimmt dort die Position von Emre Can, der sich in die Abwehrkette fallen lässt. Marcel Sabitzer bekommt so einen normalerweise pressingresistenten Partner, während Can sich dem Gegnerdruck entziehen kann.

Mats Hummels und Nico Schlotterbeck sichern etwas breiter ab und es entsteht eine 3-2-Staffelung im Aufbau, die das Zentrum strukturell gut besetzt. Das entspricht den Stärken und Schwächen der Spieler. In den vergangenen Spielen tat sich der BVB bei höherem Pressingdruck dennoch schwer.

Sowohl der VfB Stuttgart als auch Atlético Madrid schafften es, Fehler zu erzwingen, indem sie im Zentrum sehr kompakt verteidigt haben und den Dortmundern dabei auf den Füßen standen. Beim 0:1 aus BVB-Sicht drückte Atlético die Schwarz-Gelben ausschließlich durch kluges Pressing innerhalb von Sekunden zurück bis ans eigene Tor.

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Gegentor exemplarisch für BVB-Problem

Als drei Minuten und 38 Sekunden gespielt waren, bekam Maatsen an der Mittellinie den Ball. Weil Atlético in seinem 5-2-3 alle zentralen Optionen zustellte, spielte er unter Druck einen Pass auf den linken Flügel. Das Team von Diego Simeone war dort plötzlich in Überzahl und der BVB musste sich zurückziehen. Nur 16 Sekunden nach dem Maatsen-Kontakt im Mittelkreis begann die Fehlerkette am eigenen Strafraum ausgehend von Kobel.

Ein Musterbeispiel. Einerseits für das hervorragend orchestrierte Pressing Atléticos, andererseits für das mangelhafte Aufbauspiel der Dortmunder, die im Rückspiel zwingend Ideen brauchen - oder zumindest über mehr lange Bälle nachdenken sollten, wenn die Qualität nicht ausreicht.

In der zweiten Halbzeit gelang es dem BVB häufiger, den Ball in den eigenen Reihen zu halten. Ein Grund war, dass Maatsen etwas breiter blieb und Can sich nicht mehr fallen ließ. Durch die Einwechslung von Brandt gab es einen spielstarken Spieler, der Verbindungen knüpfte. Dortmund nutzte die Räume etwas besser, die auf den Flügeln entstehen, wenn Atlético eng verteidigt.

Man habe "ein bisschen was umgestellt im Spielaufbau", sagte auch Terzic: "Das hat sich gut angefühlt und gut funktioniert." Geholfen hat aber auch, dass Atlético freiwillig auf höheres Pressing verzichtete und einige BVB-Spieler dadurch wieder stärker in ihrer Komfortzone waren.

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Julian Brandt ist für den BVB von unschätzbarem Wert

Julian Brandt als besten Kombinationsspieler auf der Bank zu lassen, muss sich Terzic dennoch als Fehler ankreiden lassen. Der 27-Jährige belebte das Spiel von seinem ersten Ballkontakt an und hatte deutlich mehr zu bieten als Felix Nmecha und auch Sabitzer. Immer wieder steuerte er die richtigen Räume an, um von Atlético bewusst gesetzte Pressingfallen aufzulösen.

Diesen Mut hat im ersten Durchgang kein anderer BVB-Spieler gehabt. Wurde beispielsweise durch einen Pass auf die Außenbahn das Pressing von Atlético ausgelöst, ließ man sich konsequent nach hinten drücken. Mit Brandt auf dem Platz fand man häufiger mal eine diagonale Lösung zurück ins Zentrum, wo dann Lücken in der Formation des Gegners entstanden.

"Wir wollten verhindern, dass wir uns gerade mit Gegner im Rücken anspielen", erklärte Terzic: "Wir wollten sie bewegen. Und wenn wir das umstellen, kriegen wir gute Chancen, das zu drehen. Das hat man gesehen." Brandt half enorm dabei, dem BVB-Spiel andere Passwinkel zu geben, sodass man eben nicht immer nur gerade spielte und Atlético so einen einfachen Zugriff gab.

Dennoch gab es auch in der zweiten Halbzeit zu viele Geschenke für das Heimteam. Die muss der BVB abstellen, will er im Rückspiel das Halbfinal-Ticket ziehen. Mutiges und vor allem entschlossenes Freilaufverhalten sind einerseits wichtig gegen hoch anlaufende Teams. Explosivität beim Entgegenkommen, Überblick bei der Positionierung - aber andererseits benötigt es auch mal die Akzeptanz, einen langen Ball schlagen zu müssen.

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Der BVB hat gesehen, dass Atlético schlagbar ist

Dass Sébastien Haller nach einem guten Spielzug durch die Mitte der Anschlusstreffer gelang, war angesichts der Leistungssteigerung verdient - und gleichermaßen sehr wichtig für das Selbstbewusstsein.

Dortmund hat gesehen, dass Atlético schlagbar ist und dass ihr Pressing zwar immer noch sehr gut ist, längst aber nicht mehr so unverwundbar daherkommt wie vor einigen Jahren. Wenn der BVB sich seiner technischen Probleme im Spielaufbau etwas bewusster ist und eine gute Balance aus langen Bällen und mutigem Ballvortrag findet, ist mit dem Champions-League-Halbfinale ein Riesenerfolg für den gesamten Klub möglich.

"Wir hätten es auch verdient gehabt, den Ausgleich zu erzielen", meinte Terzic nach Abpfiff. Wäre Brandts Kopfball in der Nachspielzeit reingegangen, hätte sich Atlético nicht beschweren können. Doch Dortmund sollte auch nicht zu euphorisch sein. Dass man an diesem Abend nur zwei Gegentore kassierte, gleicht einem Wunder.

Das 2:1 stellt die Kräfteverhältnisse am Ende gut dar. Lernt der BVB aus seinen Fehlern, kann das Heimspiel in Dortmund allerdings einen ganz anderen Verlauf nehmen. Atlético hat auswärts in dieser Saison bereits zehnmal verloren. Hinzu kommen nur sieben Siege und fünf Unentschieden.

Der ohrenbetäubende Lärm im Stadion war in der Schlussphase und besonders bei Brandts Lattenkopfball verschwunden. Im Rückspiel sollte er wieder da sein. Dann allerdings zum Vorteil der Dortmunder.

BVB: Die nächsten Spiele von Borussia Dortmund

DatumWettbewerbGegner
13. April, 15.30 UhrBundesligaBorussia Mönchengladbach (A)
16. April, 21 UhrChampions LeagueAtlético Madrid (H)
21. April, 17.30 UhrBundesligaBayer Leverkusen (H)
27. April, 15.30 UhrBundesligaRB Leipzig (A)
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