FC Bayern München: Nicht "Bayern-like"? Julian Nagelsmann ist mit seinem Ausraster in guter Gesellschaft

Von Justin Kraft
Zudem legt Trainer Ancelotti viel Wert auf eine stabile Defensive, was Rüdiger attraktiv macht. Allerdings stellt sich die Frage, ob mit den möglichen Transfers der Offensiv-Superstars Kylian Mbappe (PSG) und Erling Haaland (BVB) noch genug Geld da wäre.
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Julian Nagelsmann ist nach seinem Ausraster in Mönchengladbach das bestimmende Thema rund um den FC Bayern München. Der Trainer hatte sich massiv über die Rote Karte gegen Dayot Upamecano in der Bundesliga und über die Reaktion der Schiedsrichter nach der Partie aufgeregt. Kritik daran gibt es auch medial. Doch wie einzigartig war dieser Ausraster? Ein Blick in die Geschichte des Rekordmeisters - und auf die Persönlichkeiten, die den Klub prägten.

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Zwischen einem ruhigen Arbeitsumfeld und dem Großeinsatz der Feuerwehr, weil die Säbener Straße brennt, liegen in München oft nur wenige Sekunden. In diesem Fall war es die achte Spielminute in Mönchengladbach. Alassane Pléa war der Abwehr des FC Bayern München enteilt und nur Dayot Upamecano kam noch in die Nähe des Franzosen. Eine leichte Berührung im Schulterbereich und der Fall des Gladbachers reichten aus: Pfiff, Griff in die Tasche am Gesäß, Rote Karte.

Es folgte ein Schauspiel, wie es der DFB dieser Tage häufiger hinbekommt. Minutenlang wurde im Kölner Keller auf die Bildschirme geschaut, um anschließend festzustellen: Kann man schon machen. Während sich die Fußballfans in den sozialen Netzwerken überwiegend einig waren: Niemals ist das eine Rote Karte. Einigkeit trotz des polarisierenden FC Bayern.

Gladbach gewann das Spiel mit 3:2 und Julian Nagelsmann platzte anschließend der Kragen. "Weichgespültes Pack" soll der Trainer des Rekordmeisters im Innenraum des Stadions in Richtung der Schiedsrichter gerufen haben. "So was hat man von den großen Bayern-Trainern Hitzfeld, Heynckes und Flick nie gehört", kommentierte Matthias Brügelmann bei der Bild nahezu empört: "Nagelsmanns Wut-Explosion war alles andere als vorbildlich und nicht Bayern-like." Und weiter: "Den Nachweis, dem Bayern-Job mit 35 Jahren gewachsen zu sein, bleibt Nagelsmann immer wieder schuldig."

Aber ist das so? Ist er mit dieser Emotionalität tatsächlich ein Unikat? Schauen wir doch mal in die glorreiche Vergangenheit des FC Hollywood und auf jene, die mal beim FCB aktiv waren - selbstredend alles Vorbilder und große Persönlichkeiten.

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Ottmar Hitzfeld: Der General und sein lockerer Mittelfinger

Das erste Beispiel handelt nicht direkt vom FC Bayern München. Aber von Ottmar Hitzfeld, dem ja stets tadelloses Verhalten unterstellt wird. Aber passiert das Folgende einem echten Gentleman?

Beim WM-Qualifikationsspiel zwischen der von ihm damals trainierten Schweiz und Norwegen kam es zu einem Eklat: Der ehemalige Trainer der Bayern hatte Schiedsrichter Fernandez Borbalan den Mittelfinger gezeigt. "Es waren viele Emotionen im Spiel", rechtfertigte er seine Aktion anschließend in der Blick: "Die Geste tut mir leid. Ich bin natürlich sauer auf mich selbst."

Vom Schiedsrichter fühlte er sich aber offenbar im Stich gelassen. "Es ist immer schwierig, gegen zwölf Mann zu spielen", sagte er. Mehrfach beschwerte er sich über vermeintliche Fouls der Norweger. Von der FIFA wurde Hitzfeld anschließend für zwei Spiele gesperrt.

Übrigens: Es war nicht das erste Mal, dass der zweifache Champions-League-Sieger abfällig über die Spielleiter sprach. "Bei einer Weltmeisterschaft sollen die besten Schiedsrichter pfeifen", sagte er nach einem WM-Spiel gegen Chile 2010: "Und nicht Referees, die irgendwo am Strand pfeifen." Gut, dass er damals nur die Schweiz trainierte. Denn Bayern-like ist das natürlich nicht!

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Pep Guardiola: Übergriffig gegen Bibiana Steinhaus

Ebenfalls Gladbach, allerdings im Oktober 2014: Der FC Bayern München kommt nicht über ein 0:0 bei der Borussia hinaus. In der Nachspielzeit platzt Trainer Pep Guardiola der Kragen. Er geht zur vierten Offiziellen Bibiana Steinhaus und bittet um eine verlängerte Nachspielzeit, weil Granit Xhaka Zeitspiel begehe.

Mehrere Sekunden lang beackert und bedrängt er Steinhaus, die ihm aber keine weitere Nachspielzeit gewährt. Verächtlich greift der damals 43-Jährige nach der Hand der Schiedsrichterin und schüttelt sie höhnisch. Wenig später geht er wieder zu ihr und will sie versöhnlich in den Arm nehmen. Steinhaus aber befreit sich und fühlt sich ganz offensichtlich bedrängt.

Auf die Tribüne geschickt wurde der Katalane nicht. Eine Sperre gab es ebenfalls nicht, weil Hauptschiedsrichter Felix Zwayer auf einen Eintrag im Spielberichtsbogen verzichtete. Glück für Guardiola, der hier ganz offenkundig und vor laufenden Kameras eine Grenze überschritten hatte.

