"Er ist ein Krieger": Wie aus Granit Xhaka Bayer Leverkusens General wurde

Von Constantin Eckner
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© SPOX/Getty

In wenigen Tagen könnte Bayer 04 Leverkusen die erste deutsche Meisterschaft feiern. Verantwortlich für dieses Erfolgsjahr sind viele Spieler und Funktionäre. Der Dreh- und Angelpunkt auf dem Feld ist jedoch unbestritten Neuzugang Granit Xhaka.

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Während seines siebenjährigen Aufenthaltes bei Arsenal war Granit Xhaka kein Meistertitel vergönnt, wenngleich es in der vergangenen Saison denkbar knapp zuging.

Doch was dem Schweizer im Trikot der Gunners verwehrt blieb, das wird er nun mit Bayer 04 Leverkusen erreichen. Und noch dazu in einer prominenteren Rolle als je zuvor. Denn Xhaka bildet gewissermaßen das Herzstück des Leverkusener Spielsystems. Ohne ihn als zentralen Ankerspieler vor der Abwehr, als ständig verfügbare Anspielstation und als Ruhepol im Ballbesitz, hätte das Team von Xabi Alonso in dieser Saison wohl bei weitem nicht solch stabile Leistungen erbringen können.

Xhaka einmal als Ruhepol zu bezeichnen, hätte vor ein paar Jahren wohl noch für lautes Gelächter und den Entzug des Journalistenausweises geführt. Eigentlich ist der gebürtige Baseler von seinem Naturell her ein kleiner Unruhestifter. Und selbst mit zunehmendem Alter lässt er es sich nicht nehmen, beispielsweise gegen seinen Ex-Klub, den FC Basel, und dessen Präsident David Degen gelegentlich zu feuern oder anderweitig mit offen vorgetragenen Meinungsäußerungen für Aufmerksamkeit zu sorgen. Jegliche schweizerische Zurückhaltung scheint Xhaka fremd. Für seine Authentizität wird er allerdings von seinen Fans und Followern gefeiert.

Und zuvorderst ist der 31-Jährige vor allem ein richtig grandioser Fußballer, dessen Evolution von seinen Tagen bei Borussia Mönchengladbach über die Zeit in London bis heute im Trikot des baldigen deutschen Meisters wahrlich beeindruckend ist.

Nur zur Erinnerung: Als junges Fohlen war Xhakas Positionsspiel noch eine einzige Lotterie. Nie konnte man abschätzen, ob er richtig stehen oder aufgrund von Aktionismus plötzlich dem Gegner Räume anbieten würde. Doch aus dem einstmals ungestümen Sechser ist eine Art Mittelfeldgeneral geworden.

Granit Xhaka
© getty

Granit Xhaka bei Bayer 04 Leverkusen: Mehr Pässe ins letzte Drittel als jeder andere

Deshalb ragt Xhaka in einer Mannschaft voller Top-Performern noch ein Stückchen heraus. Nicht nur aufgrund seiner Leistungen, aber auch wegen seiner Wichtigkeit für viele Mitspieler. Die linke Seite von Leverkusen hat in dieser Spielzeit für viel Furore gesorgt, wobei Alejandro Grimaldo und Florian Wirtz vielfach von Xhakas Präsenz profitierten. Häufig steckte der Schweizer im richtigen Moment den Ball zu Wirtz durch, damit sich dieser in den vorderen Zwischenlinienräumen austoben konnte. Dabei zeigte Xhaka meist genügend Geduld und versuchte eben nicht, mit aller Gewalt die gegnerische Linie zu überspielen.

Lieber ein Quer- oder Rückpass mehr, anstatt einen Ballverlust zu verursachen, so lautete das Credo von Xhaka und der gesamten Leverkusener Zentrale. Eben diese Ruhe war extrem wichtig, um die Spielidee von Alonso, inklusive der Ziehharmonika-artigen Raumgewinne, sprich der kontinuierlichen Raumgewinne durch Vorwärtspässe und darauffolgende Ablagen, umzusetzen.

Xhaka selbst war im System der Leverkusener jedoch nicht nur der Ruhepol vor und hinter der Mittellinie, sondern darüber hinaus auch der Impulsgeber auf dem Weg zum gegnerischen Tor. Mit 341 Pässen ins offensive Spielfelddrittel verbuchte er die meisten aller Bundesliga-Spieler in dieser Saison. Übrigens die meisten Pässe in den gegnerischen Strafraum produzierte Xhakas Vordermann Florian Wirtz mit 80 - laut dem Statistikportal FBref.com.

Bei aller persönlicher Weiterentwicklung, die Xhaka in seiner Zeit bei Arsenal etwa unter Unai Emery und erst recht in den vergangenen Jahren unter Mikel Arteta durchlaufen hatte, bedeutete der Wechsel nach Leverkusen nochmals eine Umstellung für ihn. Zum einen war das spielerisch der Fall, denn derart viele Ballkontakte und auch eine solch hohe Passquote verbuchte Xhaka für die Gunners nie. In London erwartete von ihm auch niemand eine fast fehlerlose Ballsicherheit.

Granit Xhaka
© getty

Granit Xhaka bei Bayer 04 Leverkusen: Neues Kapitel in seiner Karriere

Aber der Wechsel von London nach Leverkusen war auch insofern eine Umstellung, als dass Xhaka nun eine uneingeschränkte Führungsrolle übernehmen sollte. Das Leverkusener Team besteht keineswegs nur aus Jungspunden, aber Xhaka bringt eine Erfahrung in die Mannschaft, über welche nur sehr wenig andere verfügen. Bei Arsenal hatte sich Xhaka zeitweilig auch ein Standing im Team erarbeitet und erhielt sogar im September 2019 die Kapitänsbinde, die er jedoch nach ein paar Wochen wieder abgab.

In Leverkusen schlüpfte Xhaka von Beginn an in die Rolle des umsichtigen Anführers und damit gewissermaßen auch in eine Rolle, die einst Xabi Alonso in einem Team eingenommen hätte. Der Leverkusener Cheftrainer scheint von Xhaka auch zu erwarten, dass er dessen verlängerter Arm auf dem Rasen ist. In diesem Kontext hilft es wohl auch dem Schweizer, dass er sich am ausgeglichenen und meist in sich ruhenden Basken orientieren kann. Alonso strahlt nun einmal auf alle im Leverkusener Team ab.

"Er ist ein Kämpfer, ein Krieger. Er hat ein großes Herz, er hat große Führungsqualitäten. Er spielt sehr intensiv, sehr diszipliniert, sehr konzentriert, koordiniert immer die Verbindung zwischen unseren Spielern. So einen Mittelfeldspieler brauchst du in wichtigen Momenten - und Granit ist da", sagte Alonso vor einigen Wochen über Xhaka.

Natürlich ist der 42-Jährige momentan der große Star der Werkself und wenig überraschend auch national wie international in aller Munde. Aber auf dem Rasen ist neben Juwel Wirtz vor allem Xhaka der glänzende Stern dieser Meistermannschaft. Diese Saison hat er auf eine Art und Weise bestritten, dass damit ein neues Kapitel in seiner Karriere begann, inklusive der ersten Klubmeisterschaft außerhalb seines Heimatlandes.

Granit Xhaka: Leistungsdaten 2023/24*

WettbewerbSpieleToreAssistsGelbe KartenGespielte Minuten
Bundesliga281-42.489
Europa League6-11442
DFB-Pokal5---347
GESAMT391153.278

*Daten via transfermarkt.de