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Jupp Heynckes: "Schiedsrichter haben keine Ahnung"

Etwas weiter zurück in die Vergangenheit: 2001 war Jupp Heynckes zwar nicht Trainer beim FC Bayern, aber in Spanien bei Athletic Bilbao. Und dort platzte ihm der Kragen, weil er sauer auf die Schiedsrichter war.

"Das Problem an den Schiedsrichtern ist, dass sie keine Ahnung vom Fußball haben, weil sie selbst nie Fußball gespielt haben", schimpfte er damals. Die AS warf ihm anschließend vor, "cholerisch" zu sein. Ohnehin wird das Bild des Trainers vor allem durch seine späten Jahre geprägt.

In seiner Anfangszeit und auch weit über diese hinaus galt Heynckes lange als sturer, verbissener Trainer, der sich nicht immer im Griff hatte. Assistent Horst Köppel wunderte sich einst, dass sein Chef nicht mal eine Niederlage im Tennis locker und sportlich hinnehmen konnte. Junge Spieler hätten seine Wutausbrüche einst sogar gefürchtet.

Nicht umsonst bekam er den Spitznamen "Osram", weil sein Kopf häufig tiefrot anlief. Zwar fiel Heynckes nie mit derben Beleidigungen auf, aber vorwurfsvolle und nicht immer faire Kommentare in Richtung des Schiedsrichters gab es hin und wieder.

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Carlo Ancelotti: Sperre nach Ausraster - Wut in Madrid

Der Inbegriff eines ruhigen Trainers ist wohl Carlo Ancelotti, oder? Im Oktober 2019 leistete sich der Italiener als Trainer der SSC Neapel ebenfalls eine Entgleisung. Nachdem Atalanta das 2:2 erzielt hatte, rastete Ancelotti aus. Er war der Meinung, dass sein Team zuvor einen Elfmeter hätte bekommen müssen. Minutenlang wurde die Szene vom Schiedsrichterteam an den Bildschirmen gecheckt.

Das Resultat: Kein Elfmeter, Tor für Atalanta. Ancelotti war außer sich, konnte sich nicht mehr beruhigen. Was er genau zum Schiedsrichter sagte, ist bis heute unklar. Allerdings kassierte er die Rote Karte und wurde anschließend für das nächste Spiel gesperrt.

Übrigens: Auch beim FC Bayern ließ sich Ancelotti einst zu der einen oder anderen Respektlosigkeit hinreißen. Als die Münchner 2017 in der Champions League an Real Madrid scheiterten, erwischte Schiedsrichter Viktor Kassai nicht seinen besten Tag und stellte Arturo Vidal zu Unrecht vom Platz. "Es kann nicht sein, dass solche Fehler in einem Viertelfinale vorkommen", wütete der Trainer anschließend. Der Schiedsrichter sei "viel schlechter" gewesen als sein Team.

Auf dem Platz soll er damals ein höhnisches "good job" in Richtung Kassai gerufen haben. Besonders Bayern-like verhielt sich damals auch Karl-Heinz Rummenigge, der davon sprach "beschissen worden" zu sein. Und auch Thiago reagierte sauer: "Wir wurden hier total beschissen und können es nicht ändern, das regt uns auf." Kassai hatte nicht nur mit dem Platzverweis für Aufsehen gesorgt, sondern auch zwei klare Abseits-Fehlentscheidungen gegen den FCB getroffen.

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Hasan Salihamidzic und Co.: Weitere Bayern-Ausraster

Das bringt uns doch glatt auch nochmal zu den Personalien außerhalb des Trainerstuhls. Oder müssen sich beim FC Bayern nur die Trainer an den Knigge halten? Hasan Salihamidzic jedenfalls wittert seit geraumer Zeit eine Verschwörung gegen seinen Klub. Die Rote Karte gegen Upamecano sei "die Krönung" einer Entwicklung gewesen: "In den letzten Wochen war das schon so, dass man benachteiligt wurde." Ohnehin ist Salihamidzic in den letzten Jahren häufiger mit emotionalen Ausbrüchen in der Mixed Zone aufgefallen. Beispielsweise, als er den eigenen Spieler Serge Gnabry jüngst für "amateurhaftes" Verhalten rügte.

Beleidigend wurde der Sportvorstand immerhin nicht. Aber mit Beleidigungen kennt er sich gut aus. Denn einst hatte Hansi Flick zu seinem Vorgesetzten "halt dein Maul" gesagt und sich anschließend öffentlich dafür entschuldigt.

Nun könnte man den Fokus noch etwas weiten und sich vom FC Bayern loslösen. Aber Jürgen Klopp, José Mourinho oder Diego Simeone werden sicher keine Angriffsfläche dahingehend bieten.

Aber Spaß beiseite: Emotionale Wutausbrüche sind, das zeigt allein diese kleine Auswahl, keine Seltenheit im Fußball. Emotionen dürfen keine Rechtfertigung für Beleidigungen und Respektlosigkeiten sein. Nagelsmann und Co. müssen dementsprechend die Konsequenzen für ihr Handeln tragen.

Gleichwohl wäre es vermessen, einem Trainer wegen einer derartigen Entgleisung zu unterstellen, nicht geeignet zu sein. Gerade mit Blick auf die lange Liste an Welttrainern, die in den letzten Jahren auffällig wurden, sollte das Thema wohl spätestens nach der Entschuldigung durch sein. Nagelsmann jedenfalls wird sich an anderen Dingen messen lassen müssen, als an seinem Ausraster im Innenraum des Stadions.

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